Titel: | Ueber Verbesserung am Mikroskope. Von Hrn. Coddington, M. A. F. R. S., am Trinity College, Mitgliede der Cambridge Philosoph. Society. |
Fundstelle: | Band 37, Jahrgang 1830, Nr. CX., S. 409 |
Download: | XML |
CX.
Ueber Verbesserung am Mikroskope. Von Hrn.
Coddington, M. A. F. R.
S., am Trinity College, Mitgliede der Cambridge Philosoph.
Society.
Etwas abgekuͤrzt aus den Transactions of the Cambridge
Philosophical Society im Edinburgh Journal of Science. Julius. 1830. S.
155.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Coddington, uͤber Verbesserung am Mikroskope.
Unter den vielen vortrefflichen Vorschlaͤgen, welche Dr. Brewster von Zeit zu Zeit den theoretischen und praktischen Optikern
hingeworfen hat, befindet sich einer, welcher auf eine hoͤchst unverdiente
und hoͤchst unerklaͤrbare Weise bisher immer vernachlaͤssigt
wurde. Und dieser ist, bei Mikroskopen eine Kugel Statt
einer Linse zu gebrauchen. Man muß sich um so mehr
hieruͤber wundern, als seit einigen Jahren mehrere ausgezeichnete
Maͤnner ihre Aufmerksamkeit auf Verbesserung dieses Instrumentes gewendet,
und weder Zeit, noch Muͤhe noch Auslagen bei ihrem Unternehmen gespart haben.
Die einzige Ursache, welche ich hiervon anzugeben vermag, ist diese, daß, bis auf
Prof. Airy's Untersuchungen in dem gegenwaͤrtigen
Bande dieser Transactions, Niemand, außer Dr. Young und Dr. Wollaston,
dem dornigen Pfade der schiefen Brechung eines Strahlenpinsels durch eine Linse sich
zu naͤhern wagte: beinahe alle uͤbrigen begnuͤgten sich einen
einzigen Punkt eines Gegenstandes so deutlich als moͤglich zu zeigen, im
Vertrauen, daß das Uebrige von selbst folgen wuͤrde, oder verzweifelnd an der
Moͤglichkeit, jemals ein gutes und weites Sehefeld hervorbringen zu
koͤnnen.
Fuͤr diejenigen, welche den Bau zusammengesezter Mikroskope studirten, bietet
sich von selbst eine natuͤrliche Analogie zwischen diesem Instrumente und dem
Teleskope dar. In jedem derselben entsteht ein Bild, welches man durch eine Linse
oder durch mehrere Linsen sieht, welche an dem ersteren dasjenige bilden, was man in
der technischen (englischen) Sprache den Koͤrper
(body), an dem lezteren das Augenstuͤk (eye piece) nennt.
Die Fortschritte im Baue dieser Instrumente haben, in gewisser Hinsicht, eine
sonderbare Aehnlichkeit mit einander. Der erste Schritt von einiger Bedeutung in der
Geschichte der Verbesserung des Fernrohres war Huygens's
Ocular- oder Augenstuͤk; welches, außer dem Vortheile, den sein
Erfinder beabsichtigte, naͤmlich Verminderung der Nachtheile der Aberration,
noch einen weit wichtigeren gewaͤhrte, an welchen der Erfinder nicht
dachte: naͤmlich die Verbesserung der gefaͤrbten Fransen, die man um
jeden Theil des Bildes sieht, den Mittelpunkt desselben allein ausgenommen. Es
gelang hierauf Ramsden ein Augenstuͤk zu
verfertigen, welches ein flaches Sehefeld gewaͤhrt, wenn es sich
vorzuͤglich um diesen Punkt handelte; und endlich erhielt das Instrument
seine Vollkommenheit dadurch, daß man Statt des einfachen Objectivglases eine
achromatische und aplanatische Linsenverbindung anbrachte. Bei dem zusammengesezten
Mikroskope wurde der erste Punkt (die Verbesserung der farbigen Fransen) vollkommen
erreicht; der zweite Punkt wurde von praktischen Optikern mit vieler Muͤhe,
aber mit geringem Erfolge, bearbeitet; der dritte hat neuerlich die
ausgezeichnetesten Theoretiker und Praktiker mit ausnehmendem Erfolge
beschaͤftigt: allein, die Schwierigkeiten und die Auslagen, die hiermit
nothwendig verbunden sind, sind so groß, daß nur wenige Individuen von ihren
Bemuͤhungen irgend einen Vortheil ziehen koͤnnen.Hr. Tulley hat so eben ein achromatisches
Mikroskop fuͤr Lord Ashley vollendet, das
vor 6 Monaten bestellt wurde. Dieses Instrument, welches ich gesehen habe,
ist ein Meisterstuͤk der Kunst: ich glaube aber, daß dieser
ausgezeichnete Optiker gezwungen war, das Objectivglas eigenhaͤndig
zu verfertigen, und der Preis ist von der Art, daß er das Vermoͤgen
der meisten Naturhistoriker uͤbersteigt.A. d. O.
