Titel: | Neue Analyse des Sonnenlichts, woraus hervorgeht, daß dasselbe nur aus drei Grundfarben besteht; von Dr. David Brewster, Mitglied der königl. Akademien zu London und Edinburgh. |
Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XVII., S. 93 |
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XVII.
Neue Analyse des Sonnenlichts, woraus hervorgeht,
daß dasselbe nur aus drei Grundfarben besteht; von Dr.
David Brewster,
Mitglied der koͤnigl. Akademien zu London und Edinburgh.
Im Auszuͤge aus den Transactions of the Royal Society of
Edinburgh im Edinburgh Journal of Science. Oktober 1831, S.
197.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Brewster, neue Analyse des Sonnenlichts.
Indem ich der wissenschaftlichen Welt eine neue Analyse des Lichts vorlege, kenne ich
wohl die Schwierigkeiten, welche sich hiebei darbieten. Selbst in der Physik ist es
ein gewagter Versuch lange bestehende und tief eingewurzelte Meinungen auszurotten,
um so mehr, wenn dieselben mit dem Nationalgefuͤhl zusammenhaͤngen und
mit unsterblichen Namen vergesellschaftet sind. Es gibt zwar Faͤlle, wo die
einfache Darstellung der Wahrheit hinreichend ist, die beliebtesten und durch ihr
Aller ehrwuͤrdigsten Irrthuͤmer zu zerstreuen; anders verhaͤlt
es sich aber mit Doctrinen, die auf einer Kette von Schluͤssen beruhen, wo
nicht jeder Schritt bei der Induction streng erweisbar ist; einen hinreichenden
Beweis dafuͤr finden wir in. der Geschichte von Newton's optischen Entdekungen und besonders in den Widerspruͤchen,
die sie von so ausgezeichneten Maͤnnern, wie Dr.
Hooke und Hrn. Huygens
erfuhren.
Bei den Untersuchungen die ich nun darlegen werde, ist das angewandte
Zerlegungsmittel die absorbirende Wirkung, welche verschiedene Koͤrper auf
verschiedene Strahlen weißen Lichts ausuͤben. Dieses Princip, welches die
Wissenschaft bisher kaum anerkannte, lernte man durch die neuen Entdekungen in der
Polarisation und doppelten Brechung des Lichts kennen und es wurde, wie ich glaube,
zuerst von mir als ein Zerlegungsmittel benuzt, in einer Abhandlung, die ich in den
Edinburgh Transactions Bd. IX. S. 433 bekannt
machte. Bei den daselbst beschriebenen Versuchen untersuchte ich Dr. Wollaston's Farbenbild
von vier Farben, naͤmlich Roth, Gruͤn, Blau
und Violett, mittelst eines purpurblauen Glases. Dieses
Glas absorbirte die blauen Strahlen, welche, wenn sie
sich mit dem Gelb vermischten, Gruͤn hervorbrachten, und die gelben
Strahlen, welche, wenn sie sich mit dem Roth vermischten, Orange machten; und indem es das Gelb und Roth isolirte, bewirkte es so eine vollkommene Zersezung
des zusammengesezten Gruͤn und des zusammengesezten Orange. Aus diesem Versuche zog ich den
Schluß, daß gelbes Licht eine unabhaͤngige Existenz in dem
Farbenbild hat, und daß das
Prisma nicht im Stande ist jenen Theil des
Farbenbilds (von vier Farben), den es einnimmt, zu
zersezen. Dieses unzweideutige Resultat eines einfachen Versuches
erschuͤttert mit einem Male die Grundlage der prismatischen Analyse des
Lichts. Newton, der sich bloß auf die Angaben des Prisma
beschrankte, schloß daraus, daß Gruͤn und Orange
einfache Farben sind, und „daß uͤberhaupt demselben Grad von
Brechbarkeit immer dieselbe Farbe und derselben Farbe immer der gleiche Grad von
Brechbarkeit zukommt;“ es ist nun aber klar, daß gewisse blaue und gelbe Strahlen und
gewisse rothe und gelbe
Strahlen ganz die naͤmliche Brechbarkeit haben, so daß in dem
naͤmlichen Medium die Brechbarkeit weder ein Kennzeichen (Reagens)
fuͤr die Farbe, noch die Farbe ein Kennzeichen fuͤr die Brechbarkeit
ist.
