Titel: | Ueber das Färben der Wolle mittelst Berlinerblau, von Hrn. P. Raymond, Sohn. |
Fundstelle: | Band 31, Jahrgang 1829, Nr. XIV., S. 45 |
Download: | XML |
XIV.
Ueber das Faͤrben der Wolle mittelst
Berlinerblau, von Hrn. P.
Raymond, Sohn.
Aus den Ann. de Chim. et de Phys. Sptbr. 1828, S.
44.
Mit einem Zusaze vom Herausgeber.
Raymond, uͤber das Faͤrben der Wolle mittelst
Berlinerblau.
Die Freunde der Industrie hatten schon lange gefuͤhlt, wie wichtig es
fuͤr unsere Manufakturen waͤre, wenn man den Indigo, eine
auslaͤndische Substanz, die in hohem und wandelbarem Preise steht, durch ein
inlaͤndisches Produkt von maͤßigem und ziemlich bestaͤndigem
Preise ersezen koͤnnte; die Regierung selbst hatte die Aufmerksamkeit der
technischen Chemiker auf diesen wichtigen Gegenstand gelenkt, indem sie einen Preis auf die
Befestigung des Berlinerblaues auf Wolle, Seide, Leinen und Baumwolle sezte. Mein
Vater hat denjenigen Theil des Problems, welcher sich auf Seide, Leinen und
BaumwolleDas Faͤrben der Leinen- und Baumwollengespinste und Gewebe
mittelst eisenblausaurem Kali war schon 1798 vielen Fabrikanten bekannt. In
dem Jahre 1799 kamen solche gefaͤrbte Baumwollendrukwaaren aus
England nach Augsburg, deren Nachahmung wir mit dem Coloristen Herrn Mayer aus Wien, damals in der Schoͤppler- und Hartmann'schen Kattunfabrike dahier ermittelten.
Hr. Meyer theilte hierauf das Verfahren in den
Jahren 1801 und 1802 mehreren auswaͤrtigen Fabrikanten mit.
Verdienste um dieses Farbeverfahren haben die Vorgaͤnger Macquer, Scheffer, Rinnmann und Winterl. Lezterer gab im Jahre 1790 eine Schrift
hieruͤber heraus, welche den Titel fuͤhrt: Die Kunst Blutlauge
und mehrere fuͤr Maufarbe dienliche Materialien im Großen zu bereiten
und solche zur Blaufaͤrberei anzuwenden. Wien, Graͤffer und
Comp.A. d. R. bezieht, auf das Vollstaͤndigste geloͤst. Sein Verfahren
wurde, nachdem es durch die Regierung zur oͤffentlichen Kenntniß gebracht
worden war, bald allgemein in allen Seidenfaͤrbereien ausgeuͤbt; man
versuchte vergebens, es auch auf die Wolle anzuwenden. Ich weiß wenigstens nicht,
daß bis auf das Jahr 1819, wo ich anfing alle meine Zeit der Loͤsung dieses
Problems zu widmen, damit etwas Genuͤgendes hervorgebracht worden
waͤre.
Seit 1820 hatte ich aufmunternde Resultate erhalten, wie dieses die Briefe der Herren
Seguin, D'Annonay bezeugen, welche die
Gefaͤlligkeit hatten, in ihrer Manufaktur ein Stuͤk Tuch von
zwoͤlf bis fuͤnfzehn Ellen aus Wolle, die mit Berlinerblau
gefaͤrbt worden war, weben zu lassen. Erst im Jahre 1822 zeigte ich jedoch
der Société d'encouragement in Paris und
der Société d'agriculture in Lyon Muster.
Im J. 1823 endlich erhielten mehrere Stuͤke blaues Tuch bei der Ausstellung
im Louvre den Beifall der Central-Jury, welche mir eine silberne Medaille
zuerkannte und erklaͤrte: „daß sie mir eine groͤßere
Belohnung zuerkannt haͤtte, wenn die ihr zur Pruͤfung vorgelegten
Resultate der entscheidenden Probe des Umlaufs im Handel haͤtten
unterzogen werden und die Sanction der Erfahrung erhalten
koͤnnen.“ (S. 150 und 151 des Berichts.)
Seit dieser Zeit haben Privat-Geschaͤfte alle meine Zeit in Anspruch
genommen, so daß ich erst im Anfang dieses Jahres (1827) meine Versuche wieder
aufnehmen konnte, um meinem Verfahren die Vervollkommnungen, deren es mir
faͤhig schien, zu ertheilen.Wir haben unsern Faͤrbe-Prozeß schon im Jahre 1824, wie wir in
der unten folgenden Abhandlung nachweisen, auf die moͤglichst zu
erreichende Vollstaͤndigkeit gebracht.A. d. R. Das Resultat dieser Arbeit uͤbergebe ich jezt der Akademie zur
Beurtheilung. Ich werde hier nicht in das Detail aller von mir angestellten Versuche
eingehen, was die Aufmerksamkeit der Akademie nur ermuͤden wuͤrde.
Einige derselben haben mich jedoch, obgleich sie den von mir beabsichtigten Zwek nicht erreichten,
auf Resultate gefuͤhrt, die vielleicht nicht ohne allen Nuzen
angefuͤhrt werden koͤnnen, und ich werde daher Einiges uͤber
meine ersten Versuche sagen. (Man sehe weiter unten, Faͤrbe-Operationen.)
Bekanntlich verbindet man die Seide, wenn man das Berlinerblau darauf befestigen
will, zuerst mit Eisenoxyd (Eisenperoxyd) und saͤttigt dann dieses Oxyd mit
Blausaͤure.Wir betrachten das Berlinerblau als cyanwasserstoffsaures Eisen.A. d. O. Um einen analogen Gang zu befolgen, mußte man zuerst ein Mittel finden, das
Eisenoxyd mit Wolle zu vereinigen; nun zieht die Wolle, wenn man sie in der
Kaͤlte in eine Aufloͤsung von schwefelsaurem Eisenoxyd (dieses Salz
wendet man zum Faͤrben der Seide mit Raymond-Blau an) legt, nur eine
sehr geringe Menge Metalloxyd an; in der Waͤrme findet die Vereinigung
schneller Statt, aber damit sich dann die Aufloͤsung nicht truͤbt, muß
man sie mit einem desto betraͤchtlicheren Saͤureuͤberschuß
versezen, je staͤrker man erhizen will, und diese freie Saͤure gibt
der Wolle eine Rauhigkeit, die sie entartet.
Um diesem Uebelstande abzuhelfen und die Verwandtschaft der Wolle zum Eisenoxyd zu
vergroͤßern, so daß sie sich mit diesem Oxyd in einer kalten
Aufloͤsung saͤttigen koͤnnte, glaubte ich sie zuerst mit
thierischer Gallerte (Leim) verbinden zu muͤssen. Da dieser erste Versuch,
auf mannichfaltige Weise abgeaͤndert, nur sehr unvollkommen meiner Erwartung
entsprach, so fiel mir die merkwuͤrdige Wirkung des Chlors auf die Gallerte
ein und ich versuchte mit dieser thierischen Substanz impraͤgnirte Wolle
durch ein Chlorbad zu nehmen, das so schwach war, daß es nur einen
ertraͤglichen Geruch verbreitete. Dadurch entstand schnell eine
merkwuͤrdige Veraͤnderung in den physischen Eigenschaften der Wolle;
sie wurde weicher und gleichsam seidenartig anzufuͤhlen. Mit einer lauwarmen
Aufloͤsung von schwefelsaurem Eisenoxyd digerirt, saͤttigte sie sich
leicht mit dem Metalloxyd; lezteres mit Blausaͤure verbunden, brachte ein
sehr dunkles und solides Blau hervor.
Die Wirkung des Chlors war so schnell, so energisch, daß ich auf den Gedanken kam, es
allein und ohne Zusaz von Gallerte zu versuchen. Das Resultat uͤbertraf meine
Erwartung; die Wolle wurde noch weicher und verband sich ohne Muͤhe mit dem
Eisenoxyd, welches mit Blausaͤure gesaͤttigt, eine schoͤne
blaue Farbe gab, die dem Wasser und dem Reiben widerstand. Ich erhielt auf diese Art
alle blauen Nuͤancen mit gleichem Erfolg und faͤrbte in der
Ueberzeugung, daß ich am Ziele meiner Versuche sey, nach diesem Verfahren mehrere
Kilogrammen Wolle, welche in der Manufaktur der Herren Seguin gewoben wurden und das Stuͤk Tuch von zwoͤlf bis funfzehn
Ellen gaben, dessen ich weiter oben erwaͤhnte.
Nun blieb noch die lezte Probe uͤbrig: man mußte dieses Tuch walken lassen.