Wenn man Teleskope und Mikroskope mit einander vergleicht, darf man nicht vergessen,
daß einige Schwierigkeiten und Quellen des Irrthumes, die bei ersteren so gering
sind, daß man sie uͤbersehen koͤnnte, bei lezteren so zu sagen
handgreiflich und von der hoͤchsten Wichtigkeit sind. Das Bild, welches von
dem Objectivglase eines Teleskopes hervorgebracht wird, wird gewoͤhnlich als
vollkommen flach betrachtet, und als gleich deutlich in allen seinen Theilen: diese
Annahme ist auch hinlaͤnglich genau, indem, obschon das Bild, welches von
einer Linse mit Central-Lichtpinseln gebildet wird, im Ganzen sehr
gekruͤmmt und sehr undeutlich ist, in diesem Falle ein so kleiner Theil
desselben angewendet wird, der zugleich noch der vollkommenste ist, daß die
Maͤngel in der Praxis gewoͤhnlich beinahe gaͤnzlich
verschwinden.
Ich habe in meinem Treatise on the Reflection and Refraction
of Light,
Art. 145. nach Dr. Young und
Prof. Airy gezeigt, daß, wenn
λ die Oeffnung des Objectivglases ist,
z die Entfernung eines Punktes des Bildes von der
Achse,
f die Brennweite oder Focallaͤnge der Linse,
k die Entfernung des Bildes von der Linse ist; die Undeutlichkeit sich
verhaͤlt, wie der Durchmesser des kleinsten Raumes, uͤber welchen ein
Pinsel sich verbreitet: Werth = λz²/2kf. Nun ist in einem Teleskope z, das beinahe der halben Oeffnung des Feldglases (field-glass) gleich ist, viel kleiner als f, welchem k gleich ist; und da mittelst eines
starken Ocularglases (Augenstuͤkes); an einem unveraͤnderten
Objectivglase eine stark vergroͤßernde Kraft erzeugt wird, und die Oeffnungen
der Linsen, deren man sich bei Augenstuͤken derselben Art bedient,
gewoͤhnlich im Verhaͤltnisse zu ihren Brennweiten sind, so ist der
Bruch z²/kf oder z²/f² desto
kleiner, je groͤßer die Vergroͤßerungskraft ist. So ist er z.B. in
einem fuͤnffuͤßigen Teleskope selten, wenn jemals, groͤßer als
1/14400 und sehr oft noch um vieles kleiner, so daß der Werth der Groͤße
λz²/2f² ungefaͤhr = 1/7200 wird.
In einem Mikroskope hingegen ist f eine sehr kleine
Groͤße, obschon k es nicht ist, und die
vergroͤßernde Kraft wird verstaͤrkt, indem man ein Objectivglas von
kuͤrzerer Brennweite an demselben Koͤrper anbringt. Folgende Werthe
sind, wie ich glaube, diejenigen, die klar herauskommen: λ = 1/30, z = 1/2, f = 1/4, k = 3. Dieß gibt
λz²/2kf =
1/60, was, da bei verschiedenen Objectivglaͤsern z und k bestaͤndig sind, und λ gewoͤhnlich im Verhaͤltnisse mit
f steht, als der allgemeine Werth desselben
angegeben werden kann.