Hr. Herschel bestaͤtigte diese Ansichten durch
Versuche in demselben Bande der Transactions;
fuͤnf Jahre spaͤter bemerkte er aber in seinem Treatise on light, daß sich gegen dieselben bedeutende Einwuͤrfe
machen lassen. „Diese Ansicht (die Unfaͤhigkeit des Prisma das
Licht zu analysiren), sagt er, wurde von Dr. Brewster in den Edinburgh
Philosophical Transactions Bd. XI. vertheidigt und sie scheint auch aus
anderen Versuchen in demselben Bande dieser Sammlung gefolgert werden zu
muͤssen. Nach dieser Lehre wuͤrde das Farbenbild aus wenigstens
drei besonderen Farbenbildern von verschiedenen Farben, Roth, Gelb und Blau,
bestehen, welche uͤber einander liegen und wovon jedes ein Maximum der
Intensitaͤt an jenen Punkten hat, wo das zusammengesezte Farbenbild diese
Farbe in der staͤrksten und intensivsten Nuance zeigt. Wir muͤssen
indessen gestehen, daß sich gegen diese kehre Manches einwenden laͤßt;
einen der staͤrksten Einwuͤrfe liefert uns die sonderbare
Erscheinung, daß gewisse Personen nur zwei Farben unterscheiden; diese sind,
wenn man sie genau befragt (indem man ihnen nicht die gewoͤhnlichen
zusammengesezten Mahlerfarben, sondern optische Nuancen von bekannter
Zusammensezung darbietet), gewoͤhnlich Gelb
und Blau.“
Den so eben angegebenen Bemerkungen hat Hr. Herschel eine
erklaͤrende Zeichnung des Farbenbilds beigefuͤgt, worin er es aus vier Farben, Roth, Gelb, Blau
und Violett bestehen laͤßt; das Roth dehnt sich
bis zur Mitte des Gelb aus; das Gelb faͤngt am Ende des Orange an und endigt
bei dem Indigo; das Blau faͤngt in der Mitte des Gelb an und endigt sich am
Ende des Violett und das Violett beginnt am Indigo und endigt am Ende des
Farbenbilds.
Ich war nicht im Stande zu entdeken, worin die Haupteinwuͤrfe bestehen sollen,
auf welche sich Hr. Herschel in der vorhergehenden Stelle
bezieht: aber der bedeutendste, welchen er ausdruͤklich angibt, hat, wie wir sehen werden, kein
Gewicht. Eine dunkle physiologische Thatsache, die bei Einem Auge unter Millionen
vorkommt, kann in keinem Betracht das Resultat einer folgerechten Induction
schwachen; wenn wir sie aber auch fuͤr eine allgemeine Thatsache
wuͤrden gelten lassen, so wird sich zeigen, daß sie im Gegentheil ein Beweis
zu Gunsten derselben Ansichten ist, die sie widerlegen sollte.
Diese Ansichten (oder die Analyse des Farbenbilds, worauf sie fuͤhren)
koͤnnen in folgenden Saͤzen ausgedruͤkt werden:
1) Weißes Licht besteht aus drei einfachen Farben, Roth,
Gelb und Blau, durch deren Mischung alle anderen
Farben gebildet werden.
2) Das Sonnenfarbenbild, es mag nun durch Prismen von durch sichtigen Koͤrpern
oder durch Unebenheiten auf metallischen und transparenten Oberflaͤchen
gebildet werden, besteht aus drei Farbenbildern von gleicher Laͤnge, die an den gleichen Punkten anfangen
und endigen, naͤmlich aus einem rothen,
einem gelben und einem blauen
Farbenbild.
3) Alle Farben in dem Sonnenfarbenbild sind zusammengesezte; jede derselben besteht aus rothem, gelbem und blauem
Licht in verschiedenen Verhaͤltnissen.
4) Eine gewisse Menge weißen Lichts, welches durch das Prisma nicht zerlegt werden
kann, weil alle Strahlen, woraus es besteht, die naͤmliche Brechbarkeit
haben, ist an jedem Punkte des Farbenbilds vorhanden und kann an einigen Punkten
isolirt (fuͤr sich dargestellt) werden.
Diese merkwuͤrdige Zusammensezung des Farbenbilds ist auf Tab. II.
dargestellt, wo man in Fig. 7, 8 und 9 die drei besonderen
Farbenbilder und in Fig. 10 dieselben mit einander verbunden sieht.
