Titel: | Ueber Glasmacherei auf einigen russischen Glashütten. |
Fundstelle: | Band 34, Jahrgang 1829, Nr. VIII., S. 31 |
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VIII.
Ueber Glasmacherei auf einigen russischen
Glashuͤtten.
Aus dem (in russischer Sprache geschriebenen)
Journal fuͤr
Manufakturen und Handel, N. 1 und 2. 1826, im Bulletin des Sciences
technologiques. Maͤrz 1829. S. 210.Es sind noch nicht 20 Jahre, daß boͤhmisches und bayersches Glas nach
Rußland ging: jezt fuͤhrt Rußland Glaswaaren aus. So lang es jedem
erlaubt war, Glas in Rußland einzufuͤhren, konnte freilich kein
verstaͤndiger Fabrikant auf die Idee kommen eine Glashuͤtte in
Rußland zu errichten: seit Einfuhr-Verbot des Glases in Rußland besteht,
entstehen jaͤhrlich neue Glashuͤtten. Dieß sind die Folgen des
weisen Verbotes dasjenige einzufuͤhren, was man selbst bei Hause erzeugen
kann; eines Verbotes, gegen das nur Thoren schreien koͤnnen.A. d. Ue..
Ueber Glasmacherei auf einigen russischen
Glashuͤtten.
Man bedient sich in Rußland in allen besseren Glashuͤtten beinahe allgemein
des Holzes zur Feuerung. Man rechnet auf jeden Ofen jaͤhrlich
ungefaͤhr 600 SaschenenDie Fabrik-Saschene haͤlt zwei gemeine Kubik-Saschenen,
d.h., sie ist 16 Arschinen lang, 1 1/2–2 Arschinen breit, und 2
Arschinen hoch. A. d. O. (Eine Arschine = 711,5 Millimeter.A. d. Ue.. Eine Dessiatine gewoͤhnlicher Wald gibt nicht mehr als 10 solche
Saschenen (sagènes). Ein Glasmacher, der nur
Einen Ofen hat, muß wenigstens 600 Dessiatinen Wald besizen, wenn sein Ofen immer im
Gange seyn soll, indem ein guter Fichten- und Foͤhren-Wald erst
in 30 oder 40 Jahren Ertrag gibt. Die Glashuͤtte des M. O. laͤßt in
dieser Hinsicht fuͤr ihren Fortbestand nichts zu wuͤnschen
uͤbrig; denn sie besizt fuͤr vier Oefen, von welchen zwei zu
Krystall-Glas, die zwei anderen zu Fenster- und gemeinem Glase
bestimmt sind, 18,000 Dessiatinen Wald.
Alles Holz taugt fuͤr den Glasofen, am besten ist aber Tannen- oder
Fichten- und dann Foͤhren-Holz. Birke und Erle geben weniger
FlammeDie Birke gibt mehr Hize, als jedes andere Holz im Glasofen; da aber die
Rinde derselben mehr Rauch gibt, so zieht man mit Recht das Tannenholz
derselben vor. Wenn indessen die Oefen zu alt sind, nimmt man Birkenholz, um
schnelleren Fluß zu bewirken.A. d. O., und man verbrennt wenigstens um ein Viertel mehr, als Foͤhrenholz,
um dieselbe Menge Glases zu erzeugen.
Der Holzvorrath wird zwei Mal des Jahres zur Glashuͤtte des M. O. besorgt, im
Fruͤhjahre und im Herbste. Das im Fruͤhjahre gefaͤllte Holz ist
besser, da es laͤngere Zeit zum Troknen hat. Man laͤßt es zwei bis
drei Jahre lang im Walde, wo es dann auf Schlitten zur Glashuͤtte gefahren
wird. Das Fuhrlohn kommt auf 4 bis 6 Rubel fuͤr jede Saschene in einer
Entfernung von 3 bis 10 Wersten. Das Faͤllen einer Saschene kostet 2 Rubel 50
Kopeken oder 3 Rubel. Eine Saschene Holz kommt demnach auf ungefaͤhr 8
Rubel.
Die russischen Glasoͤfen sind beinahe allgemein wie die alten
franzoͤsischen Glasoͤfen zu Fenster-Glas und Flaschen. (Encyclopédie T. XVII. Verrerie. S. 105.) Die Franzosen haben zeither ihre Oefen mittelst
Geblaͤses und Aschenherdes verbessert; die Russen bleiben aber beim
Alten.
