Titel: | Deutsche Politur des Holzes. |
Fundstelle: | Band 34, Jahrgang 1829, Nr. XI., S. 40 |
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XI.
Deutsche Politur des Holzes.
Deutsche Politur des Holzes.
Unter dieser Aufschrift macht Hr. Gill im Technical Repos. August S.
103. das Verfahren bekannt, welches man zu Wien seit 40 Jahren, und vielleicht noch
laͤnger, befolgt, um dem Holze und den Moͤbeln eine schoͤne
Politur zu geben. „Hr. J. J. Hawkins hat dieses
ganz ausgezeichnete Verfahren (superior method!)
kuͤrzlich erst aus Wien mitgebracht;“ sagt Hr. Gill. „Es ist besser, als das
franzoͤsische, das wir nach Jos. Clement
mittheilten. Der deutsche Galanterie-Tischler begnuͤgt sich nicht
bloß seiner Arbeit von außen Politur zu geben; er ertheilt sie auch dem Inneren
derselben: die Schubladen, die Faͤcher sind innenwendig so gut polirt,
als außen, und dadurch erhaͤlt seine Arbeit einen weit hoͤheren
Werth. Er gibt auch seinen Arbeiten mehr Vollendung, als wir gewoͤhnlich
nicht zu geben pflegen.“
Die Wiener werden auf dieses Lob nicht stolz seyn und auch nicht stolz werden; denn
Niemand kann auf das stolz seyn, was er verdient: wohl muß sich aber derjenige
schaͤmen, der das nicht gibt, was man verdient hat. Sie werden ihren Arbeiten
keine schlechtere Politur geben, als man zu London und zu Paris hat, wenn sie
fortfahren denselben diejenige zu ertheilen, die sie ihnen seit Joseph's Zeiten
gegeben haben, und die jezt, nach 40 Jahren, noch als die beste, selbst in London,
anerkannt wird.
Da das Wiener Verfahren, obschon Hr. Gill dasselbe das
deutsche nennt, nicht allgemein in Deutschland bekannt ist, wo man im Allgemeinen
mehr auf franzoͤsische und englische Galanterie-Arbeit, als auf
deutsche, sieht, so wollen wir dasselbe hier nach Hrn. Hawkins' Bericht beschreiben.
„Nachdem das Holz glatt gehobelt und mit dem Schabeisen zugerichtet wurde,
wie bei der franzoͤsischen Politur, gibt man ihm den Schliff auf folgende
Weise. Man nimmt zwei vorlaͤufig flach geriebene Stuͤke Bimsstein,
oͤhlt sie, und reibt sie an einander, bis sie auf ihren Flaͤchen
vollkommen gleichfoͤrmig eben werden. Hierauf reibt man mit denselben das
Holz erst nach der Laͤnge, dann nach der Quere, und zulezt in
Spiral- oder in Kreis-Bewegungen, wobei man sucht immer die Krazer
wieder wegzuschleifen, die durch die vorhergehende Fuͤhrung des Steines
entstanden sind, ehe man in der weiteren Arbeit fortfaͤhrt. Auf diese
Weise wird die Oberflaͤche des Holzes vollkommen glatt und eben, und zur
Aufnahme des Firnisses faͤhig.“
„Die Deutscheu nehmen nie einen anderen Firniß, als
eine etwas verduͤnnte Aufloͤsung von Schell-Lak oder
Koͤrner-Lak in Weingeist zur Politur; und in der That muß
jeder andere Zusaz die Haͤrte des
Lak-Firnisses nur verderben. Wenn man dem Firniße eine lichtere Farbe, als gewoͤhnlich, geben will,
sucht man die reinsten
Schell-Lakkoͤrner zu demselben aus.
„Der Firniß wird auf folgende Weise
aufgetragen. Man legt einen mit diesem Firnisse befeuchteten Schwamm auf fuͤnf Leinwand-Lappen,
deren Eken und Kanten man uͤber den Schwamm nach innen und
aufwaͤrts umschlaͤgt, so daß diese daselbst als Griff dienen, bei
welchem man diesen Ballen halten kann. Wenn der Firniß durch alle diese Lappen
durchgeschlagen hat, muß etwas Leinoͤhl in der Mitte des Firnisses
angebracht werden. Die ganze Oberflaͤche des
Gegenstandes, der polirt werden soll, muß auf ein
Mal mit diesem Firnisse uͤbergangen
und der Firniß Anfangs in geraden sich durchkreuzenden Linien, dann in
spiralfoͤrmigen oder kreisfoͤrmigen Linien, auf dieselbe Weise wie
fruͤher bei dem Schliffe, aufgetragen werden; und so oft der Firniß bei
diesem Auftragen klebrig zu werden und anzuhaͤngen anfaͤngt, muß
neuerdings Oehl in die Mitte des Neiders gebracht werden. Wenn man vier oder
fuͤnf Stuͤke mit Politur zu bekleiden hat, so muß dieß bei einem
Stuͤke nach dem anderen geschehen, damit der Firniß Zeit bekommt seine
gehoͤrige Consistenz zu erhalten, bis man mit der Arbeit wieder auf das
erste Stuͤk zuruͤkkommt, um eine neue Lage von Firniß auf dasselbe
aufzutragen. Auf diese Weise muß mit gehoͤriger Vorsicht und Sorgfalt so
lang fortgefahren werden, bis man glaubt, daß Firniß genug auf die
Oberflaͤche aufgetragen ist. Nun wird ein Leinwand-Lappen
weggenommen, und die Arbeit mit den vier uͤbrigen fortgesezt, aber mit
erneuerter Oberflaͤche, und das Oehl wird auf die aͤußere
Oberflaͤche aufgetragen. Endlich wird auch diese bei Seite gelegt, und
die Arbeit nur mit vier Laͤppchen gegen das Ende hin fortgesezt; dann mit
dreien; endlich mit zweien; und zulezt bloß mit einem einzigen
Leinwand-Laͤppchen allein.“
„Wenn der Firniß eine andere Farbe bekommen soll, als die
gewoͤhnliche Farbe des Lakes, kann man ihn mit etwas Bresil-Holz
roth faͤrben, und den Schwamm mit Bresil-Staub bestreuen; gelb kann man ihn mit Kurkume-Wurzel
auf dieselbe Weise faͤrben, und so mit anderen Farbehoͤlzern, deren
Farbestoff mittelst Alkohol ausgezogen werden kann.“
„Sollte man dem Holze eine noch dauerhaftere
Politur geben wollen, so muß obiges Verfahren zwei Tage darauf, nachdem
die erste Politur aufgetragen wurde, wiederholt werden; dann, nach dem zweiten
Auftragen, nach einer Woche; endlich nach einem Monate, und zulezt nach drei
Monaten; so daß auf diese Weise allzeit der fruͤhere Firniß vollkommen
hart werden kann, ehe man einen neuen auftragt. Auf diese Weise kann man bei
solcher herrlichen Politur auf Jahre fuͤr die Dauer derselben rechnen,
waͤhrend wir bei der gewoͤhnlichen franzoͤsischen Methode
immer das schnelle Abstehen des Firnisses zu beklagen haben.“