Nachdem es mehrere Stunden in Urin gewalkt worden war, sah ich zu meinem
Vergnuͤgen, daß die Farbe ihre Intensitaͤt und ihren Glanz vollkommen
beibehalten hatte; als ich aber den Zeug herausnahm, um zu sehen, wie weit das
Verfilzen vorgeruͤkt sey, hatte ich den Schmerz zu bemerken, daß es nicht
einmal begonnen hatte. Das Stuͤk Tuch wurde umsonst vier und zwanzig Stunden
lang gehaͤmmert; es zog sich nicht zusammen. Die rauheren Theile, welchen die
Wolle die Eigenschaft verdankt, sich zu verfilzen, waren wahrscheinlich durch die
Einwirkung des Chlors zerstoͤrt worden; ohne Zweifel hatte die Wolle die
Weichheit und das seidenartige Anfuͤhlen, welches sie angenommen hatte, der
Zerstoͤrung oder mehr oder weniger großen Veraͤnderung dieser rauhen
Theile durch das Chlor zu verdanken.Von dieser merkwuͤrdigen Wirkung des Chlors auf die Wolle wird man in
den Kuͤnsten Vortheil ziehen koͤnnen: bei dem
Schwarzfaͤrben des Tuches und der Filze fuͤr Huͤte zum
Beispiel, wird ein Chlorbad nach dem Walken denselben nicht nur mehr
Weichheit und Geschmeidigkeit ertheilen, sondern sie auch vollkommen
faͤhig wachen, sich mit dem Eisenoxyd zu vereinigen, welches die
Basis der Schwarzfaͤrberei ausmacht u.s.w. Die Filzfabrikanten werden
ebenfalls davon Vortheil ziehen koͤnnen: man beklagt sich
unaufhoͤrlich in den Papierfabriken uͤber die geringe Dauer
der Filze, welche man daselbst anwendet. Die Gewebe immer zwischen zwei
Blaͤtter Papier gepreßt, verfilzen sich zu stark und verstopfen sich
endlich so sehr, daß sie kein Wasser mehr durchsikern lassen. Wahrscheinlich
wuͤrden sie sich weniger verstopfen und daher viel oͤfter
gebraucht werden koͤnnen, wenn man mittelst eines Chlorbades an ihnen
die Eigenschaft zu verfilzen zerstoͤren wuͤrde.A. d. O.
Die Versuche, welche ich anstellte, um die Wolle, welche der Einwirkung des Chlors
ausgesezt worden war, zum Filzen zu bringen, waren unnuͤz; ich mußte sie
aufgeben und eine andere Reihe von Versuchen anstellen. Ich konnte nun zweierlei
Wege einschlagen; entweder mußte ich durch irgend ein neues Agens die Verwandtschaft
der Wolle zum Eisenoxyd hinreichend vermehren, damit sie dieses Oxyd aus einer
beinahe kalten Aufloͤsung aufnehmen konnte; oder ich mußte eine
Eisenaufloͤsung bereiten, welche eine hohe Temperatur ertragen konnte, ohne
sich zu truͤben und ohne die Natur der Wolle, welche man ihrer Einwirkung
aussezt, zu veraͤndern. Ich waͤhlte das Leztere und richtete darauf
alle meine Anstrengungen.
Wenn die meisten Saͤuren auf die Wolle eine mehr oder weniger
schaͤdliche Wirkung ausuͤben, so scheint im Gegentheil die
Weinsteinsaͤure in hinreichend verduͤnntem Zustande, obgleich siedend
heiß, auf sie guͤnstig zu wirken. Sie macht sie weich, naͤhrt sie gewisser Maßen, und disponirt sie zum Filzen. Bei diesen
Eigenschaften der Weinsteinsaͤure konnte ich mich ihrer als des besten
Mittels bedienen, um die Faͤllung der Eisenoxyd-Aufloͤsungen zu verhindern. Uebrigens
konnte derjenige Theil der Saͤure, welcher vollkommen von dem Metalloxyd
gesaͤttigt wurde, eine Mineralsaͤure seyn, weil ihre sauren
Eigenschaften durch diesen Zustand inniger Verbindung neutralisirt waren und sie
daher auf den Faden oder das Gewebe, womit man sie in Beruͤhrung brachte,
nicht wirken konnte. Ich versuchte also mit Schwefelsaͤure und
Weinsteinsaͤure eine Aufloͤsung von Eisenoxyd zu bereiten, worin die
Mineralsaͤure ziemlich von der Basis neutralisirt und die vegetabilische
Saͤure in Ueberschuß vorhanden war.
Diese Aufloͤsung wurde auf folgende Art bereitet.
Bereitungsart des weinstein-schwefelsauren
Eisenoxyds.
Man muß eine Kufe haben, welche 600 bis 700 Liter100 Liter zu fluͤssigen Gegenstaͤnden, sind 83,3 Berliner Quart
oder 54,3 Rheinl. Maaß oder 70,7 Wiener Maaß.A. d. R. faßt. (Im Falle sie groͤßer waͤre; was noch besser ist,
muͤßte man die weiter unten angegebenen Quantitaͤten
verhaͤltnißmaͤßig vergroͤßern.) Diese Kufe muß in der
Naͤhe eines Dampfkessels unter einem Schoppen, worin die Luft frei circulirt,
aufgestellt werden, und zwar so hoch uͤber der Erde, daß man die
Fluͤssigkeit mittelst eines hoͤlzernen Hahnes, den man einige Zoll
uͤber der Basis der Kufe anbringt, abziehen kann.
Wenn man diese Vorkehrungen getroffen hat, so gießt man in die Kufe:
260
Kilogr.100
Kilogramm sind 213,43 Pfund Berliner Handelsgewicht oder 178,56
Pfund Wiener Handelsgewicht; ein Kilogramm enthaͤlt 1000
Gramm. und lezteres wiegt 18,82 Gran Apothekergewicht. A. d. R.
Quellwasser;
65
–
(kaͤufliche) Schwefelsaͤure von
66°;
65
–
(kaͤufliche) Salpetersaͤure von
36°.
Man bringt sodann in der Kufe einen Weidenkorb an, so daß er nur drei oder vier Zoll
in die Fluͤssigkeit taucht, und wirft in diesen allmaͤhlich:
360
Kilogr.
Eisenvitriol (gruͤnen Vitriol) von guter
Qualitaͤt.
Bekanntlich wird in diesem Falle die Salpetersaͤure zersezt, wodurch ein
lebhaftes Aufbrausen entsteht, und sich roͤthliche Daͤmpfe entwikeln;
das Eisenoxydul, die Basis des gruͤnen Vitriols, wird in Eisenoxyd
umgeaͤndert und lezteres nimmt außer der Schwefelsaͤure, womit es in
dem gruͤnen Vitriol verbunden war, noch eine neue Menge davon auf, die dem
Sauerstoff, welchen die Salpetersaͤure an dasselbe abgegeben hatte,
proportional ist; das Resultat dieser Reaction ist also ein schwefelsaures Eisen,
worin die Basis auf der hoͤchsten Oxydationsstufe ist. Man muß aber nicht
glauben, daß nur dieses Salz in der Fluͤssigkeit vorhanden ist, wenn man sich
begnuͤgt in der
Kaͤlte zu arbeiten; es bleibt darin auch noch gruͤner Vitriol
(schwefelsaures Eisenoxydul) aufgeloͤst und unzersezte Salpetersaͤure.
Leztere ist in einem zu verduͤnnten Zustande, als daß sie energisch auf das
Eisenoxydul wirken und es in Eisenoxyd umaͤndern koͤnnte; jezt wird
daher die Beihuͤlfe der Waͤrme noͤthig,Wuͤrde man das Gemenge schon erhizen, ehe man die 260 Kilogr.
Eisenvitriol in kleinen Portionen ganz hineingeworfen hat, so wuͤrde
das Aufbrausen so stark werden, daß man dasselbe unmoͤglich mehr
beherrschen koͤnnte. A. d. O. und man bringt in diesem Augenblike den Deckel des Dampfkessels –
wovon wir oben bemerkt haben, daß er in der Naͤhe der Kufe, worin die
Zubereitung gemacht wird, aufgestellt seyn muß, – mit der Aufloͤsung
in Verbindung. Diese Verbindung stellt man durch eine Platinroͤhre her, deren
eines Ende auf dem Dekel des Kessels angebracht wird, waͤhrend das andere bis
auf ungefaͤhr Zwei Drittel in die Kufe taucht.Da ich keine Platinroͤhre zu meiner Verfuͤgung hatte, so
bediente ich mich einer hoͤlzernen Roͤhre, die fest mit
Eisendrath umwunden und aͤußerlich an dem unteren Theile des
Gefaͤßes, worin ich arbeitete, angebracht war. A. d. O.
In dem Maße, als die Fluͤssigkeit sich erhizt, faͤngt das Aufbrausen
und die Entwiklung rother Daͤmpfe wieder an; man sezt das Feuern so lange
fort, bis die Aufloͤsung ins Kochen kommt; es ist sogar zwekmaͤßig,
sie einige Augenblike kochen zu lassen, um sicher zu seyn, daß die Basis des
Eisenvitriols vollkommen auf die hoͤchste Oxydationsstufe gebracht wurde,
welches eine wesentliche Bedingung ist, wenn man gut genaͤhrte blaue Farben
erhalten will; denn wenn es zuweilen geschieht, daß das Raymond-Blau auf
Seide nicht so satt ist, als es seyn sollte, so muß man dieses groͤßtentheils
dem Umstande zuschreiben, daß man sich einer Eisenaufloͤsung bediente, welche
mehr oder weniger nicht vollkommen oxydirtes Eisen enthielt.
Nach einige Zeit anhaltendem Aufwallen unterbricht man die Verbindung der Kufe mit
dem Dampfkessel und wirft in den Weidenkorb ein Gemenge, welches man einige Stunden
vorher zusammengesezt hat, aus
100
Kil.