In allen diesen Figuren entspricht der Punkt M dem rothen oder am wenigsten
brechbaren Ende des Farbenbilds und N dem violetten oder brechbarsten Ende; die Ordinaten ax, bx, cx der verschiedenen Curven MRN, MYN, MBN, stellen die Intensitaͤt des rothen,
gelben und blauen Strahls bei irgend einem Punkt x des
Farbenbilds dar.
Wenn die Entfernung Mx in allen diesen
Farbenbildern gleich ist, so zeigen die Ordinaten ax, bx, cx in ihrer Verbindung in Fig. 10 die Natur und
Intensitaͤt der Farbe bei irgend einem Punkt x
des rothen Farbenbilds an. Es sey
die Ordinate fuͤr
rothes Licht
ax = 30
gelbes
bx = 16
blaues
cx =
2
––––––––
ax + bx +
cx = 48
Strahlen,
so wird der Punkt x durch 48
Lichtstrahlen beleuchtet werden, naͤmlich durch 30 rothe, 16 gelbe und 2
blaue.
Da nun aber eine gewisse Anzahl rother und gelber Strahlen in Verbindung mit 2 blauen
Strahlen weißes Licht geben muß, so wollen wir annehmen, daß weißes Licht, dessen
Intensitaͤt 10 ist, durch 3 rothe, 5 gelbe und 2 blaue Strahlen gebildet
wird; daraus folgt, daß der Punkt x beleuchtet wird,
durch
rothe Strahlen
27
gelbe Strahlen
11
weißes Licht
10
––––
8 Strahlen,
oder was dasselbe ist, das Licht bei x wird Orange seyn, durch eine Beimischung von weißem Licht Heller
gemacht. Die zwei blauen Strahlen, welche das Licht bei x enthaͤlt, werden daher der vorherrschenden Farbe keinen blauen
Stich ertheilen.
Nimmt man den Punkt x naher bei M und sind an diesem Punkt die blauen Strahlen zahlreicher im
Verhaͤltniß zu den gelben als 2 zu 5, z.B. wie 3 zu 5, so wird 1 blauer
Strahl mehr vorhanden seyn als noͤthig ist, um mit den 2 gelben und 3 rothen
Strahlen weißes Licht zu bilden und jener blaue Strahl wird diesem Theil des
Farbenbilds eine blaue Nuance ertheilen oder die eigenthuͤmliche Farbe des
reinen rothen Lichts modificiren. Auf gleiche Art kann die eigenthuͤmliche
Farbe des blauen Endes des Farbenbilds durch einen Ueberschuß von rothen Strahlen
modificirt werden, so daß es in violettes Licht
verwandelt wird. So laͤßt sich die Nuance von rothem Licht an dem blauen Ende
des Farbenbildes und die von blauem Licht an dem rothen Ende des Farbenbildes
erklaͤren, selbst wenn der am wenigsten brechbare Theil BM der blauen Curve uͤberall innerhalb des
am wenigsten brechbaren Theiles YM der gelben
Curve und der brechbarste Theil RN der rothen
Curve uͤberall innerhalb des am wenigsten brechbaren Theiles YN der gelben Curve ist. In dieser Voraussezung
wird der Ueberschuß des blauen Lichtes uͤber das gelbe anfangen den en Raum
an der Stelle zu modificiren, wo die Ordinaͤren cx, bx in dem Verhaͤltniß von 2
zu 5 sind, welches dasselbe ist, worin sie im weißen Licht vorhanden sind; und der
Ueberschuß von rothem Licht uͤber das gelbe wird den blauen Raum an jener
Stelle zu modificiren anfangen, wo die Ordinaten des brechbarsten rothen und
brechbarsten gelben Theiles wie 3: 5 sich verhalten, das Verhaͤltniß, in
welchem die correspondirenden Strahlen im weißen Licht zu einander stehen. Es ist
aber nicht unwahrscheinlich, daß der blaue Theil BM wirklich den gelben Theil YM an
irgend einem Punkt m durchkreuzt, wie Fig. 11 zeigt; und der
rothe Theil RN den gelben Theil YN, so daß die blauen Ordinaten in dem einen und die rothen Ordinaten in
dem anderen Falle, die gelben Ordinaten an jedem Punkt uͤber den
Durchschnittspunkten m und n
hinaus uͤbertreffen werden. Wenn dieß wahr ist, so folgt daß bei und jenseits
n das Roth, so wie es war, wieder erscheinen und
durch sein Vorwalten den aͤußersten blauen Raum
zwischen n und N in Violett verwandeln wird.