Der große Nachtheil bei diesen Oefen ist der ungeheuere Holzbedarf bei denselben
(100–120 Kubik-Saschenen Holz in jedem Monate). Dieser Nachtheil
entsteht durch die unverhaͤltnißmaͤßig große innere Weite, und durch
den Mangel eines Geblaͤses. Auf der kais. Glashuͤtte zu St. Petersburg
sind die Oefen fuͤr das Krystallglas auf eine andere Weise gebaut. Sie sind
kreisfoͤrmig, und unter dem Herde, auf welchem das Holz auf einem eisernen
Roste brennt, ist eine Art Ventilator angebracht. Die Flamme theilt sich dem Herde
des Ofens mittelst einer kreisfoͤrmigen Oeffnung in der Mitte des Ofens mit.
Ein solcher Ofen braucht in Einem Monate nur 150 bis 200 Saschenen Holz, also um die
Haͤlfte weniger, als ein gewoͤhnlicher russischer Ofen. Der Hizegrad
in der Petersburger Glashuͤtte ist nicht weniger groß, als in den
uͤbrigen Glashuͤtten, in welchen man Krystallglas verfertigt; denn,
obschon man in der Petersburger Glashuͤtte Mennig zur Erleichterung des
Flusses unabhaͤngig von Pottasche anwendet, wirft man doch ein
Pottaschehaltiges Salz (ohne Zweifel schwefelsaure Pottasche) in den Ofen, das einen
groͤßeren Grad von Hize erfordert. Der Verfasser weiß nicht, welchen Grad von
Hize man in dem Krystallglas-Ofen zu Petersburg fuͤr noͤthig
findet; in jener des M. O. zeigt das Wedgewood'sche Pyrometer 145°, d.h. 20
Mal mehr Hize, als auf seiner Tabelle angezeigt ist. Außer der großen Ersparung an
Holz bei den Petersburger Oefen hat man bei denselben auch noch den Vortheil, daß
sie der Einwirkung des Feuers ein ganzes Jahr uͤber widerstehen
koͤnnen, waͤhrend die russischen Oefen oͤfters zwei bis drei
Mal im Jahre neu gebaut werden muͤssen. Das Wiederaufbauen eines solchen
Ofens, nur von 6 Loͤchern, kommt auf mehr als tausend Rubel. Woher kommt
dieser Unterschied? Ruͤhrt er von der Bauart des Ofens, oder von der Natur
des Thones her, den man zu diesen. Oefen braucht?
Bei den meisten russischen Glasoͤfen braucht man zweierlei Thonarten: die eine
kommt von dem kleinen Staͤdtchen Dschiéla im Gubernium von Moskau; die
andere aus den Umgebungen der Stadt Belef, im Gubernium von Tula. Einige
Glashuͤtten brauchen, der Wohlfeilheit wegen, auch noch andere Thonarten, die
aber bei weitem nicht so gut sind.
Der Thon von Dschiéla (Giéla) wird an Ort
und Stelle das Pud „(33 1/2 Pfd. Hamb.; im Bulletin heißt es wahrscheinlich durch Schreibfehler pound)“ so wie zu Belef, mit 40 bis 50
Kopeken bezahlt, und das Fuhrlohn kommt, pr. 100 Werst,
auf 10 bis 20 Kopeken. Der Thon von Dschiéla haͤlt mehr Sand, und man
zieht denselben allgemein zu den Glasoͤfen vor: jener von Belef hat viel
weniger SandDer Thon von Dschiéla haͤlt die Haͤlfte, jener von Belef
ein Viertel Sand. Der Kubik Werschok „(Ein Werschok = 44,4
Millimeter)“ von ersterem wiegt 45 Zolotnik; der zweite 48 in
rohem Zustande. Ein Mal im Ofen gebrannt, verliert jener 0,51 seines
Gewichtes, und geht um 1/24 ein; dieser verliert 0,27, und geht um 1/36 ein.
A. d. O. Eine Analyse dieser Thonarten wuͤrde sie vielleicht
entbehren lehren. Es handelt sich nur um feuerfesten Thon.(Ue.), und wird zu den Toͤpfen oder Hafen gebraucht. Ein einziger Glasofen
braucht jaͤhrlich 1400 bis 1500 Pud von dem einen und von dem anderen.