Quellwasser
65
–
Schwefelsaͤure von 66°
150
–
rothem WeinsteinAus diesem Gemenge entsteht freie Weinsteinsaͤure und
schwefelsaures Kali; von letzterem sezt sich ein Theil auf dem Boden
des Gefaͤßes ab, worin man die Substanzen mengte: man
koͤnnte es leicht wegschaffen, aber ich habe nicht bemerkt,
daß seine Gegenwart den Faͤrbe-Operationen nachtheilig
ist. A. d. O..
Wenn Alles aufgeloͤst worden ist, gießt man in die Fluͤssigkeit
Quellwasser, bis sie auf ungefaͤhr 36° an Beaumé's
Araͤometer verduͤnnt worden ist, worauf man sie absezen und drei oder
vier Tage lang sich
klaͤren laͤßt; man zieht sie hierauf ab, und bewahrt sie in Tonnen
auf, welche gut (dem Luftzutritt) verschlossen sind, so daß man sie unzersezt in dem
Maße als man sie braucht anwenden kannIch rathe den Hutmachern, Schwarzfaͤrbern, es sey nun fuͤr
Wolle, Leinen, Seide oder Baumwolle u.s.w., bei ihren
Faͤrbe-Operationen diese Aufloͤsung des
weinstein-schwefelsauren Eisens an Statt der Aufloͤsung des
gruͤnen Vitriols zu gebrauchen, die sie gewoͤhnlich anwenden.
Sie werden dann lebhaftere und sattere Farben erhalten.Diese Aufloͤsung dient auch besser als die gewoͤhnliche
Aufloͤsung von oxydirtem schwefelsaurem Eisen, um die Baumwolle
Raymond-Blau zu faͤrben. Da der Faͤrber sein Rostbad
erhizen kann, ohne Gefahr zu laufen, daß es sich truͤbt (wenn er das
befolgt, was ich im Artikel Rostbad sagen werde),
so kann er die Baumwolle schnell und auch so vollstaͤndig als er
will, mit Eisenoxyd beladen, waͤhrend er sie ohnedieß mehrere Tage in
einem kalten Bade behandeln muß.A. d. O..
Dieses ist das Verfahren, die Eisenaufloͤsung zu bereiten, welche die Basis
beim Faͤrben der Wolle mit Berlinerblau ausmacht. Ich gehe nun zu den
Faͤrbe-Operationen uͤber, welche ich in zwei Abtheilungen
eintheilen werde: die erste wird von dem eigentlichen Faͤrben handeln, oder
von dem Befestigen des Berlinerblaues auf Wolle; die zweite wird das Schoͤnen
zum Gegenstande haben, naͤmlich die Operation, wodurch man der Farbe zugleich
mehr Roͤthe, mehr Glanz und mehr Intensitaͤt ertheilt.
Erste Abtheilung.Faͤrbe-Operationen.
Solcher Operationen sind zwei; ich werde sie mit der Benennung Rostbad und Blaubad bezeichnen; und um
deutlicher und genauer zu seyn, will ich voraussezen, man habe ein Stuͤck
Tuch, von einem gegebenen Gewicht, naͤmlich 10 Kilogr. in einer ebenfalls
gegebenen Nuͤance, z.B. persischblau (Gruͤnblau, bleu-pers) zu faͤrben. Nachdem man dieses
Stuͤk wie zu dem Faͤrben in der Waidkuͤpe vorbereitet,
naͤmlich mittelst des Walkens von allen fetten oder alkalischen Substanzen
gut gereinigt hat, verfaͤhrt man folgender Maßen, um es zu
faͤrben.
§. 1. Rostbad. (Weinstein-schwefelsaures Eisenoxyd.)
Man gießt in ein hoͤlzernes Gefaͤß von zwekmaͤßiger
Groͤße, welches mit einer Winde versehen ist,
weinstein-schwefelsaures Eisen von 36°In der ganzen Abhandlung wird bei den Araͤometer-Graden die
Beaumé'sche Skala vorausgesezt.A. d. R., bis es ungefaͤhr 1/35 der Capacitaͤt des Gefaͤßes
einnimmt und fuͤllt es hierauf mit Quellwasser voll, indem man die
Fluͤssigkeit mit einem Stok stark bewegt, um das Wasser mit der
Salzaufloͤsung gut zu vermischen. Wenn die Mischung fertig ist, muß die
Fluͤssigkeit einen halben Grad am Araͤometer zeigen, indem man
voraussezt, daß das angewandte Quellwasser 0° zeigt.
Man erhizt dieses Bad mittelst Dampf (zum Hineinleiten desselben kann man sich
einer Bleiroͤhre bedienen), bis es eine Temperatur von 30 bis 40°
C. (24 bis 32° R.) erhalten hat. Hierauf legt man das Stuͤk Tuch
auf die Winde und ein Arbeiter sorgt, waͤhrend diese bewegt wird,
dafuͤr, daß es gut in der Richtung seiner Breite ausgedehnt bleibt, um
eine gleichfoͤrmigere Farbe zu erhalten. Das Eisenoxyd wirft sich auf die
Wolle, und da der Dampf immerwaͤhrend in das Bad tritt, so kommt dieses
bald ins Kochen. Nach einigem Aufwallen muß das Tuch einen hinreichend dunklen
Rostgrund angenommen haben, um mit Blausaͤure die gruͤnblaue
Nuͤance hervorzubringen. Uebrigens bringt es keinen Nachtheil, wenn das
Tuch eine etwas laͤngere oder kuͤrzere Zeit in diesem Bade bleibt,
wenn man es nur in diesem Augenblick herausnimmt, wo der Grund die
gehoͤrige Intensitaͤt angenommen hat, weil in der That die blaue
Nuͤance, welche man bei den darauf folgenden Operationen erhaͤlt,
einzig und allein von der groͤßeren oder geringeren Intensitaͤt
des Rostgrundes abhaͤngt.
Man ersieht hieraus leicht, daß es unumgaͤnglich noͤthig ist, daß
der mit der Leitung der Operation beauftragte Arbeiter ein Muster von dem Grunde
vor sich hat, welchen das Blau, das man erhalten will, erfordert. Man muß sich
hierzu vorher eine Musterkarte verfertigen, worin die verschiedenen blauen
Nuͤancen, von dem hellsten Blau bis zum Schwarzblau und die Muster der
Rostgruͤnde, welche sie hervorgebracht haben, einander
gegenuͤbergestellt sind. Sobald also das Tuch, welches wir zu
faͤrben haben, auf die Nuͤance des dem Persischblau entsprechenden
Musters gekommen seyn wird, wird es der Arbeiter wieder auf die Winde nehmen,
und ohne es zu lange abtropfen zu lassen, in fließendes Wasser bringen und es
darin sehr sorgfaͤltig auswaschen. Man wird leicht einsehen, wie
nothwendig es ist, daß dieses Auswaschen mit der groͤßten Sorgfalt
vorgenommen wird, wenn man bedenkt, daß das weinstein-schwefelsaure
Eisen, welches zwischen den Poren des Tuches liegen bliebe, als reinen Verlust
einen Theil des blausauren KalisDer Verfasser bedient sich immer des gewoͤhnlichen Ausdrukes blausaures Kali (hydrocyanate potasse) an Statt des richtigern eisenblausaures Kali (hydro-ferro-cyanate de potasse.). A. d. R. zersezen wuͤrde, welches dazu bestimmt ist, bei der darauf
folgenden Operation das mit der Wolle verbundene Eisenoxyd in Berlinerblau
umzuaͤndern, und eben dadurch einen mehr oder weniger reichlichen blauen
Niederschlag hervorbraͤchte, welcher das Bad truͤben
wuͤrde.
Das Rostbad, dessen wir uns so eben bedient haben, ist bei weitem noch nicht
erschoͤpft. Man kann durch dasselbe nach einander eine große Anzahl von
Tuͤchern hindurch nehmen, wenn man nur jedes Mal eine Quantitaͤt
Eisenaufloͤsung von 36° hineingießt, die ungefaͤhr
derjenigen entspricht, die, wie man annehmen kann, durch die schon
gefaͤrbten Tuͤcher dem Bade entzogen wurde, so daß das Bad immer
seine anfaͤngliche Dichtigkeit von 1/2 Grad beibehaͤlt. Man kann
ohne Gefahr diese Dichtigkeit auf + 3/4 oder sogar + 1 Grad bringen; hingegen
muß man es sorgfaͤltig vermeiden, sie unter + 1/2 Grad herabkommen zu
lassen, weil die so weit verduͤnnte Aufloͤsung sich beim Kochen
truͤben koͤnnte, und die Farbe, welche man in diesem Falle
erhielte, keine Dauerhaftigkeit haͤtte.