In jedem Theil eines so zusammengesezten Farbenbildes sind nothwendig drei
verschiedene Farben vorhanden, welche durch ihre Vereinigung eine zusammengesezte
Nuͤance bilden; und da die drei verschieden gefaͤrbten Strahlen an
jedem Punkt die naͤmliche Brechbarkeit haben, so ist es unmoͤglich sie
zu trennen oder die zusammengesezte Nuͤance durch prismatische Brechung zu
analysiren (zerlegen). Laͤßt man jedoch die zusammengesezte Nuͤance
durch durchsichtige feste Koͤrper oder Fluͤssigkeiten gehen, welche
einen oder mehrere der einfachen Strahlen absorbiren und die uͤbrigen
hindurchlassen, so kann man einen oder mehrere der Strahlen besonders darstellen
oder eine ruͤkstaͤndige Farbe erhalten, welche die Gegenwart von
Strahlen anzeigt, deren Daseyn nicht aus der urspruͤnglichen Farbe der
zusammengesezten Nuͤance gefolgert werden kann. Lassen wir z.B. den
zusammengesezten Strahl bei x
Fig. 10 durch
ein absorbirendes Medium gehen, welches 27 rothe Strahlen zuruͤkhaͤlt,
so wird die durchgelassene Nuͤance 11 gelbe Strahlen und 10 Strahlen weißes
Licht enthalten, folglich als ein brillantes gelbes Licht erscheinen; und wenn wir
dieses Licht wieder durch ein anderes Medium lassen, welches 11 gelbe Strahlen
verschlukt, so erhalten wir reines weißes Licht aus 3 rothen, 5 gelben und 2 blauen
Strahlen bestehend. Dieses weiße Licht zeichnet sich dadurch aus, daß es homogenes
Licht, naͤmlich nicht weiter durch das Prisma zerlegbar ist und sich besser
als jedes andere fuͤr die Zweke des Sehens eignet. Das Daseyn solchen Lichtes
wurde fruͤher nicht einmal gemuthmaßt und seine Isolirung an irgend einem
Punkt des Farbenbilds ist ein Beweis, daß an diesem Punkte rothe, gelbe und blaue
Strahlen von gleicher Brechbarkeit vorhanden sind.
Nachdem ich im Vorhergehenden eine allgemeine Uebersicht von der Zusammensezung des
Farbenbilds, so wie ich sie fand, mitgetheilt habe, will ich jezt die Versuche
auseinandersezen, durch welche ich darauf geleitet worden bin.
Aus der bloßen Ansicht der gefaͤrbten Raͤume ist es klar, daß rothes Licht in den rothen,
orangefarbigen und violetten Abtheilungen des
Farbenbilds vorhanden ist; nach Fraunhofer's Messungen
nehmen diese drei Raͤume aber 190 Theile ein, wenn die ganze Laͤnge
des Farbenbilds 360 betraͤgt; folglich beobachten wir rothe Strahlen in mehr als der
Haͤlfte des ganzen Farbenbilds. Betrachten wir die blauen und indigofarbigen Raͤume durch
gewisse gelbe Fluͤssigkeiten, z.B. Olivenoͤhl, so erlangen sie eine deutliche violette Nuͤance, daher diese Fluͤssigkeiten einige Strahlen
absorbirt haben muͤssen, welche das Roth neutralisirten oder maskirten. Es
ist daher rothes Licht in den blauen und indigofarbigen Raͤumen vorhanden und
da, wie ich nachher zeigen werde, weißes Licht, welches nothwendig rothes
enthaͤlt, sowohl in den gruͤnen als gelben Raͤumen isolirt
werden kann, so ergibt sich, daß rothes Licht in allen sieben farbigen
Raͤumen, in die das Farbenbild eingetheilt wird, vorhanden ist.