Im Glasofen zu Petersburg zieht man den Thon von Andom im Gubernium Olonetz vorVon den Bergen Andom im Olonetzkischen. Ehevor nahm man den Thon von
Wischegorsk, aus den Umgebungen von Nischegrad; er haͤlt aber die
Hize weniger, als der Thon von Andome, haͤlt mehr Sand, und ist
klebrig. Man ist aͤußerst aufmerksam bei der Wahl des Thones an der
Glashuͤtte zu Petersburg. Sobald man zu viel Sand und fremdartige
Theile demselben beigemengt findet, wird er zur Ziegelmasse fuͤr den
Ofen geworfen: nur der reine wird zum Schmelzofen verwendet.A. d. O.. Dieser Thon ist weicher, und hat weit weniger Sand, als jener von
Dschiéla, selbst weniger als jener von Belef. Wahrscheinlich ist er die
Hauptursache der Dauerhaftigkeit der Oefen dieser herrlichen Glashuͤtte. Es
ist auffallend, daß das Pud desselben nicht hoͤher, als auf 65 Kopeken franco
Petersburg kommt, und es laͤßt sich nicht begreifen, warum nicht auch die
uͤbrigen russischen Glashuͤtten sich dieses Thones bedienen, da er
ihnen nicht theurer kommen wuͤrde, als jener von Dschiéla und von
Belef, naͤmlich auf 1 Rubel oder 1 Rubel 20 Kopeken das Pfund.
Nachdem der Verfasser die Wichtigkeit eines guten Thones bei den Oefen und
Toͤpfen oder Hafen der Glashuͤtten gezeigt hat, liefert er folgende
Notizen uͤber die Fritten bei den russischen Glasern.
I. Fritte zum Krystall-Glase erster
Qualitaͤt.
SandMan hat an der kais. Glashuͤtte zu Petersburg gestoßenen
Quarz Statt des Sandes zur Krystall-Fritte zu nehmen
versucht; da aber Quarz außerordentlich schwer schmilzt, und eine
sehr große Hize fordert, um in Fluß zu gelangen, wodurch Oefen und
Tiegel gleich stark litten, so hat man ihn heute zu Tage
gaͤnzlich aufgegeben, und bedient sich des Sandes des Ladoga,
den man mit aller Sorgfalt von allen eisenhaltigen und fremdartigen
Bestandtheilen reinigt, mit welchen er gemengt ist.Die Mischung zum Krystall-Glase, ohne Mennig, besteht aus
folgenden Bestandtheilen:Weißer Ladoga-Sand,
gewaschen und calcinirt100Pottasche erster
Qualitaͤt 60Kalk 24Salpeter 2Arsenik 1/2Schwarzes
Braunstein-Oxyd 1/2Krystallglas-Scherben 1/4Wenn man weniger Pottasche nehmen wuͤrde, haͤtten die
Arbeiter zu viele Muͤhe bei Bearbeitung der verschiedenen
Artikel, weil die Fritte zu strengfluͤssig waͤre.A. d. O., gewaschen und
calcinirt
100 Theile
feine Pottasche
48 bis 50 –
Kalk
12 bis 13 Theile
Salpeter
1,8
–
2 –
Schwarzes Braunstein-Oxyd
0,12 – 0,15
–
Weißes Arsenik-Oxyd
0,3
– 0,4 –
Krystallglas-Scherben
25
II. Fritte zu gemeinem
Krystall-Glase.
Sand, gewaschen und calcinirt
100 Theile
gewoͤhnliche Pottasche
50 –
Kalk
18 –
Salpeter
0,6 –
Schwarzes Braunstein-Oxyd
0,6 –
Weißes Arsenik-Oxyd
0,4 –
Scherben von Krystall-Glas
25 –
III. Fritte zu gemeinen gruͤnen
Fensterscheiben.
Sand, gewaschen
100 Theile
Gebrannte
Foͤhren-Asche
50 –
Weiße Asche
150 –
Stroh-Asche
40 –
IV. Fritte zu weißen
Fensterscheiben.
Sand, gewaschen
100 Theile
Weiße Weiden- oder
Ulmen-Asche
40 –
Gemeine Pottasche
20 –
Salz
3
–
Himmelblau (bleu de cielWahrscheinlich Schmalte. A. d. Ue.
)
0,1 –
V. Fritte zu Flaschen-Glas.
Nicht gewaschenen Sand
100 Theile
Foͤhren-Asche
300 –
ausgelaugte Asche (charrées)
50 –
Um dieses Glas gruͤn zu faͤrben, sezt man 0,005 Kupferoxyd zu.
Der Sand zum Krystall-Glase muß so weiß als moͤglich, und von allen
fremdartigen, vorzuͤglich metallischen Theilen, durch welche dieses
gefaͤrbt werden koͤnnte, befreit seyn. Die Glashuͤtte zu
Petersburg laͤßt ihren Sand von den Ufern des Volkhof in der Naͤhe der
alten Festung des alten Ladoga kommen.