Wenn die Stuͤke Tuch, welche man nach einander durch dasselbe Rostbad
nehmen will, dazu bestimmt sind, darin verschiedene Nuͤancen anzunehmen,
so muß man mit den am wenigsten dunklen Nuͤancen den Anfang machen, und
dabei das Feuer sorgfaͤltig dirigiren, damit die Temperatur sich nicht zu
schnell erhoͤht, und die Farbe Zeit hat, sich mit der Faser zu
vereinigen. Es gibt sogar sehr zarte Nuͤancen, wie z.B. das Himmelblau,
welche eine so geringe Menge Eisenoxyd erfordern, daß man genoͤthigt ist,
ihnen den Rostgrund ganz in der Kaͤlte zu geben. Ohne diese Vorsicht
wuͤrde sich das Eisenoxyd zu schnell auf das Tuch werfen und immer zu
hohe Nuͤancen hervorbringen. Folgender Umstand gibt davon einen
auffallenden Beweis. Ich wollte Tuch faͤrben, das die Zubereitung zum
Weißfaͤrben erhalten hatte, und obgleich ich so vorsichtig war, es in
einer starken Seifenaufloͤsung zu reiben, um daraus moͤglichst das
weiße Pulver, womit dieses Tuch immer beladen ist, zu entfernen, so konnte ich
doch niemals damit hellblaue Nuͤancen erhalten. Ich arbeitete jedoch
unter einer Temperatur von 10° C. (8° R.); das Tuch, sey es, daß
es zu vollstaͤndig durch die kalkartige Substanz, welche zum Bleichen
desselben angewandt worden war, entfettet wurde, oder daß noch eine geringe
Menge von dieser Substanz zuruͤkblieb, welche die Faͤllung des
Eisenoxydes auf das Tuch beschleunigte; lezteres, sage ich, zog das Rostbad so
schnell an sich, daß der Grund immer zu dunkel war. Ich war genoͤthigt
das Bad mit einigen TropfenIch arbeitete nur mit kleinen Mustern.A. d. O. eines Gemenges aus gleichen Theilen dem Gewichte nach
Quellwasser,
Schwefelsaͤure von 66°.
rothem Weinstein
zu versezen. Davon wird man auch guten Gebrauch machen
koͤnnen, wenn man außerordentlich helle Nuͤancen erhalten
will.
Die sehr dunklen Nuͤancen hingegen, wie Schwarzblau (bleu d'enfer) erfordern einen so dunklen Rostgrund,
daß man ihn nur durch Kochen erhalten kann: dessen ungeachtet ist es immer gut,
das Tuch lange Zeit vorher in das Bad des weinstein-schwefelsauren Eisens
zu legen, ehe lezteres zum Sieden kommt. Auf diese Art ist die Farbe mehr
gleichfoͤrmig. Die Einsicht des Arbeiters wird leicht einige andere
kleinliche Details ergaͤnzen, welche ich, wie ich glaube, unnuͤzer
Weise hier anfuͤhren wuͤrde.
Wir haben vorher gesagt, daß man nach einander eine große Anzahl Stuͤke
durch dasselbe Bad nehmen kann, wenn man es bei jeder Operation zum Theil
erneuert. Es koͤnnte hiernach scheinen, daß ein solches Bad fast ins
Unendliche brauchbar waͤre; aber abgesehen von den fetten Substanzen,
welche die Tuͤcher und besonders die unvollkommen entfettete Wolle darin
absezen, wodurch es endlich verschlaͤmmt und am Anziehen verhindert
wuͤrde, gibt es noch eine andere Ursache, weßwegen man es von Zeit zu
Zeit erneuern muß. Die Tuͤcher absorbiren, wenn sie in einer
Aufloͤsung des weinstein-schwefelsauren Eisens verweilen, nicht
gleichmaͤßig alle Bestandtheile dieses Salzes; das Metalloxyd allein
vereinigt sich in Ueberschuß mit dem Stoff, waͤhrend die
Schwefelsaͤure und Weinsteinsaͤure fast ganz in der
Fluͤssigkeit bleiben. Hieraus folgt notwendiger Weise, daß das Rostbad,
welches einem Stuͤke Tuch den Grund gegeben hat,
verhaͤltnißmaͤßig mehr sauer ist, als anfangs, und daß je
betraͤchtlicher die Anzahl der Stuͤke ist, welche man durch
dasselbe nimmt, desto mehr dieser Saͤureuͤberschuß zunimmt, weil
man, wie wir vorgeschrieben haben, bei jeder neuen Passage von Tuch,
weinstein-schwefelsaures Eisen von 36° zusezen muß. So wird
endlich ein Zeitpunkt eintreten, wo das Bad einen so großen
Saͤureuͤberschuß enthaͤlt, daß der Widerstand der lezteren
gewisser Maßen die Verwandtschaft des Eisenoxyds zur Wolle uͤberwinden
und man unmoͤglich die Farbe erhoͤhen koͤnnen wird. Dann,
und sogar noch vor diesem Zeitpunkt, muß man das Rostbad ganz erneuern; dieses
Bad ist uͤbrigens von so geringem Werth, daß man es ohne Anstand
oͤfters wechseln darf.
Wir haben so eben gesagt, daß das Eisenoxyd der einzige Bestandtheil des
Rostbades ist, welcher sich in Ueberschuß auf das
Tuch niederschlaͤgt; aber auf diese Art mit Wolle vereinigt, ist dieses
Oxyd nicht vollkommen rein; es haͤlt eine geringe Menge
Schwefelsaͤure zuruͤk, womit es eine Art basisches Salz zu bilden
scheint; dieses kann man wenigstens daraus schließen, daß diese Saͤure
durch Auswaschen der Wolle in kaltem oder sogar kochendem Wasser nicht
weggeschafft werden kannIch glaubte lange Zeit, daß die Alkalien allein dieses basische Salz
zersezen koͤnnten; als ich aber
zufaͤllig ein aus dem Rostbad genommenes Tuchmuster eine ganze
Nacht lang in kaltem Wasser gelassen hatte, wunderte ich mich den andern
Morgen, daß es eben so aussah, als wenn es in einem alkalischen Bade
behandelt worden waͤre: es hatte sich merklich geroͤthet.
Ich habe mich uͤberzeugt, daß es keine Saͤure mehr
enthielte. Das Wasser allein kann also sogar in der Kaͤlte durch
lange Beruͤhrung die Zersezung des
Koͤrpers bewerkstelligen, welchen wir als basisch schwefelsaures
Eisen betrachtet haben. Muß man daraus schließen, daß die Saͤure
nicht in Verbindung mit dem Metalloxyd ist, und ihre Gegenwart in dem
Tuch nur der Wirkung der Capillaritaͤt angehoͤrt? Ohne den
Einfluß dieser lezteren Kraft in dem was das Tuch betrifft, zu
laͤugnen, koͤnnte man dieses doch nicht in Bezug auf den
Seiden- und Baumwollenfaden annehmen, und eben so wenig bei der
Flokwolle, welche alle das naͤmliche Resultat geben, obgleich in
einem weniger auffallenden Grade. Uebrigens ist die Zersezung eines
Salzes durch kaltes Wasser keine seltene Sache und ohne uͤber
unseren Gegenstand hinauszugehen, finden wir an dem schwefelsauren
Eisenoxyd ein Beispiel, dessen Aufloͤsung sich durch Zusaz einer
großen Menge Wassers truͤbt.A. d. O.. Auch pflegt man die Seide, welche man Raymond-Blau
faͤrben will, durch ein fast kochendes Seifenbad zu nehmen, nicht sowohl
um sie geschmeidig zu machen, sondern um sie von der Saͤure zu reinigen,
welche das Eisenoxyd begleitet und sich der Vereinigung dieses lezteren mit der
Blausaͤure widersezen wuͤrde.
Da lange dauernde und mannichfaltige Operationen oft die Haupthindernisse sind,
welche sich der Annahme eines Faͤrbeverfahrens in der Praxis widersezen,
so suchte ich bei diesem das Seifenbad zu ersparen, was mir dadurch gelang, daß
ich eisenblausaures Kali zur Zersezung des basisch schwefelsauren auf dem
rostfarbenen Tuch befestigten Salzes anwandte. Dieses will ich in den folgenden
Paragraphen umstaͤndlich auseinandersezen.
§. 2. Blaubad.
Das Blaubad, naͤmlich dasjenige, welches zum Zwek hat, das auf der Wolle
befestigte Eisenoxyd mit Blausaͤure zu saͤttigen, besteht aus zwei
Operationen, welche, obgleich sie in demselben Gefaͤße und gleichsam in
derselben Fluͤssigkeit vorgenommen werden, dessen ungeachtet besonders
abgehandelt seyn wollen, damit man die Erscheinungen, welche sie darbieten,
genau auffassen kann. Ich werde also 1.) von dem Bad mit blausaurem Kali und 2.)
von dem Bad mit Blausaͤure sprechen.
1. Blausaures
Kali-Bad.
Man muß eine Kufe haben, welche eigens zu diesem Blaubad bestimmt ist; diese
Kufe muß von Holz und mit einer Winde versehen seyn. Man fuͤllt sie
mit Quellwasser, welches man durch einen Dampfstrom bis auf ungefaͤhr
30° C. (24° R.) erhizt. Man nimmt dann das Feuer weg und
bringt auf jedes Kilogramm persischblau zu faͤrbendes Tuch, 85 Gramm.
kaͤufliches blausaures Kali, welches man vorher in einem Topf in
kochendem Wasser aufgeloͤst hat, in das Bad. Dieß macht 850 Grammen
auf das Stuͤk von 10 Kilogr., welches wir als Beispiel angenommen
haben.