Gelbes Licht erkennt das Auge deutlich in den orangefarbigen, gelben und gruͤnen Raͤumen, welche 77 Theile des aus 360 bestehenden
Farbenbilds einnehmen. Betrachtet man das Farbenbild durch ein dunkelblaues Glas, so
sieht man das gruͤne Licht deutlich bei F, einer
von Fraunhofer's Linien; und da eine gruͤne
durchsichtige Scheibe von Mundleim einen weißlichen Streifen jenseits F und in dem blauen Raum hervorbringt, so ist klar, daß
ein gewisser Theil gelben Lichts daselbst vorhanden seyn muß. Wir haben schon
gesehen, daß das Olivenoͤhl bei den blauen und indigofarbigen Raͤumen
gewisse Strahlen absorbirt und eine violette Nuͤance
zuruͤklaͤßt. Diese Strahlen koͤnnen nicht roth seyn und sind
auch nicht blau, weil Blau von Blau genommen nicht Violett zuruͤklassen
wuͤrde. Sie muͤssen daher ein kleiner Antheil gelber Strahlen seyn,
welche, indem sie mit den rothen und einem Antheil der blauen, Weiß bildeten, das
vorherrschende blaue Licht verduͤnnten (schwaͤchten). Daß sowohl gelbe
als rothe Strahlen in den blauen und indigofarbigen Raͤumen vorkommen,
laͤßt sich durch einen anderen Versuch darthun. Wenn wir das Farbenbild durch
eine gewisse Dike einer blauen Aufloͤsung von schwefelsaurem
Kupferoxyd-Ammoniak hindurchlassen, so erscheinen die blauen und
indigofarbigen Raͤume sehr durch weißes Licht verduͤnnt, d.h. das Blau
scheint mit Roth und Gelb gemischt zu seyn. Waͤre nun dieses anscheinend
verduͤnnte blaue Licht ein reines homogenes Blau, das weder rothe noch gelbe
Strahlen enthielte, so wuͤrde es, wenn man es noch ferner durch eine
Aufloͤsung des Kupfersalzes hindurchgehen ließe, keine groͤßere
Verminderung erleiden, als weißes Licht, indem es durch die naͤmliche Dike
von weißem Krystall oder reinem Wasser geht, d.h. es wuͤrde keine merkliche
Veraͤnderung erleiden. Allein indem es durch die Kupferaufloͤsung
geht, wird das Blau schnell tiefer und weniger weiß, was nur daher kommen kann, daß
dieselbe die rothen und gelben Strahlen verschlukt, welche seine scheinbare Weiße
verursachen, Um die Staͤrke dieses Beweises wuͤrdigen zu
koͤnnen, muͤssen wir bedenken, daß obgleich eine dunkelrothe so wie
eine dunkelblaue Fluͤssigkeit undurchsichtig erscheinen, was sie in Bezug auf
weißes Licht sind, wovon jene alle Strahlen mit Ausnahme der rothen und diese alle
mit Ausnahme der blauen verschlukt, sie doch in Bezug auf rothes und blaues Licht,
das jede dieser Fluͤssigkeiten frei durchlaͤßt, als vollkommen
durchsichtig zu betrachten sind. Hoͤchst merkwuͤrdig ist fuͤr
jene, welche den Versuch zum ersten Mal machen, die unmerkliche Verminderung der
Intensitaͤt, die ein Strahlenbuͤschel von homogenem rothem Licht
erleidet, indem er durch eine große Dike einer rothen Fluͤssigkeit
hindurchgeht, besonders wenn der urspruͤngliche rothe Buͤschel
mittelst der Transmission durch dieselbe rothe Fluͤssigkeit hervorgebracht
ist. Daher kommt es, daß die Farbe eines Weinglases voll Portwein fast so tief ist,
als die des Weins im weitesten Theil einer Weinflasche von weißem Glase.
Daß gelbes Licht in jedem Theil des rothen Raums enthalten ist, laͤßt sich
durch zahlreiche Versuche darthun. Nimmt man ein Prisma von Portwein von 90'' oder
betrachtet man das Farbenbild durch gewisse Diken von Schwefelbalsam, peruanischem
Balsam, Pech, oder rothem Glimmer, so kann man gelbes
Licht geradezu an Fraunhofer's Linie C sehen, welche weit innerhalb des rothen Raums ist; und
durch die absorbirende Wirkung dieser vier lezten Substanzen erhaͤlt der
ganze rothe Raum eine gelbliche Nuͤance, welche durch die Absorption von blauem Licht entsteht. Ganz dieselbe Wirkung, aber noch
auffallender, wird hervorgebracht, wenn man das Licht des rothen Raums durch gewisse
gelbe, orangefarbige und gruͤne durchsichtige Scheiben von Mundleim
hindurchlaͤßt, welche alle etwas blaues Licht absorbiren und den ganzen
rothen Raum in orangefarbiger Nuͤance
zuruͤklassen, d.h. gelbes Licht enthaltend. Zur
Unterstuͤzung der Meinung, daß gelbe Strahlen in jedem Theil des rothen
Raumes sind, kann ich einen Versuch anfuͤhren, welchen Hr. Herschel zufaͤllig anstellte, als er
naͤmlich Gelegenheit hatte, das prismatische Farbenbild von rein abgedrehtem
Messing reflectirt zu sehenPhilosophical Transactions, 1800, Bd. XC. S.