Dieser Sand ward als der beste unter allen Sandarten aus ganz Rußland befunden; man
bedient sich desselben auch bloß zur Fritte des Krystall-Glases. Man wendet
Arsenik an, indem dieser, wenn alle Bestandtheile des Glases im Flusse sind, die
ganze Fritte in Thaͤtigkeit sezt, und, so wie eine geringe Menge
Braunstein-Oxydes, das Glas nicht faͤrbt.
Die beste russische Pottasche ist die von Kasan, und aus den an der Wolga gelegenen
Provinzen; sie enthaͤlt mehr vegetabilische Stoffe als irgend eine andere,
wahrscheinlich wegen der Guͤte des Holzes in den Waͤldern jener
GegendenDieß versteht Uebersezer nicht.A. d. Ue.. Auf der lezten Messe zu Nischni-Novogorod verkaufte man das Pud zu 5
Rubel: ein aͤußerst maͤßiger Preis, der den Glasmeistern immer großen
Gewinn verschaffen wird, wenn sie ihr Interesse verstehen, und bedeutende Partieen
davon verkaufen. Es ist zu bedauern, daß bei dem gegenwaͤrtigen
unterbrochenen Handel „(nach Persien und der Tuͤrkei)“
die meisten Glashuͤtten-Besizer sich nicht mit solchen Speculationen
befassen, und sich kaum auf ein Jahr vorsehen koͤnnen, indem ein einziger
Ofen, wenn er stark im Gange ist, wenigstens 200 Pud dieses kostbaren Artikels
fordert.
Die Pottasche von Kursk und aus den uͤbrigen suͤdlichen Gubernien hat
den zweiten Rang nach jener von Nischni-Novogorod. Jene aus den westlichen
Provinzen wird nicht so sehr geschaͤzt. Die schlechteste ist diejenige, die
man aus den Ueberresten der Asche bereitet, welche zum Bleichen verwendet wurde,
indem sie immer in die Haͤnde armer Arbeiter faͤllt, die sie Statt des
Arbeitslohnes bekommen.
Durch
den Fluß verliert die Pottasche von
Nischni-Novogorod
1/25
ihres
Gewichtes
die aus der Asche von Buchweizen
1/20
–
–
die aus den westlichen Provinzen
1/15
–
–
die aus der Asche, welche zum Bleichen diente
1/3
–
1/2 –
Kalk dient sehr gut bei den Fritten zum Krystall-Glase; ohne ihn wuͤrde
das Glas bei der geringsten Veraͤnderung der Temperatur springen. Je weißer
er ist, je weniger fremdartige Bestandtheile er besizt, desto besser ist er. Die
Glashuͤtten des M. O. lassen ihn aus Moskau kommen, und er kommt ihnen auf 70
bis 80 Kopeken das Pfund. Es findet sich ein Kalk in der Naͤhe ihrer
Glashuͤtten, den sie nicht brauchen koͤnnen, indem er gefaͤrbt
ist, und das Glas gruͤn faͤrbt. In der Glashuͤtte zu Petersburg
kommt der Kalk nicht zur Fritte des Krystall-Glases ohne Mennig. Zum
Spiegel-Glase nimmt man Kalk von Borovitzk, und zum Krystall-Glase
Kalk von Pudoschsk, der sehr weiß und weich ist. Lezterer kommt zu Petersburg auf 1
Rubel 50 Kopeken das Pud; ersterer kommt nur auf 29 Kopeken.
Das schwarze Braunstein-Oxyd kommt aus Moskau und auf 13 Rubel das Pud. Eben
daher kommt auch das weiße Arsenik-Oxyd, das Pud zu 22 Rubel. Der beste
englische kommt zu Petersburg das Pud auf 14 bis 16 Rubel.
Der Verfasser fragt, wie bei so hohen Preisen der rohen Materialien die russischen
Glaswaaren so wohlfeil seyn koͤnnen? Nach seiner Rechnung kommt das Pfund
reines Krystall-Glas dem Glashuͤttenmeister auf 30 Kopeken, schlechteres auf
24. Glaswaaren zu 1/2 Pfunde fuͤr Wirthshaͤuser auf 8–9
Kopeken; Brantwein-Flaschen von 2 1/2–3 Pfd. auf 25–30
KopekenDie Frage laͤßt sich leicht beantworten. Wer mit Maschinen arbeitet,
arbeitet wohlfeil, und in Rußland ist der Mensch Maschine.A. d. Ue..