Nachdem das Bad gehoͤrig umgeruͤhrt worden ist, bringt man das
Tuch auf die Winde; man windet es 12 bis 15 Minuten lang und nimmt es dann
weg. Das Tuch hat sein Aussehen veraͤndert; die
Schwefelsaͤure, von welcher wir gesagt haben, daß sie mit dem mit der
Wolle verbundenen Eisenoxyd ein basisches Salz bildet, hat sich mit der
alkalischen Basis des blausauren Kalis vereinigt, waͤhrend die frei
gewordene Blausaͤure sich des von der Schwefelsaͤure
getrennten Eisenoxyds bemaͤchtigt hat. Das Resultat dieser doppelten
Zersezung ist einerseits schwefelsaures Kali, welches sich in dem Bad
aufgeloͤst; andererseits blausaures Eisen, welches sich auf dieser
Wolle befestigt hat: da das so gebildete blausaure Eisen oder Berlinerblau
nur in sehr geringer Menge vorhanden ist, so maskirt es bloß die
chamoisgelbe Farbe des mit Blausaͤure noch nicht gesaͤttigten
Eisenoxydes, und gibt ihm ein gruͤnliches Ansehen, dessen
Intensitaͤt von der Oberflaͤche gegen den Mittelpunkt des
Stoffes zunimmt.
Das Resultat dieses ersten Theiles des Blaubades ist also, daß man auf dem
Tuch nur reines Eisenoxyd hat, und außerdem eine geringe Menge Berlinerblau.
Wir wollen nun zum zweiten Theile uͤbergehen, worin das Eisenoxyd
vollkommen mit Blausaͤure gesaͤttigt werden muß.
2. Blausaͤure-Bad.
Nachdem das Stuͤk Tuch wieder auf die Winde genommen worden ist, wiegt
man eine Quantitaͤt Schwefelsaͤure von 66° ab, welche
derjenigen des angewandten blausauren Kalis gleich ist, naͤmlich 850
Gramm. dieser Saͤure. Man verduͤnnt sie mit drei oder vier Mal
ihrem Raume Wasser, und gießt ungefaͤhr 1/3 von diesem Gemenge in das
blausaure Kali-Bad; man ruͤhrt sorgfaͤltig um. Die
Schwefelsaͤure, auf allen Punkten der fluͤssigen Masse
verbreitet, bewirkt die Zersezung eines Theiles des blausauren Salzes,
welches darin aufgeloͤst ist; die Blausaͤure wird frei:
alsdann faͤngt man an das Stuͤk Tuch zu bewegen; das freie
Eisenoxyd, womit es verbunden ist, absorbirt die Blausaͤure, welche
durch die Schwefelsaͤure in Freiheit gesezt wurde.
Man treibt so das Tuch eine Viertelstunde lang und windet es dann auf, um in
das Bad ein anderes Drittel dieser 850 Gramm. Schwefelsaͤure zu
gießen; man ruͤhrt die Fluͤssigkeit wie vorher um und windet
das Tuch nochmals 15 Minuten lang. Endlich windet man es zum dritten Mal
auf, um in das Bad die noch uͤbrige Schwefelsaͤure zu bringen.
Nachdem man die Fluͤssigkeit umgeruͤhrt hat, bringt man das
Tuch wieder hinein; und wenn es einige Augenblike lang gewunden worden ist,
taucht man es ganz in das Bad, worin man es eine ganze halbe Stunde lang
lassen kann, ohne es zu bewegen. Nach Verlauf dieser Zeit bringt man es
wieder auf die Winde und erst dann muß man das Bad wieder erhizen, indem man
dafuͤr sorgt, daß die Temperatur nur allmaͤhlich
erhoͤht wird. Wenn es einigemal aufgewallt ist, windet man das Tuch
wieder auf und reinigt es in fließendem Wasser.
Die Vorsichtsmaßregeln, welche wir so eben angegeben haben, koͤnnen
kleinlich scheinen; alle sind jedoch unumgaͤnglich noͤthig.
Wenn man z.B. die Schwefelsaͤure zwar theilweise zusezt, aber das Bad
sogleich anfangs stark erhizt, so wird die Farbe nicht durchdringen; wenn man hingegen das Bad lauwarm gibt, wie wir es
empfohlen haben, aber die Saͤure nicht theilweise anwendet, so wird
die Farbe noch weniger durchdringen. Die Blausaͤure wird gleichsam an
der Oberflaͤche des Stoffes befestigt zu seyn scheinen, die allein
eine schoͤne blaue Farbe annehmen wird, waͤhrend der Lauf des
Tuches nur eine gruͤnlichblaue Farbe wegen des unvollkommen mit
Blausaͤure gesaͤttigten Eisenoxydes zeigen wird.
Diese Methode, das Blaubad beinahe kalt zu geben und die
Schwefelsaͤure theilweise anzuwenden, bietet noch einen anderen
Vortheil dar, welcher nicht weniger schaͤzbar ist, als eine das Tuch
ganz durchdringende Farbe, daß man naͤmlich alle angewandte
Blausaͤure benuͤzen kann. Wenn man in der Waͤrme
arbeitet, zeigt der sehr starke Geruch nach bittern Mandeln, welcher sich in
der Luft verbreitet, deutlich genug, daß ein betraͤchtlicher Theil
dieser Saͤure verloren geht, deren Fluͤchtigkeit in der That
sehr groß ist, weil sie bei 26° C. kocht. Man kann sich
uͤbrigens durch einen leicht anzustellenden Versuch
uͤberzeugen, daß man viel mehr Blausaͤure, als wir angegeben
haben, braucht, wenn man das Bad von dieser Saͤure mit einem Wasser
bereitet, welches 80 bis 90° C. (64 bis 72° R.) zeigt, wie es
die meisten Seidenfaͤrber thun. Sie wenden in der That blausaures
Kali in dem Verhaͤltnis von 20 bis 25 Procent von dem Gewicht der
Seide, die sie Raymondblau faͤrben wollen an; waͤhrend die
Haͤlfte von dieser Quantitaͤt mehr als hinreichend
waͤre, wenn sie bei einer angemesseneren Temperatur arbeiten
wuͤrden.
Es ist um so wichtiger., daß man dieses Bad auf eine oͤkonomische
Weise bereitet und anwendet, weil es allein fast zwei Drittel der Kosten des
Faͤrbens mit Berlinerblau in Anspruch nimmt, wie man dieses aus der
Berechnung ersehen wird, die wir spaͤter anstellen werden.
Wenn man an Statt eines einzigen Stuͤkes Tuch eine gewisse Anzahl
durch das Blaubad nehmen muͤßte, wuͤrde man ganz nach der von
uns so eben auseinandergesezten Methode verfahren; man naͤht
naͤmlich die Stuͤke der Reihe nach an einander und bringt sie
zuerst in das
blausaure Kali und dann in die Blausaͤure. Wenn diese Stuͤke
verschiedene Nuͤancen erhalten sollen, so aͤndert dieß in dem
Verfahren wenig ab; man braucht nur darauf zu merken, daß man in diesem
Falle eine Quantitaͤt blausaures Kali anwendet, die der
Intensitaͤt der verschiedenen Nuͤancen, welche man erhalten
will, angemessen ist.
Es ist sehr schwer das Verhaͤltniß des blausauren Kalis festzustellen,
welches fuͤr diese oder jene Nuͤance noͤthig ist, weil
es fast unmoͤglich ist jede der zahlreichen Nuͤancen, die man
zwischen dem hellsten Blau und dem Schwarzblau erhalten kann, genau zu
bestimmen. Wenn man aber annimmt, daß alle diese Nuͤancen sich auf
fuͤnf gleichweit von einander abstehende reduciren, so wird man in
der folgenden Tabelle die Menge des blausauren Kalis finden, welches jede
derselben erfordert.
Gewicht des Tuches
oder
der Flokwolle.
Nuͤance,welche
man erhaͤlt.
Gewichtdes
blausauren Kalis.
Kilogr.
1.
1) Schwarzblau (bleu
d'enfer).
100 GrammMan vergleiche die 18. Anmerk.
S. 48.A. d.
R.
–
–
2) Persischblau (bleu-pers.)
85 –
–
–
3) Tuͤrkischblau (bleu-turquin).
65 –
–
–
4) Himmelblau.
40 –
–
–
5) Hellblau (bleu
naissant.)
15 –
Sollte eine der zu faͤrbenden Nuͤancen nicht vollkommen in die
so eben angefuͤhrten einschlagen, so wird sie sich doch immer mehr
oder weniger einer derselben naͤhern, und man wird leicht
annaͤhernd schaͤzen koͤnnen, wieviel man zu der in der
Tabelle angefuͤhrten Quantitaͤt des blausauren Kalis hinzuthun
oder davon wegnehmen muß. Was die Schwefelsaͤure betrifft, welche man
theilweise hineingießt, um die Blausaͤure zu entwikeln, so muß ihre
Menge immer derjenigen des blausauren Kalis gleich seyn. Nach den
stoͤchiometrischen Tabellen waͤre kein so großes
Verhaͤltniß von Schwefelsaͤure noͤthig, um ein
gegebenes Gewicht blausaures Kali zu saͤttigen; aber ich fand durch
eine große Anzahl von Versuchen, daß das Verhaͤltniß von 50 Procent,
welches sie angeben, sehr unzureichend ist, weil in diesem Falle immer
unzerseztes blausaures Kali zuruͤkbleibt. Es ist moͤglich, daß
die Schwefelsaͤure, indem sie sich mit der Basis des blausauren Kalis
verbindet, an Statt nur ein neutrales schwefelsaures Salz zu bilden, wie wir
bei der Berechnung vorausgesezt haben, im Gegentheil ein saures
schwefelsaures Salz erzeugt, welches bekanntlich zwei Mal so viel
Saͤure enthaͤlt. Bei dieser Hypothese wuͤrden die
Praxis und die Theorie vollkommen uͤbereinstimmen. Dazu kommt noch,
daß es zwekmaͤßig ist, wenn das Bad gegen das Ende der Operation
schwach sauer ist, wo es, wie wir bemerkt haben, ins Kochen gebracht werden
muß. Dieser schwache Saͤureuͤberschuß schuͤzt die blaue
Farbe gegen die zerstoͤrende Wirkung, welche das kochende Wasser auf
sie ausuͤben wuͤrde; denn kochendes Wasser allein zersezt das auf einen Stoff befestigte
Berlinerblau vollstaͤndig; und laͤßt darauf nur Eisenoxyd
zuruͤck.