255.
„Die Farbe des Messings, sagt er, macht, daß die rothen Strahlen wie orangefarbige aussehen, und die Orangefarbe ist
gleichfalls nicht so, wie sie gewoͤhnlich erscheint.“ Aus
diesen Beobachtungen folgt, daß gelbes Licht in allen gefaͤrbten
Raͤumen, mit Ausnahme des violetten, angenommen werden kann; in lezterem
konnte ich es noch nicht finden, woruͤber man sich nicht wundern wird, wenn
man bedenkt, wie schwach die violetten Strahlen sind und wie leicht sie durch
Media von fast allen Farben absorbirt werden. Sogar die tiefblaue Aufloͤsung
des schwefelsauren Kupferammoniaks absorbirt fast das Ganze des violetten Raums und
smalteblaues Glas nahe die Haͤlfte desselben, so daß es außerordentlich
schwer ist das violette Licht der theilweisen Wirkung absorbirenden Medien zu
unterwerfen.
Es versteht sich von selbst, daß blaues Licht in dem
violetten, indigoblauen, blauen und gruͤnen Raum vorkommt, welche 247 Theile
von den 360 oder mehr als zwei Drittel des ganzen Farbenbilds einnehmen. Wenn die
brechbarsten Strahlen durch gewisse Diken von Schwefelbalsam, peruanischem Balsam,
Pech oder rothem Glimmer absorbirt werden, so kann das mit Gelb gemischte und
Gruͤn bildende Blau sehr nahe bei der Fraunhofer'schen Linie C angenommen werden, welche
weit innerhalb des rothen Raumes ist. Daß das Blau sich uͤber den ganzen
rothen Raum ausdehnt, kann wie bei dem gelben Licht bewiesen werden; denn wenn man
dem rothen Raum durch die absorbirende Wirkung gewisser gelben, orangefarbigen und
gruͤnen Medien eine orangefarbige Nuͤance ertheilt, so kann diese
Veraͤnderung offenbar nur Her Absorption von blauem Licht zugeschrieben
werden.
Nachdem ich nun gezeigt habe, daß rothes, gelbes und blaues Licht fast in jedem Theil des Farbenbilds
vorkommt, will ich noch weitere Gruͤnde fuͤr diese Ansicht angeben,
indem ich zeige, daß weißes Licht wirklich in
verschiedenen Theilen desselben isolirt werden kann.
Wenn wir das Farbenbild durch ein blaues Glas von einer gewissen Dike betrachten, so
isoliren wir den gelben Raum, dessen Farbe ein reiches
Gummiguttgelb ist. Nehmen wir ein dikeres Glas, so erhaͤlt dieses
zusammengesezte Gelb die blaßstrohgelbe Farbe der gelben monochromatischen Flamme,
welche beim Abbrennen von (mit Wasser) verduͤnntem Weingeist oder geistigen
Salzaufloͤsungen hervorgebracht wird. Bei einer noch groͤßeren Dike
des Glases erhalten wir einen gruͤnlichweißen
Streifen, welcher, wenn wir statt jenes Glases ein anderes von einer verschiedenen
blauen Nuͤance nehmen, ein roͤthlichweißer
Streifen wird. Vermischen wir nun eine Aufloͤsung von schwefelsaurem Kupfer,
welche auf die Strahlen der rothen Seite des gelben Raums wirkt, mit
verduͤnnter rother Tinte, die auf die Strahlen der
blauen Seite desselben Raums wirkt, so reduciren wir die Strahlen in dem gelben Raum
auf weißes Licht, das eine schwache gruͤne Nuͤance hat, wenn zu viel schwefelsaures Kupfer und ein wenig in Roth sticht, wenn zu viel rothe
Tinte genommen wurde. Diese Isolirung weißen Lichts laͤßt sich ziemlich gut auch durch einige
smalteblaue Glaser allein bewirken; in einigen Faͤllen kann man die Reinheit
des Lichts durch eine Aufloͤsung von schwefelsaurem
Kupfer und Eisen, oder auch durch ein gruͤnes
Glas erhoͤhen. Das auf diese Art dargestellte weiße Licht kann gelb gemacht werden vermittelst einer gelben durchsichtigen Scheibe von Mundleim, welche einige
seiner blauen Strahlen absorbirt, und gruͤn mittelst einer gruͤnen durchsichtigen Scheibe von Mundleim, die einige seiner rothen Strahlen absorbirt.
