Titel: | Ueber eine neue Erfindung, wodurch die Percussions-Gewehre auf eine leichte Art, mit Beseitigung aller bisher Statt gefundenen Anstände, für die Soldaten aller Waffen bei den Armeen eingeführt werden können. Von Sr. Königl. Hoheit dem Hrn. Herzog Heinrich von Würtemberg. |
Autor: | Heinrich |
Fundstelle: | Band 33, Jahrgang 1829, Nr. IX., S. 38 |
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IX.
Ueber eine neue Erfindung,
wodurch die Percussions-Gewehre auf eine leichte Art, mit
Beseitigung aller bisher Statt gefundenen Anstaͤnde,
fuͤr die Soldaten aller Waffen bei den Armeen
eingefuͤhrt werden koͤnnen. Von Sr. Koͤnigl.
Hoheit dem Hrn. Herzog Heinrich von Wuͤrtemberg.
Ueber Percussions-Gewehre.
Man verdankt diese wichtige und sinnreiche Erfindung dem Hrn. Sellier in Leipzig, welcher sich
bereits durch die Vervollkommnung der chemischen
ZuͤndhuͤtchenMan bezieht sie von dem Hause Sellier und Bellet
in Prag. ausgezeichnet hat.
Hr. Sellier hat mir das Zutrauen
geschenkt, mir seine neue Erfindung zur Pruͤfung und
Begutachtung mitzutheilen, da er wohl weiß, daß ich mich schon
laͤngst mit allen in dieses Fach einschlagenden Versuchen
beschaͤftige. Ich ließ es mir bei der Wichtigkeit des
Gegenstandes sehr angelegen seyn, seinem Wunsche zu entsprechen
und nehme keinen Anstand, meine Ueberzeugung auszusprechen, daß
diese neue Erfindung alles leistet, was nur zu wuͤnschen
ist, damit die Percussions-Gewehre mit eben so vielem
Vortheil bei der Armee angewandt werden koͤnnen, als sie
schon laͤngst fuͤr die Jagd gebraucht wurden.
Die groͤßte Schwierigkeit, welche bisher der Anwendung der
Pistons-Gewehre fuͤr den gemeinen Soldaten im
Allgemeinen (fuͤr die Schuͤzen und Jaͤger
hat man diese Art Gewehre schon hie und da einzufuͤhren
versucht) sich entgegensezte, bestand darin, auf eine leichte
und bequeme Art das Zuͤndkraut aufzusezen, indem ein so
kleiner Koͤrper, wie ein Zuͤndhuͤtchen, von
dem gemeinen Soldaten, so lange er dazu seine Finger anwenden
muß, besonders bei großer Kaͤlte, nicht wohl gehandhabt
werden kann. Man hat zwar mehrere Vorrichtungen vorgeschlagen
und versucht, um dieses durch einen besonderen Aufsezer, worin
eine Anzahl Zuͤndhuͤtchen enthalten ist, zu
bewirken; aber alle diese Vorrichtungen sind sehr mangelhaft,
denn wenn die Federn stark sind, so lassen sie sich nicht gut
schieben, und wenn sie schwach sind, so fallen die
Zuͤndhuͤtchen von selbst heraus. Ich besize selbst
zehnerlei solcher Vorrichtungen und kenne noch andere, allein
sie haben alle mehrere Fehler, die selbst dem
Jagd-Liebhaber nachtheilig sind, welcher sich doch in
dieser Hinsicht leichter helfen kann, als der in Reihe und Glied
stehende Soldat, und dessen Werkzeuge noch dazu mit viel
groͤßerer Genauigkeit verfertigt sind, als man sie dem
Soldaten liefert.
Hr. Sellier hat diesen Mangeln
gaͤnzlich abgeholfen und der Soldat ist jezt durch seine
Erfindung in Stand gesezt, das Gewehr fast noch leichter mit
Zuͤndkraut zu versehen als es bisher mit dem Schießpulver
moͤglich war, welches er auf die Zuͤndpfanne
streuen muß. Man stelle sich eine gewoͤhnliche
Soldaten-Patrone vor; vorne vor der Kugel wird ein
kleiner Cylinder von Filz in die Patrone eingelassen, welcher
denselben Durchmesser wie die Kugel selbst hat; in der Mitte
dieses Filzcylinders wird ein kleines Loch durchgeschlagen,
welches zur Aufnahme des Zuͤndhuͤtchens bestimmt
ist. Der Filz muß dicht und fest seyn, so daß er hinreichende
Elasticitaͤt besizt, um das Zuͤndhuͤtchen
festzuhalten, und dabei dennoch nicht verhindert, daß man es mit
der groͤßten Leichtigkeit auf den kleinen aufgeschraubten
Piston aufsezen kann (vorausgesezt, daß dieser fuͤr das
Zuͤndhuͤtchen vollkommen passend verfertigt
wurde). Die Dike des Filzes kann man ungefaͤhr zu 2
rheinlaͤndischen Linien annehmen. Die
Zuͤndhuͤtchen werden mit einem kleinen Rand
versehen und koͤnnen, fuͤr diesen Gebrauch fertig,
in großen Partien von der vortrefflichen Fabrik der HHrn.
Sellier und Bellot in Prag bezogen werden. – Es ist noch
zu bemerken, daß solche Patronen geleimt werden muͤssen,
damit sie mehr Festigkeit erhalten und der kleine Filzcylinder
nicht herausfallen kann. Ich wuͤrde vorschlagen, dieses
Verleimen mit Gummi-Lak zu verrichten, und sogar die
ganze Patrone damit zu uͤberziehen, wodurch die
Feuchtigkeit abgehalten und die Patronen dauerhafter
wuͤrden. Auf diese Art kann nun der Soldat sehr leicht
seinen Piston mit Zuͤndkraut versehen, ohne es vorher
anderswoher zu suchen, indem er als Aufsezer seine feste Patrone
benuzt.
Die groͤßere Muͤhe, welche die Verfertigung solcher
Patronen erfordert, wird durch die mannigfaltigen Vortheile, die
sie gewaͤhren, gewiß aufgewogen und es laͤßt sich
sogar durch solche Patronen noch ersparen. Man braucht
gewoͤhnlich zwei Quentchen Schießpulver zu einer
Soldaten-Patrone; bei der Anwendung des chemischen
Zuͤndkrauts kann man aber fuͤglich 1/2 Quentchen
weniger Pulver nehmen, ohne daß der Schuß dadurch
geschwaͤcht wuͤrde, weil der Funken des chemischen
Zuͤndkrauts, wie ich dieses tausendfaͤltig bemerkt
habe, das Schießpulver durchgaͤngig entzuͤndet,
was bekanntlich bei Anwendung des Feuersteins nicht der Fall
ist. Auch koͤnnen sehr leicht Maschinen hergestellt
werden, welche die Filzcylinder, mit ihrem Loch versehen in
Menge liefern, so wie deßgleichen solche, wodurch man die
Pistons schneller und genauer verfertigen kann, denn fuͤr
die Armee muͤssen bekanntlich alle Schloͤsser,
Schrauben, Laͤufe und Schafte vollkommen fuͤr
einander passend geliefert werden.
Ulm im Juni 1829.
Heinrich, Herzog von Wuͤrtemberg.