Zwischen das Blau-Bad, wovon wir so eben gesprochen haben und das
Avivir-Bad, wovon wir bald sprechen werden, kommt noch eine Operation
zu stehen, welche, obgleich sie gleichsam nur eine mechanische ist, dennoch
fuͤr die Soliditaͤt der blauen Farbe unumgaͤnglich
noͤthig ist. Diese Operation besteht darin, das Tuch in einer kalten
Seifen -Aufloͤsung zu walken; leztere Aufloͤsung muß
hinreichend concentrirt seyn (ungefaͤhr 1/2 Kil. Seife auf 10 Liter
Wasser): man kann dazu die Seife gebrauchen, welche man mit den
Wollabfaͤllen fabricirt und deren Preis außerordentlich gering ist.
Sie dient dazu die Reinigung des Tuches von denjenigen
Berlinerblau-Theilen, welche nur mechanisch in demselben vorhanden
sind, zu erleichtern. Es bleibt um so mehr Berlinerblau mechanisch in dem
Tuche zuruͤk, je unvollkommener es nach dem Rostbad ausgewaschen
worden ist. Man braucht sich nur daran zu erinnern, daß das
kaͤufliche blausaure Kali eine gewisse Menge Eisen enthaͤlt,
um einzusehen, daß sich eine gewisse Menge mit dem Stoffe nicht verbundenes
Berlinerblau bilden wird, welches man durch Reiben daraus absondern
kann.
Wenn das Tuch in der Seifenaufloͤsung eine Viertelstunde oder zwanzig
Minuten lang gewalkt wurde, welche Zeit mir zum Spuͤlen desselben
hinreichend schien, laͤßt man in den Walkstok so lange einen Strom
frisches Wasser laufen, bis es recht klar ablaͤuft. Man schreitet
dann zum Schoͤnen der Farbe.
Zweite Abtheilung.Schoͤnen.
Da diese Operation nach der Intensitaͤt der blauen Farbe verschieden geleitet
werden muß, so wollen wir diesen Theil des Verfahrens in zwei Paragraphen abtheilen,
worin wir nach einander 1) vom Schoͤnen des Dunkelblau, unter welcher Benennung wir alle blauen Nuͤancen
uͤber dem Himmelblau begreifen; und 2) vom Schoͤnen des Hellblau
handeln werden.
§. 1. Schoͤnen des
Dunkelblau.
Das Bad, worin man die dunkelblauen Tuͤcher schoͤnen muß, ist ganz
dasselbe, welches man zum Schoͤnen des Raymond-Blau auf Seide
anwendet. Es wird mit kaltem Wasser bereitet (man kann sich der zum
Blau-Bad bestimmten Kufe hiezu bedienen), in welches man genau
ungefaͤhr 1/300 fluͤssiges Aezammoniak mischtMan erhaͤlt das fluͤßige Aezammoniak in den
Berlinerblau- und den meisten chemischen Fabriken sehr billig.
Eben so ist es in den Apotheken vorraͤthig zu haben.A. d. R.. Dieses Verhaͤltniß schien mir das fuͤr die meisten blauen
Nuͤancen geeignetste; da man jedoch oft ein mehr oder weniger starkes
Schoͤnen, naͤmlich einen mehr oder weniger auffallenden Stich ins
Rothe, wuͤnschen mag, so darf das von uns angegebene Verhaͤltniß
von Ammoniak nicht als unabaͤnderlich betrachtet werden. Man wird es nach
Belieben vermehren oder vermindern koͤnnen, nach dem Grade der Violettirung, die man zu erhalten wuͤnscht. In
allen Faͤllen wird man klug handeln, wenn man in das
Schoͤnungs-Bad, welches man bereitet hat, einige Augenblike ein
Muster von dem Blau taucht, welches man schoͤnen will und es darin zu
wiederholten Malen ausdruͤkt, damit die Roͤthung schneller bis zum
Mittelpunkt des Stoffes durchdringt. Man wird aus der Farbe, welche dieses
Muster annimmt, leicht erkennen, ob das Schoͤnungs-Bad
gehoͤrig zubereitet ist.
Nach diesem Versuche wird man das Tuch in das Bad werfen und fuͤnf und
zwanzig, bis dreißig Minuten lang haspeln. Die Farbe wird schnell ihr Aussehen
veraͤndern. Diese Veraͤnderung braucht jedoch nicht zu schleunig,
einzutreten, denn dieses waͤre ein Zeichen, daß das Bad mit zuviel
Ammoniak versezt worden ist; das Blau darf den Stich ins Rothe, welcher ihm
noͤthig ist, erst nach zehn bis fuͤnfzehn Minuten annehmenIst diese Wirkung, welche das fluͤchtige Alkali auf das
Berlinerblau aͤußert, das Resultat einer Verbindung und wird das
blausaure Eisen ein blausaures Doppelsalz von Eisen und Ammoniak? Diese
Meinung ist vielleicht nicht unwahrscheinlich. Man muͤßte dann
auch eine analoge Verbindung zwischen Eisenoxyd und Ammoniak annehmen,
worin ersteres die Rolle der Saͤure spielen wuͤrde, denn
das Ammoniak wirkt auf das Eisenoxyd allein eben so, wie auf das
Berlinerblau: nimmt man naͤmlich ein Tuchmuster aus dem Rostbad
und taucht es in verduͤnntes Ammoniak, so nimmt es eine
Orangefarbe an, welche an der Luft bleibt und die um so deutlicher ist,
je dunkler die Rostfarbe ist: dieses scheint in der That anzuzeigen, daß
das Ammoniak mit dem Eisenoxyd chemisch verbunden ist.A. d. O..
Nach diesem Schoͤnungs-Bade kann das Tuch auf den Rahmen gespannt
und getroknet werden. Es ist sogar unnuͤz, es auszuwaschen, weil das nicht gebundene
fluͤchtige Alkali, welches es aus dem Bade mit sich ziehen kann, schnell
verdunstet.
Bisweilen geschieht es jedoch, daß wenn das Schoͤnungs-Bad
uͤberschuͤssiges. Alkali enthaͤlt, die blaue Farbe darin
einen zu starken Stich ins Violette annimmt; man hilft diesem Umstande sehr
leicht ab, wenn man das Tuch durch kaltes, sehr schwach mit Salzsaͤure
angesaͤuertes Wasser nimmt. Die Saͤuerlichkeit dieses Bades muß so
schwach seyn, daß das Lakmuspapier sie kaum anzeigen kann. Sollte sie merklicher
seyn, so wuͤrde das Blau darin zu viel von seiner Roͤthe
verlieren, und man waͤre genoͤthigt, es neuerdings zu
schoͤnen.
Die Seidenfaͤrber, welche dasselbe Mittel anwenden, behaupten, daß ein so
niederhergestelltes Raymond-Blau durch Luft und Sonne weniger
veraͤndert wird; sie uͤberschreiten auch absichtlich das
Schoͤnen des Blatt, um Gelegenheit zu haben, es in dem sauren Bade wieder
zu verbessern. Ich habe an der Wolle nicht dieselbe Wirkung wahrnehmen
koͤnnen; es schien mir in Bezug auf die Soliditaͤt der Farbe
gleichguͤltig, ob sie durch eine Saͤure wieder verbessert oder
unmittelbar nach dem ammoniakalischen Bade getroknet wurde; was ich aber zu
beobachten glaubte ist, daß wenn dieses saure Bad die Farbe nicht solider an der
Luft macht, in welcher Beziehung sie nichts zu wuͤnschen uͤbrig zu
lassen scheint, es wenigstens den Vortheil hat ihr mehr Reinheit und Reflect zu
geben. Die Fabrikanten, deren Auge geuͤbter ist, werden entscheiden, ob
meine Beobachtung genau ist, und ob man hierin die Seidenfaͤrber mit
Nuzen nachahmt, indem man zuerst den Roͤthungspunkt, welchen man sucht,
uͤberschreitet, um ihn alsdann durch ein saures Bad wieder
zuruͤkzufuͤhren.
§. 2. Schoͤnen der
hellblauen Tuͤcher.
Wir wollen annehmen, ein himmelblaues Stuͤck Tuch komme aus dem
Blausaͤure-Bade: nachdem man es mit kalter Seife gewalkt hat, wie
wir es fuͤr das Dunkelblau angegeben haben, fuͤllt man eine
hoͤlzerne Kufe mit Quellwasser und gießt auf jedes Liter Wasser ein
Gemenge von
5
Gramm.