Aus diesen Versuchen folgt, daß weißes, aus rothen, gelben und blauen Strahlen
zusammengeseztes Licht, in dem hellsten Theile des Farbenbilds vorhanden ist und
fuͤr sich dargestellt werden kann, indem man den Ueberschuß von gelbem Licht
(so wie jede andere Farbe, die in groͤßerer Menge vorhanden ist als zur
Erzeugung weißen Lichts noͤthig ist) absorbirt. Wenn man ein stark
zerstreuendes Prisma anwendet, so ist es fuͤr diejenigen, welche dem Versuch
das erste Mal beiwohnen, eine auffallende und sehr interessante Erscheinung, einen
Buͤschel weißes Licht zu sehen, der aus rothen, gelben und blauen Strahlen
von gleicher Brechbarkeit besteht und durch prismatische Brechung nicht analysirt
(zerlegt) werden kann.
Die vorhergehenden Bemerkungen enthalten nur wenige von den zahlreichen Versuchen,
welche ich uͤber die absorbirende Wirkung natuͤrlicher und
kuͤnstlicher Krystalle, so wie mannigfaltiger Fluͤssigkeiten und
unkrystallisirter fester Koͤrper, welche entweder an und fuͤr sich
farbig sind oder durch Zusaͤze gefaͤrbt wurden, angestellt habe. Im
Laufe dieses Winters machte ich einige Versuche mit den gefaͤrbten
Saͤften einiger Treibhauspflanzen, die mir Hr. Forbes verschaffte; waͤhrend des Sommers hoffte ich auf diese Art
zu einer noch auffallenderen Isolirung einiger einfachen Farben zu gelangen, als mir
mit den Substanzen, welche mir zu Gebot standen, bisher moͤglich war. Da mir
dieses aber zu lange dauerte, so suchte ich die Stelle dieser absorbirenden
Fluͤssigkeiten durch ein analytisches Huͤlfsmittel zu ersezen, welches
in seiner praktischen Anwendung meine kuͤhnsten Hoffnungen uͤbertraf
und mich nicht nur in Stand sezte die Farben natuͤrlicher Koͤrper zu
analysiren, sondern auch die Ursachen zu bestimmen, wodurch diese Farben entstehen.
Diese und andere Anwendungen desselben werde ich zum Gegenstand einer besonderen
Abhandlung machen und ich bemerke jezt bloß, daß ich bei Anwendung dieser
Absorptionsmethode zur Zersezung der Sonnenstrahlen, im Stande war sowohl in dem orangefarbigen als in dem gruͤnen Raum weißes Licht zu isoliren.
Mittelst dieser Analyse koͤnnen wir nun die Erscheinungen erklaͤren,
welche von jenen beobachtet werden, die fuͤr gewisse Farben unempfindlich sind. Die Augen
solcher Personen sind fuͤr rothes Licht blind und
wenn wir alle rothen Farben in einem Farbenbild von
obiger Zusammensezung wegdenken, so bleiben nur noch zwei Farben uͤbrig,
naͤmlich Blau und Gelb,
die einzigen die von jenen erkannt werden, welche diesen Gesichtsfehler haben.
Solche Augen sehen zwar immer Licht im rothen Raum, dieß kommt aber daher, weil das
Auge fuͤr die blauen und gelben Strahlen empfindlich ist, die mit dem rothen
Licht gemischt sind. Blaues Licht wird also an der Stelle des violetten und ein
gruͤnliches Gelb in den orangefarbigen und rothen Raͤumen erscheinen
oder was dasselbe ist, das Farbenbild wird nur aus den gelben und blauen
Farbenbildern, die man in Fig. 8 und 9 sieht, bestehen. Die
physiologische Thatsache und das optische Gesez stimmen daher vollkommen mit
einander uͤberein und waͤhrend dieses eine genaue Erklaͤrung
von jenem gibt, liefert uns die erstere eine neue und unerwartete Stuͤze
fuͤr das leztere.