Titel: | Ueber die langwolligen englischen Schafe. Von den HHrn. Hennet und Comp. |
Fundstelle: | Band 28, Jahrgang 1828, Nr. LX., S. 230 |
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LX.
Ueber die langwolligen englischen Schafe. Von den
HHrn. Hennet und Comp.137)
Aus dem Recueil Industriel Jan. 1828 S.
7.
Hennet, uͤber die langwolligen englischen
Schafe.
Der Zwek dieses Aufsazes ist die Besizer langwolliger
englischer Schafe auf dasjenige aufmerksam zu machen, was zum Gedeihen dieser Thiere
unerlaͤßlich ist. Wir sagen hier nur das, was wir auf unseren Reisen nach
England sahen, und was eine dreijaͤhrige Erfahrung seit der Einfuhr dieser
Thiere in Frankreich bei der Anzucht derselben uns lehrte.
Die englischen Schafe vertragen, so wie die spanischen, nicht jede Lage und nicht
jede Weide. Wenn diese grasreich, etwas feucht, und wenn das Futter kraͤftig
ist, so kann man sicher seyn, daß die englische langwollige Rasse in dieser Lage
gedeihen wird. Wenn aber auf sandigem oder kreideartigen Boden das Gras nur
duͤnn und kurz steht, wird man sie verlieren. Man muß unter feuchten
Gruͤnden nicht Suͤmpfe, Moraͤste, Moore verstehen, wo das
Wasser stehen bleibt: die englischen Schafe wuͤrden dort eben so, wie die
Merinos und unsere inlaͤndischen Schafe, unvermeidlich leberfaul werden.
Nach dem Beispiele der Englaͤnder ließen wir unsere Schafe immer in freier
Luft, zu jeder Jahres-Zeit und bei jeder Witterung. Wir hielten sie auf
umzaͤunten, mit Baͤumen bepflanzten Wiesen. Unsere Nachbarn waren
hieruͤber sehr erstaunt. Indessen hatten unsere Schafe die sengende
Sommerhize eben so gut, wie die Kaͤlte im Winter uͤberstanden, ohne
daß ihre Gesundheit im Mindesten dadurch gelitten haͤtte, waͤhrend
mehrere unserer Nachbarn, die ihre langwolligen Schafe nach den alten
Schaͤfer-Regeln hielten, bedeutenden Verlust an diesen Thieren zu
ertragen, hatten.
Da indessen der Winter in Frankreich weit strenger ist, als in England, so
waͤre es gut, wenn man eine Art von Scheune fuͤr sie errichtete, unter
welcher sie Schuz suchen koͤnnten. Diese Scheune duͤrfte nur aus
Huͤrden bestehen, die hier und da mit Stroh geschuͤzt sind, um die
Thiere gegen den Nordwind zu sichern, den sie mehr, als die Kaͤlte selbst,
scheuen.
Diese Schafe muͤssen so, wie jedes andere Schaf, das gedeihen soll, nach ihrem
(„nicht nach des Schaͤfers“) Belieben weiden und
ruhen koͤnnen. Diese Freiheit gewaͤhrt ihnen das englische
Pferch-System, und dieses ist unerlaͤßig, wenn diese Thiere gedeihen
sollen. Sie fordern durchaus umzaͤunte Wiesen. Was diese Umzaͤunung
kostet, erspart man an den Hirten („und noch mehr an
Gruͤnden“), der Boden wird dadurch geduͤngt, und die
Herden sind gegen anstekende Krankheiten geschuͤzt.
Frei in der umschlossenen Weide scheut das englische Schaf den Thau138) nicht; da es nie hungerig wird, frißt es nichts, was ihm schaden
koͤnnte. Wenn man es aber im Schafstalle hielte, oder auf Ackern pferchte,
muͤßte man mit dem Austreiben warten, bis der Thau abgetroknet ist. Wenn man
diese Vorsicht vernachlaͤßigte, wuͤrde das Schaf gierig uͤber
das nasse Gras herfallen, und die Faͤule bekommen.
Es ist eine falsche Ansicht, die sich verbreitete, daß das englische Schaf mehr
Futter braucht, als das Schaf in Flandern, oder in der Picardie, indem die
englischen Schafe im Allgemeinen diker und schwerer sind. Die Leichtigkeit, mit
welcher diese Thiere fett werden, ruͤhrt, nach Hrn. Blakewell, von der Vollkommenheit ihres Baues, und von ihren feinen
Knochen her. Wir wollen hier noch beifuͤgen, daß die Ruhe und die Weise, wie man
diese Thiere auf ihrem Futter haͤlt, auch viel dazu beitraͤgt, sie bis
auf einen gewisse Grad fett zu erhalten. Unsere inlaͤndischen Schafe freßen
eben viel, als die langwolligen englischen, und wenn sie bei gleicher Futtermenge
weniger leibig werden, so ruͤhrt dieß von ihrem fehlerhafte Baue und von der
starken koͤrperlichen Bewegung her, die sie an ihren ermuͤdenden
Trieben machen muͤssen.