Schwefelsaͤure von 66°,
5
–
rothem Weinstein,
10
–
Quellwasser
hinein. Nachdem das Bad umgeruͤhrt worden ist,
erhizt man es bis es zu wallen anfaͤngt. Man wirft alsdann das Tuch auf
die Winde und windet es zwoͤlf bis funfzehn Minuten lang in dem Bade,
welches man im Sieden erhaͤlt. Nach dieser Zeit muß das Tuch
herausgenommen und in fließendem Wasser ausgewaschen werden. Man kann es sodann
auf den Rahmen spannen und troknen.
Man ersieht aus dem Gemenge, woraus dieses Schoͤnungsbad besteht, daß wir hier
Weinsteinsaͤure anwenden. Wir haben vorher einen der Gruͤnde
angefuͤhrt, weßwegen sie vor jeder anderen Saͤure den Vorzug hat;
sie verdient ihn aber schon deßwegen, weil sie abgesehen von ihrer guten Wirkung
auf die Wolle, dem Hellblau mehr Glanz und Reinheit als die
Mineralsaͤuren ertheilt.
Nur die Erfahrung kann uͤbrigens die Wollenfaͤrber lehren, bei
welcher Nuͤance sie gerade die Schoͤnung mit Saͤure
aufgeben und sie durch eine alkalische ersezen muͤssen. Man wuͤrde
sich aber taͤuschen, wenn man glauben wuͤrde, in allen
Faͤllen die saure Schoͤnung durch die alkalische und umgekehrt
ersezen zu koͤnnen. Das Schoͤnen mit Saͤure gibt zwar der
Farbe eine gewisse Violettirung; aber dieser Stich
ins Purpurpoth, welcher fuͤr das Hellblau hinreichend ist, ist nicht
intensiv genug, um bei dem Dunkelblau gehoͤrig in die Augen zu fallen. Um
uͤbrigens ohne Beihuͤlfe von Ammoniak ein sehr dunkles Blau zu
erhalten, muß man die Tuͤcher viel mehr mit Eisenoxyd uͤberladen,
was nur durch ein mehr oder weniger langes Kochen in dem Rostbad geschehen kann,
und dieses Kochen, wenn es zu lange dauert, schwaͤcht endlich die
Wollenfaser. Ferner braucht man, um so hohe Rostgruͤnde zu deken, eine
sehr große Menge Blausaͤure, wodurch die Auslagen bei dieser Art zu
faͤrben viel betraͤchtlicher werden. Das Schoͤnen mit
Saͤure moͤchte also fuͤr Dunkelblau nicht empfehlenswerth
seyn. Das Schoͤnen mit Alkalien ist fuͤr das Hellblau nicht
zwekmaͤßiger, weil es ihm ein grauliches Aussehen ertheilt, das ihm
sowohl seinen Glanz, als auch seine Reinheit benimmt.
Man wird vielleicht finden, daß wir mit uns selbst in Widerspruch sind, indem wir
die Saͤuren als ein Mittel angeben, um die Farbe des Berlinerblau zu
schoͤnen, nachdem wir den Rath gaben, sie zum Enthuͤllen derselben
Farbe zu benuͤzen, wenn sie durch Ammoniak zu stark geroͤthet
wurde. Wir wollen in dieser Hinsicht bemerken, daß die Saͤuren die Farbe
des auf einen Stoff befestigten Berlinerblaues schonen, so oft diese Farbe nicht
schon durch ein maͤchtigeres Agens geschoͤnt wurde, aber daß,
sobald sie staͤrker geroͤthet wurde, als die Saͤuren dieses
zu thun vermoͤgen, leztere sie nur auf diejenige Nuͤance
zuruͤkzufuͤhren vermoͤgen, welche sie ihr selbst ertheilt
haben wuͤrden.
Ehe wir diesen Gegenstand verlassen, wollen wir noch eine Bemerkung machen,
naͤmlich daß es ein großer Nachtheil waͤre, wenn man zum
Schoͤnen des Hellblau eine zu concentrirte Saͤure anwenden oder
das Tuch, welches man schoͤnen will, darin zu lange kochen lassen wollte.
In der That wuͤrde sich das Berlinerblau in dem einen wie in dem anderen
Falle, besonders aber in dem ersteren, ohne jedoch das Bad zu truͤben, von dem Stoffe
losreißen, und lezterer auf einer weißen Leinwand gerieben, darauf sehr
merkliche weiße Fleken zuruͤklassen. Man muß sich also streng an die
Verhaͤltnisse halten, welche wir fuͤr die Bereitung des
Schoͤnungsmittels fuͤr das Hellblau vorgeschrieben haben.
Nachdem wir nun das Verfahren, nach welchem man die wollenen Gewebe mit
Berlinerblau faͤrben kann, umstaͤndlich beschrieben haben,
brauchen wir nur noch Einiges uͤber die Anwendung dieses Verfahrens zum
Farben der Flokwolle zu sagen. Diese Wolle muß fuͤr's Erste vollkommen
entfettet werden, denn ohnedieß wuͤrde sie keine gleichfoͤrmige
Farbe im Rostbade annehmen. Die Zubereitung und Anwendung dieses Bades sind
fuͤr die Flokwolle ganz dieselben wie fuͤr die Zeuge;
uͤbrigens zeigt uns schon die Natur dieses Bades, welches eine große
Menge Weinsteinsaͤure enthaͤlt, und die bekannte Eigenschaft
dieser Saͤure, zum Filzen zu disponiren, daß man es moͤglichst
vermeiden muß, die Wolle darin umzuruͤhren; man muß also sorgen, daß sie
darin gewisser Maßen wenig gedruͤkt ist.
Wie die Flokwolle in fließendem Wasser ausgewaschen wird, ist bekannt; und ich
halte es also fuͤr unnuͤz, in irgend ein Detail uͤber
diesen Gegenstand einzugehen. Ich werde bloß bemerken, daß man dieses Auswaschen
nicht sorgfaͤltig genug vornehmen kann, es sey nun nach dem
Rost-Bade oder nach dem Blau-Bade. Lezteres wird wie fuͤr
die Tuͤcher bereitet; man erinnert sich, daß wir es vorgezogen haben, die
zur Entbindung der Blausaͤure bestimmte Schwefelsaͤure
portionenweise anzuwenden, eine Vorsicht, die zum Zwek hatte, sich des
voͤlligen Durchdringens der Farbe zu versichern; natuͤrlich wird
dieses fuͤr die Flokwolle unnuͤz; man nimmt sie daher auch,
nachdem man sie das blausaure Kali hat passiren lassen, nur einmal heraus, um in
das Bad alle zur Zersezung des blausauren Salzes noͤthige
Schwefelsaͤure zu schuͤtten. Wenn die Wolle aus dem
Blau-Bade herauskommt, darf sie nicht wie das Tuch gewalkt werden,
welches unmoͤglich ist, sondern muß unmittelbar in die Fabrik gebracht
und gekrempelt, gesponnen und gewoben werden; das Oehl, womit man sie zum
Spinnen impraͤgnirt, aͤndert die blaue Farbe keineswegs. Nach dem
Noppen muß der Zeug in der Walke bearbeitet werden, damit er darin entfettet und
von den nicht mit ihm verbundenen Berlinerblautheilen, die er aus dem
Blau-Bade mitgenommen hat, gereinigt zu werden. Zur Walke kann man sich
des Urins, oder besser noch der kalten Seife bedienen. Die Seife ist dem
gefaulten Urin deßwegen vorzuziehen, weil lezterer durch das Ammoniak, welches
er enthaͤlt, die blaue Farbe schoͤnt, und dieses Schoͤnen
oft sehr ungleich geschieht.
Wenn der Zeug gehoͤrig entfettet ist, schert
man ihn und erst nach dem Scheren muß man ihn in das
alkalische oder saure Schoͤnungsbad bringen, je nachdem es die
Intensitaͤt der blauen Nuͤance vertragen wird.
Wollte man endlich mit Berlinerblau gefaͤrbte Wolle in sogenannte
gemischte Tuͤcher einweben, so sieht man leicht ein, daß die Farben,
womit man sie zu vereinigen wuͤnschte, durch das alkalische oder saure
Schoͤnungsmittel nicht afficirt werden duͤrften, weil der Zeug
erst nach dem Walken und Scheren durch lezteres
genommen werden kann.
Nachdem ich nun angegeben habe, wie man den Indigo durch Berlinerblau sowohl bei
dem Faͤrben der gewobenen als auch der Flokwolle ersezen kann, bleibt mir
noch zu untersuchen uͤbrig, ob dieses neue Verfahren, welches außer einer
groͤßeren Schoͤnheit der hellblauen Nuͤancen, dem
Faͤrber auch noch den Vortheil darbietet, mit bloßen Tuchstuͤken
arbeiten zu koͤnnen, ein Vortheil, welchen der Indigo nicht hatBekanntlich ist das Stuͤkweise mit Indigo gefaͤrbte Tuch
von der Farbe nie ganz durchdrungen, und bleicht sehr schnell auf den
Naͤhten. A. d. O., ob dieses Verfahren, sage ich, denjenigen welche es ausuͤben
wollen, auch einigen Gewinn verspricht. Wir wollen deßwegen die Kosten
berechnen, welche das Faͤrben von 1 Kilogr. Tuch oder Wolle, von einer
gegebenen Nuͤance, z.B. von Reinblau, veranlassen wird.