Ferner ist in einem Teleskope der Theil des Bildes, welcher gebraucht wird, merklich
flach, obschon der Halbmesser der Kruͤmmung eines jeden solchen Bildes
ungefaͤhr 3/8 der Brennweite des Objectivglases ist. In dem Mikroskope
hingegen ist dieß offenbar weit verschieden, so daß, wenn das ganze Bild deutlich
waͤre, es noch immer unmoͤglich waͤre, irgend eine
groͤßere Ausdehnung desselben auf ein Mal deutlich zu sehen. Dieser Einwurf
laͤßt sich in voller Staͤrke gegen die vollkommensten achromatischen
Objectivglaͤser machen. Nun wird aber bei einer Kugel, wenn sie am
Mittelpunkte gehoͤrig weggeschnitten wird, so daß die Aberration und
Dispersion auf unmerkliche Groͤßen reducirt wird (was, wie ich aus wirklicher
Erfahrung weiß, praktisch sehr leicht und auf die vollkommenste Weise
ausfuͤhrbar ist), das ganze Bild vollkommen deutlich, dasselbe mag in was
immer fuͤr einem Umfange genommen werden, und der Halbmesser der
Kruͤmmung ist nicht weniger, als die ganze Brennweite, so daß die eine
Schwierigkeit gaͤnzlich beseitigt, und die andere wenigstens um die
Haͤlfte vermindert ist.
Ueberdieß scheint noch ein anderer Vortheil in der Praxis aus dieser Einrichtung
hervorzugehen, welchen ich nicht voraussah, und welchen ich gegenwaͤrtig auch
nicht erklaͤren kann. Ich habe gezeigt, daß, wenn ein Strahlenpinsel in das
Auge gelangt, der ohne Abweichung durch eine Linse durchgeht, und von dem Auge
gebogen wird, die farbigen Fransen, welche durch die excentrische Dispersion
entstehen, bei dem Sehen immer zum Vorscheine kommen. Bei der Kugel kann ich nun
diesen Fehler nimmermehr wahrnehmen, und ich denke daher, daß, wenn es
moͤglich waͤre das sphaͤrische Glas in einem sehr kleinen
Maßstabe zu verfertigen, dieses, vielleicht mit Ausnahme des Doublets des Drs.
Wollaston, das vollkommenste einfache Mikroskop seyn
wuͤrde: ich kann mir, so weit sich der Gebrauch desselben erstrekt, kein
trefflicheres Instrument denken; der einzige Fehler, den es hat, ist das kleine
Sehefeld und die Unmoͤglichkeit, dasselbe bei anderen, als bei durchsichtigen
Gegenstaͤnden, bei durchfallendem Lichte, anzuwenden.
Die Kugel hat ferner noch den Vortheil, daß, waͤhrend sie ein sehr gutes
einfaches Mikroskop bildet, sie noch ganz vorzuͤglich mehr zu einem
Objectivglase eines zusammengesezten Mikroskopes taugt, indem sie ein vollkommen
deutliches Bild von irgend einem verlangten Umfange gewaͤhrt, und, wenn sie
mit einem gehoͤrigen Augenstuͤke verbunden ist, ohne Schwierigkeit
sich auch bei undurchsichtigen Gegenstaͤnden benuͤzen laͤßt.
Ich habe daher versucht, sie auf diese Weise zu verbinden, und dieß war meine
Hauptschwierigkeit; denn die Linsensysteme, welche ich zu diesem Ende angewendet
fand, sind so ungeeignet vorgerichtet, daß ich gezwungen war, ein solches nach
eigener neuer Berechnung zu verfertigen, und mir eigene Werkzeuge hierzu kommen
lassen mußte, was nothwendig mit einigem Aufenthalte verbunden war.
Der Grundsaz, welchen ich befolgte, nachdem ich vorlaͤufig einige Versuche
anstellte, laͤßt sich auf folgende Weise erklaͤren.
Eine Hauptursache der Vortrefflichkeit des Huygens'schen Augenstuͤkes ist die
Bedingung, deren Erfuͤllung sein Erfinder sich selbst auflegte,
naͤmlich die Biegung des Strahlenpinsels gleichfoͤrmig zwischen den
zwei Linsen zu vertheilen. Dieß kann nun fuͤr ein Mikroskop auf folgende
Weise geschehen:
Es sey O, Fig. 16., der Mittelpunkt
des Objectivglases,
F, die Stelle des Feldglases,
E, die des Ocular- oder Augenglases.
Es sey OF z.B. = 2 Zoll.
FE = 1 Zoll.
Es sey ferner die Brennweite des Feldglases = 1 Zoll,
die des Augenglases = 1/2 Zoll;
so werden diese Werthe den Bedingungen des Achromatismus
Genuͤge leisten,
und es laͤßt sich leicht sehen, daß, wenn y die
Stelle ist, wo der Pinsel die Achse nach der Refraction am Feldglase zu durchkreuzen
strebt, und z diejenige, wo er sie wirklich durchkreuzt,
nachdem er von dem Augenglase hervortritt, der Beugungswinkel bei jeder Linse
doppelt so groß ist, als die urspruͤngliche Neigung des Pinsels gegen die
Achse.