Widder. Die Verbesserung und Veredlung einer Herde
haͤng von der Auswahl der Widder ab.139) In England gilt kein Widder fuͤr gut, wenn er nicht bedeutend leibig
geworden ist. In Frankreich hingegen haͤlt man Widder, die zu fett geworden
sind, nicht zur Fortpflanzung geeignet. Dieß ist aber in Hinsicht auf die
gegenwaͤrtige Rasse ein Irrthum.
Die englischen Schafwirthe tragen das ganze Jahr uͤber die hoͤchste
Sorgfalt fuͤr ihre Widder. Sie geben ihnen die beste Weide, oder sie pferchen
sie auf Ruͤben-Feldern, und wenn es hieran fehlt, fuͤttern sie
sie mit Klee, gelben Ruͤben, Haber, Oehlkuchen etc. Man schert sie sechs
Wochen fruͤher, als die Schafe, damit ihr Fließ sie nicht hindert zuzunehmen.
Zur Sprungzeit wiegen sie gewoͤhnlich 180 bis 200 Pfund.
Um die Mutterschafe hizig zu machen, und die zum Sprunge auserlesenen Widder zu
schonen, laͤßt man gemeine Widder unter die Herde, die man aber am Bauche mit
einem Tuche umguͤrtet. Wenn dieß die gehoͤrige Wirkung bei den
Mutterschafen hervorgebracht hat, laͤßt man sodann die Spring-Widder
zu.140)
Um zu sehen, welche Mutterschafe besprungen worden sind, und welche nicht,
faͤrbt man Bauch und Brust der Widder mit einer leicht abgehenden
Wasserfarbe: die besprungenen Mutterschaft tragen dann das Merkmahl hiervon auf
ihrem Ruͤken. Man zeichnet die Sprung-Tage auf, und weiß auf diese
Weise genau, wann die Schafe laͤmmern werden.
Die Sprungzeit wahrt vom 25. September bis 10. October. Man laͤßt die Widder
bei den Schafen bis zum 30. November, wo man sie dann trennt.
Ein langwolliger Widder kann bei 100 bis 120 Mutterschafen dienen, und ist sieben bis
acht Jahre lang brauchbar.
Mutterschafe. Die englischen Mutterschafe sind sehr
fruchtbar; man rechnet so ziemlich allgemein zwei Laͤmmer auf zwei
Muͤtter.141)
Mutterschafe, die man zur Nachzucht bestimmt, muͤssen wohlgebaut seyn, und,
ohne daß sie fett sind, die gehoͤrige gesunde Leidigkeit besizen.
Einen Monat vor dem Laͤmmern gibt man den Mutterschafen reichlichere und
kraͤftigere Nahrung, um ihnen mehr Kraft und reichlichere Milch zu
verschaffen.
Die Schaͤfer muͤssen vor der Sprungzeit die Wolle am Schweife und
zwischen den Beinen an den Mutterschafen wegscheren, damit diese leichter besprungen
werden koͤnnen. Im Fruͤhjahre, wenn das Gras neu hervorsticht, muß,
der Reinlichkeit wegen, dieses Ausscheren wiederholt werden.
Die im October belegten Schafe sezen ihre Laͤmmer im Maͤrz ab.
Diejenigen, die dem Wurfe nahe sind, bringt man in der Naͤhe des Hauses unter
eine Schuppe, damit der Schaͤfer noͤthigen Falles bei der Hand ist.
Vier und zwanzig Stunden nach dem Wurfe fuͤhrt man die Muͤtter sammt
den Laͤmmern auf ein dazu hergerichtetes Ruͤben- oder
Rokenfeld.
Laͤmmer. Man hat bemerkt, daß Laͤmmer, die,
von ihrem Wurfe an, der Luft und der Kaͤlte ausgesezt sind, staͤrker
und kraͤftiger werden, als diejenigen, die man in der Schaͤferei aufzieht. Vielleicht
waͤre es jedoch in Frankreich, wegen der staͤrkeren Kaͤlte, und
des oft ploͤzlichen Wechsels der Witterung, besser, sie eine laͤngere
Zeit uͤber unter einer Schuppe zu halten.