Wir wollen zuerst den Preis des Rostbades ausmitteln: unsere Versuche lehren, daß
260 Kilogr. Eisenvitriol auf die von uns angegebene Weise in
weinstein-schwefelsaures Eisenoxyd umgeaͤndert, und mit einer
hinreichenden Menge Wassers verduͤnnt, ungefaͤhr 40,000 Liter
einer + 1/2° am Araͤometer wiegenden Fluͤssigkeit geben.
Nun kosten diese 40,000 Liter:
Eisenvitriol,
260 Kil.;
100
Kil.
Zu
20
Fr.
gibt
52
Fr.;
Schwefelsaͤure,
65 –
–
–
–
30
Fr.
–
20
–
Salpetersaͤure,
65 –
–
–
–
200
Fr.
–
130
–
Rother Weinstei,
150 –
–
–
–
120
Fr.
–
180
–
Schwefelsaͤure,
65 –
–
–
–
30
Fr.
–
20
–
––––––
402
Fr.;
vierhundert und zwei Franken, was
beinahe 1/100 Frank auf das Liter betraͤgt. Man braucht 10
Liter von dieser Fluͤssigkeit, um 1 Kil. Tuch oder Wolle den
Grund zu geben (wenn man bedenkt, daß wenn man das Rostbad zum
Theil erneuert, man sich dessen zu sehr vielen Operationen
bedienen kann, so wird man uͤberzeugt bleiben, daß unsere
Schaͤzung die wirklichen Ausgaben noch uͤbersteigt),
so hat man als Kosten dieses ersten Bades fuͤr 1 Kil.
Wolle
0,10 Fr.
Wir haben gesehen, daß man außerdem noch,
unddieses ist die groͤßte Ausgabe, 85 Gr. blausaures
Kalinoͤthig hat, was das Kil. zu 8 Fr.Lange Zeit war sein Curs im Handel
5 bis 3 1/2 Fr. das Kilogr. Es ist nur deßwegen theurer
geworden, weil die Consumtion dieses Salzes betraͤchtlich
abgenommen hat, seitdem das Raymondblau auf Seide aus der Mode
gekommen ist und mehrere Fabriken deßwegen aufgehoͤrt
haben, solches in den Handel zu bringen. Hoͤchst
wahrscheinlich wuͤrde es wieder auf seinen vorigen Curs
zuruͤkkommen, wenn continuirlich große Bestellungen
dieser Fabrikation einen neuen Schwung geben wuͤrden.A. d. O. gerechnet,
betraͤgt
0,68 Fr.
Wir wollen annehmen, das
Schoͤnungsbad und dasWalken mit Seife kosten zusammen
fuͤr das Kil.
0,20 Fr.
Endlich wollen wir voraussezen, um ja
nicht zu weniganzurechnen, das Brennmaterial, die Handarbeit
undandere Kosten betruͤgen
0,52 Fr.
So werden wir fuͤr
saͤmmtliche Auslagen, um einKil. Tuch persischblau mittelst
Berlinerblau zu faͤrben,die Summe von
1,50 Fr.
anderthalb Franken haben, was nicht halb so viel ist, als
dieselbe Farbe, mit Indigo gefaͤrbt, kosten wuͤrde. Was die
uͤbrigen blauen Nuͤancen betrifft, so werden sich die Kosten
ziemlich in demselben Verhaͤltniß, wie ihre Intensitaͤt vermehren
oder vermindern.
Schluß.
Das von mir in Vorschlag gebrachte Verfahren besteht also aus zwei eigentlichen
Faͤrbe-Operationen, naͤmlich 1) dem Rostbade, welches nie
weniger als + 1/2° am Araͤometer wiegen darf, und welches man kalt,
lauwarm oder kochend gibt, je nachdem die blaue Nuͤance, welche man erhalten
will, mehr oder weniger dunkel ist; 2) dem Blau-Bade, welches in zwei Theile
zerfaͤllt; der erste besteht darin, die Tuͤcher oder die Wolle durch
eine lauwarme Aufloͤsung von blausaurem Kali hindurchzunehmen; der zweite hat
zum Zwek, das Eisenoxyd vollstaͤndig mit Blausaͤure zu
saͤttigen, deren Aufloͤsung anfangs lauwarm, allmaͤhlich bis
zum Kochen erhizt werden muß. Auf diese beiden Hauptoperationen, durch welche der
Faͤrbestoff auf eine solide Weise auf die Wolle befestigt wird, folgt das
Walken mit Seife, wodurch der Wollenzeug von den Berlinerblautheilen gereinigt
werden soll, welche nur mechanisch in ihm vorhanden sind. Auf diese Operation folgt
endlich das Schoͤnen, welches fuͤr Dunkelblau, sich gewoͤhnlich
auf ein kaltes Bad von ammoniakalischem Wasser beschraͤnkt, und fuͤr
die hellen Nuͤancen, auf ein kochendes Bad mit Weinsteinsaͤure. Auf
jede dieser Operationen, naͤmlich das Rost-Bad, das Blau-Bad,
und bisweilen auch auf das Schoͤnungs-Bad, muß ein Auswaschen in
fließendem Wasser folgen.
Dieses ist mit wenigen Worten der Inhalt des Vorhergehenden. Dieses
Faͤrbeverfahren ist zwar weniger einfach, als dasjenige, welches man bei dem
Indigo befolgt, wenn man aber an die bestaͤndigen und kleinlichen Sorgen
denkt, welche die Unterhaltung einer Waidkuͤpe erheischt, an die
haͤufigen Krankheiten, denen sie ausgesezt ist, und welche oft die
geschiktesten Faͤrber irre fuͤhren; wenn man andererseits die geringen
Kosten des Faͤrbens mit Berlinerblau in Anschlag bringen will; wenn man auch
die große Schoͤnheit der hellen Nuͤancen beruͤcksichtigt,
welchen sich der Indigo nicht naͤhern kann, so wird man es vielleicht nicht
fuͤr zu gewagt halten, wenn ich die Hoffnung hege, das Berlinerblau werde
dereinst ganz den Indigo in unseren Tuchmanufakturen ersezenMan kann das Berlinerblau sehr gut beim Schwarzfaͤrben der
Tuͤcher anwenden: zu diesem Ende gibt man zuerst das Rostbad mit dem
weinstein-schwefelsauren Eisen, hierauf das Bad mit Gallus und Wau
und zulezt das Blausaͤure-Bad. Man wird es ohne Zweifel mit
der Zeit noch dahin bringen, daß man dem auf die Wolle befestigten
chromsauren Blei (was mir noch nicht gelang)
Glanz ertheilt, und dann wird uns nichts mehr verhindern, ein
schoͤneres und solideres Gruͤn darzustellen, als man mit Wau
und Indigo nicht erhaͤlt. A. d. O.. Ohne Zweifel wird eine solche Revolution nicht schnell eintreten. Die
Routine faßt tiefe Wurzeln, welche nur Zeit und Erfahrung auszurotten
vermoͤgen. Die Consumenten blauer Tuͤcher werden noch lange Zeit das
Berlinerblau so pruͤfen wollen, wie sie den Indigo pruͤfen, in der
Ueberzeugung das Blau sey nicht gut gefaͤrbt, wenn es nicht der concentrirten
Schwefelsaͤure widersteht. Man wird Muͤhe haben, ihnen begreiflich zu
machen, daß eine Farbe auf Tuch nur dem Wasser, der Luft, der Sonne und dem Reiben
zu widerstehen noͤthig hat, um eben so brauchbar zu seyn, wie diejenige,
welche durch eine concentrirte Saͤure oder ein caustisches Alkali nicht
angegriffen wird, weil die Tuͤcher nie anders als zufaͤllig solchen
Proben ausgesezt werden.
Indeß haben die Wissenschaften, indem sie sich in Frankreich – Dank sey es dem
Eifer und den Bemuͤhungen der gelehrten Gesellschaften – gewisser
Maßen popularisiren, allenthalben den Geschmak an Untersuchungen und Verbesserungen
verbreitet, so daß man heut zu Tage die Industrie nur aufmerksam zu machen braucht,
damit sie sich beeilt, die Entdekungen, welche man ihr bezeichnet, zu
benuͤzen.
Das Verfahren, welches ich hiemit in Vorschlag bringe, hat, wie ich gestehen muß,
kein großes Erfindungs-Verdienst; es fußt aus dasjenige meines Vaters,
welchem die Ehre davon mehr als mir gebuͤhrt, weil er allein den
einzuschlagenden Gang vorgezeichnet hat, indem er zuerst zeigte, wie man
Berlinerblau von allen Nuͤancen auf den Garnen oder Geweben, womit man es
verbinden will, hervorbringen kann. Dessenungeachtet, und so gering auch der Antheil
der Ehre, welcher mir
wird beigelegt werden koͤnnen, seyn mag, werde ich mich dennoch
gluͤklich schaͤzen, wenn es mir durch die Ausdauer bei meinen
schwierigen Untersuchungen gelungen ist, eine der glaͤnzendsten Entdekungen
zu ergaͤnzen, welche in der neueren Zeit in der Faͤrberei gemacht
wurden, und so meinen schwachen Tribut meinem Vaterlande zu bezahlen, indem ich dazu
beitrug, es von der Steuer zu befreien, die es den Fremden fuͤr die
Einfuͤhrung einer auslaͤndischen Substanz bezahlt.