Dieses einfache System ist indessen nicht anwendbar, indem es unmoͤglich ist
der noͤthigen Bedingung zur vollkommenen Deutlichkeit Genuͤge zu
leisten, und noch weniger der Bedingung, die Convexitaͤt des Feldes so viel
moͤglich aufzuheben. Beiden kann jedoch sehr leicht Genuͤge geleistet
werden, wenn man zwei Linsen von gleicher Kraft an jeder Stelle, Statt Einer,
anwendet. Die geeignetesten Formen dieser Linsen sind jene, welche man in Fig. 17.
sieht, wo die Feldglaͤser und das zweite Augenglas die Form eines Meniscus
haben, und das erste Augenglas gleich convex ist (equi-convex). Ich fand keinen merklichen Fehler, wenn man Statt der
Meniscusglaͤser flach-convexe (plano-convex) Linsen nahm, indem die Meniscusglaͤser
schwierig zu bereiten und kostbar sind. Die Theorie deutete auf eine weitere
Verflaͤchung des Feldes durch eine kleine Entfernung der Augenglaͤser
von einander, wodurch die Entfernung des ersten Augenglases von den
Feldglaͤsern beinahe um die Haͤlfte so viel vermindert werden muß. Ich
kann jedoch nicht sagen, daß ich durch diese Veraͤnderung in der Praxis
irgend eine Verbesserung wahrnahm; und da das Feld flach genug ist, wenn die
Augenglaͤser in Beruͤhrung stehen, und jede weitere Verminderung der
Convexitaͤt nur durch Aufopferung der Deutlichkeit erhalten werden kann, so
kann ich sie im Ganzen nicht empfehlen. Indessen hatte ich das Instrument in anderer
Hinsicht noch nicht in einem hinlaͤnglich vollkommenen Zustande von
Vollendung, um uͤber diesen Punkt eine entschiedene Meinung aͤußern zu
koͤnnen. Dieses System gibt, wie man leicht einsehen wird, eine
vergroͤßernde Kraft von 3 fuͤr das Augenstuͤk, so daß die Kraft
des Objectivglases mit dieser Zahl zu multipliciren kommt. Es waͤre, wo es
nothwendig ist, leicht, eine staͤrkere vergroͤßernde Kraft zu
erzeugen, wenn man Linsen mit kuͤrzerer Brennweite nimmt, und in jedem Falle
dabei fuͤr die gehoͤrigen Bedingungen des Achromatismus sorgt. Mehrere
verschiedene Augenstuͤke koͤnnten, nach Belieben, auf diese Weise in
eine und dieselbe Roͤhre eingesezt werden, auf dieselbe Art, wie man die
vergroͤßernde Kraft eines Teleskopes wechseln laͤßt. Ich habe die
Wirkung hiervon noch nicht versucht; ich vermuthe aber, daß dieß nothwendig seyn
konnte, wo man das Mikroskop auf undurchsichtige Gegenstaͤnde anwendet, indem
die Schwierigkeit bei Beleuchtung derselben den Gebrauch eines maͤchtigen
Objectivglases beinahe unmoͤglich macht.
Ich bin weit entfernt, dieses Instrument fuͤr vollkommen auszugeben, oder gar zu behaupten,
daß es allen Zweken entspricht; da ich es aber noch in einem sehr rohen Zustande und
mit geringe Vergroͤßerungskraft versuchte, und zwar an verschiedenen sehr
zarten Gegenstaͤnden, welche alle von demselben auf eine hoͤchst
genuͤgende Weise dargestellt wurden (selbst die Streifen auf den Schuppen der
Podura, von welchen Hr. Pritchard, der Erfinder der
Demant- und Sapphir-Linsen, versichert, daß man dieselben mit den
allervollkommensten Instrumenten kaum deutlich wahrnimmt), so finde ich keinen Grund
zu zweifeln, daß es, sorgfaͤltig ausgefuͤhrt, nicht sehr
kraͤftig wirken sollte. Der Naturhistoriker wuͤrde, fuͤr nicht
mehr als 5 bis 6 Guineen, ein Mikroskop besizen, welches beinahe alles leistet, was
man von demselben fordern kann.
Fig. 18.
zeigt das Instrument, wie ich dasselbe Hrn. Cary zur
Verfertigung angegeben habe.