In der zweiten oder dritten Woche verschneidet man die jungen maͤnnlichen
Laͤmmer, und haut ihnen den Schweif ab.142)
Im Julius oder August entwoͤhnt man die Laͤmmer.143)
Die jungen Laͤmmer werden im ersten Jahre nicht geschoren. Ihre Wolle, die
mehr Werth hat, als die der ausgewachsenen Schafe, wird dadurch desto laͤnger
und feiner. Die Fabrikanten suchen sie vorzuͤglich zur Kette, und die
Wollenhaͤndler mengen sie unter die Wolle der ausgewachsenen Schafe, um den
Preis der lezteren dadurch zu erhoͤhen.
Die Schur. Man waͤhlt einen der ersten
schoͤnen Tage des Junius, um die Schafe entweder in einem fließenden Wasser,
oder in Wasserbehaͤltern oder Kufen zu waschen. Man muß keine Seife zum
Waschen nehmen, die durch ihre laugenhaften Bestandtheile die Wolle verdirbt: es ist
genug, wenn man die Wolle mit der Hand reibt. Man schert zehn oder zwoͤlf
Tage nach diesem Waschen, nachdem die Wolle wieder den Glanz erhielt, den sie durch
das Waschen verlor. In der Zwischenzeit zwischen dem Waschen und dem Scheren
haͤlt man die Schafe auf den Wiesen, damit sie ihr Fließ nicht wieder
neuerdings beschmuzen.144)
Es geschieht haͤufig, daß die Scherer die Schafe aus Unachtsamkeit bei dem
Scheren mit der Schere verlezen. Um nun zu verhindern, daß die Fliegen nicht ihre
Eyer in die geschnittenen Wunden legen, bestreicht man dieselben mit einer Mischung
aus Theer und Fett.145)
Futter. Da Schafzucht die eintraͤglichste Quelle
eines englischen Pachtgutes ist, so bemuͤhen sich auch die englischen
Landwirthe vor Allem, ihren Schafen das ganze Jahr uͤber eine gesunde und
reichliche Nahrung zu verschaffen.
Sie bauen im Herbste einige Felder mit Roken, um die Mutterschafe und die
Laͤmmer im Maͤrz, April und Mai auf denselben zu weiden. Wenn wir
dieses Beispiel nicht befolgen, so werden wir nie schoͤne Laͤmmer
erhalten, und wir werden fortfahren unserem Lande eine Entartung zuzuschreiben, die
lediglich Folge unserer Nachlaͤßigkeit ist, oder Folge eines Fehlers in
unserer Wirthschaft. Man laͤßt auch in England die ersten Spizen der
Weizen-, Roken- und Haber-Felder abweiden, und baut unter das
Korn Klee, Luzernen etc., wodurch man nach der Ernte eine treffliche Weide
erhaͤlt. Dieses Futter foͤrdert den Wachsthum der Laͤmmer
ungemein, und ist auch den Mutterschafen sehr zutraͤglich, die im October
besprungen werden sollen.
Die Turnips, (Ruͤben) sind das Hauptfutter der englischen Schafe
waͤhrend des Winters.
Da unsere Besizer langwolliger Schafe diese Pflanze nicht entbehren koͤnnen,
so glauben wir dieselben mit der Weise bekannt machen zu muͤssen, nach
welcher man sie zu ziehen hat.
Man waͤhlt hierzu einen leichten Brachboden, an welchem die Erde
gleichfoͤrmig und zerreiblich ist, und bestellt so viel hiervon mit diesen
Ruͤben, als die Groͤße der Herde fordert, die man zu ernaͤhren
hat. Man pfluͤgt im Jaͤnner, und dann wieder im Maͤrz um,
duͤngt im Mai, und pfluͤgt den Duͤnger ein, und saͤet
hierauf mit voller Faust die Ruͤben aus, deren Samen man alsogleich leicht
einegt. Zwei Pfund Samen reichen auf einen Morgen (arpent) hin. Man behaut die Ruͤben zwei Mahl, und laͤßt
zwischen jeder Pflanze 6 bis 7 Zoll Raum. Es ist auch sehr gut, wenn man sie wieder
aufsticht.
Es geschieht nicht selten, daß die Ruͤbenfliege die Aussaat zerstoͤrt;
man muß in diesem Falle zum zweiten, auch zum dritten Mahle nach bauen, um der Ernte
sicher zu seyn, wenn sie von diesen verderblichen Insecten noch weiter bedroht
waͤre.
Wo es an Turnips fehlen sollte, koͤnnen Erdaͤpfel, Mangold,
Moͤhren mit Vortheil benuͤzt werden. Man rechnet gewoͤhnlich
einen Morgen Ruͤbenland auf fuͤnfzehn Schafe.
Man pfercht die Schaft auf demselben, oder man streut die Ruͤben auf die
Wiesen hin, und laͤßt sie dieselben im Freien freßen.
Man darf nicht vergessen, daß die englische Schaf-Rasse, so wie das Schaf
aller Laͤnder, Wechsel in der Weide liebt, selbst wenn die neue Weide
schlechter waͤre. Wechsel im Futter erhoͤht den Appetit, und die
Schafe fressen, bei Futterwechsel, mehr, als wenn sie immer auf derselben Weide
blieben.
Klee, Luzerne, treibt die englischen Schafe nicht auf, wenn man sie diese Pflanzen
nicht naß freßen laͤßt, und nicht nuͤchtern.146)
Krankheiten. Die englischen Schafe, die gewohnt sind,
immer in freier Luft zu leben, sind weit weniger Krankheiten unterworfen, als
diejenigen, die man in Schafstallen haͤlt.147)
Sie sind indessen nicht von allen Krankheiten frei.
Im Fruͤhjahre erzeugt das zarte saftige neue Futter nicht selten einen
Durchfall an denselben, der ihnen zuweilen toͤdtlich wird.148) Man muß ihnen dann so lange mit troknem Futter nachhelfen, bis das neue
gruͤne Futter stark genug geworden ist, und bis ihr Koͤrper sich daran
gewoͤhnt hat. Diese Krankheit befaͤllt sie auch zuweilen im Winter,
wann sie zuviel Ruͤben gefreßen haben. Gersten-Stroh wird in diesem
Falle fuͤr ein gutes Mittel gehalten.
Wir haben in Frankreich bemerkt, daß die englischen Schafe bei uns eine Art von
Ausfluß aus der Nase bekommen. Dieser Zufall, der nicht gefaͤhrlich ist, wird
dem ploͤzlichen Wechsel der Hize und Kaͤlte zugeschrieben.149)
Die verschiedenen Herden, die wir in Frankreich einfuͤhrten, sind
spaͤter, obschon sie vollkommen gesund waren, als sie England verließen, mehr
oder minder von der Rande befallen werden.150) Wir konnten bisher nicht ausmitteln, ob dieß von den Muͤhseligkeiten
des Transportes bei diesen. Thieren, oder von den Stallen herruͤhrte, in
welchen raudige Schafe den Anstekungs-Stoff zuruͤk ließen.151) Man muß alsogleich dieser Krankheit entgegen arbeiten, da sie die Wolle
verdirbt, vermindert, und die Thiere erschoͤpft.
Wir bedienten uns folgenden Mittels, das uns gute Dienste leistete.
Wir nahmen ein Pfund Rauchtabak, 4 Quentchen Nießwurz (Helleborus), und kochten dieß in 5 Pinten Kuhharn in einem bedekten Topfe.
Der Absud wurde durchgeseiht, und bei Anwendung desselben wurde auf die Flasche noch
1 1/2 Unzen Terpenthin-Geist zugesezt.152)
Bemerkungen. Man muß den Schaͤfern
einpraͤgen, die englischen Schafe langsam zu treiben. Sie sind niedriger
gestellt, ihre Lungen sind nicht so entwikelt, als bei unseren Schafen; sie sind
weniger an das Gehen gewohnt. Man darf sie ferner nicht auf der Weide, wie es in
Frankreich Sitte ist, gedraͤngt an einander halten: sie wollen frei athmen
und frei weiden. (Sie sind englischer Abkunft.) Vor Allem muß man den
Schaͤfern verbiethen, die Hunde auf dieselben zu hezen: wir haben gesehen,
daß mehrere derselben vor Schreien an den Hunden todt niedergefallen sind.
Ein großer Vortheil bei dieser Rasse von Schafen liegt in dem Umstande, daß man sie
das ganze Jahr uͤber pferchen kann.153) Wenn die Erde naß ist, muß man sie auf Huͤgeln pferchen, bei trokener
Witterung in tieferen Gruͤnden.
Die englischen Schafe werden in Frankreich154) eben so gut gedeihen, wie die spanischen Merinos; man muß sie aber
vorzuͤglich dort zu ziehen suchen, wo man geschlossene Wiesen hat, und wo das
Klima dem englischen Klima aͤhnlich ist. Die Vortheile von der Anzucht dieser
Thiere sind unermeßlich, und die Landwirthschaft gewinnt dadurch eben so viel, als
unsere Industrie.155)