Titel: | Ueber die Salpetersäure, und ein besonderes schwefelsaures Kali, von R. Phillips. |
Fundstelle: | Band 27, Jahrgang 1828, Nr. LXXVII., S. 292 |
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LXXVII.
Ueber die Salpetersaͤure, und ein
besonderes schwefelsaures Kali, von R. Phillips.
Aus dem Philos. Magaz. and Annals of Philos. Decbr.
1827, S. 429.
Phillips, uͤber die Salpetersaͤure, und ein
besonderes schwefelsaures Kali.
Als ich unlaͤngst Gelegenheit hatte, Beobachtungen
uͤber die Bereitung der Salpetersaͤure anzustellen, fielen mir einige
Umstaͤnde sowohl in Betreff der Saͤure, als des
ruͤkstaͤndigen Salzes auf, die meines Wissens noch von keinem anderen
Chemiker bemerkt wurden. Um Salpetersaͤure von der hoͤchsten
Staͤrke zu bereiten, vermischte ich in einer Retorte 70 Theile salpetersaures
Kali mit einem gleichen Gewichte Schwefelsaͤure, die bei 60° F.
(12,4° R.) ein spec. Gew. von 1,8442 hatte. Die Hize wurde acht Stunden lang
unterhalten; waͤhrend der lezteren vier Stunden war der Inhalt der Retorte in
voͤlligem Fluß und in einer Viertelstunde vor Beendigung der Operation wurde
nur ein Tropfen Salpetersaͤure erhalten.
Die erhaltene Salpetersaͤure hatte eine gelbe Farbe mit einem Stich in Roth;
sie wog 46,13 Theile, und das in der Retorte zuruͤkgebliebene Salz betrug
92,87 Theile, ein Beweis, daß von den 140 Theilen Salpeter und
Schwefelsaͤure, die angewandt wurden, nur Ein Theil verloren ging. Das spec.
Gew. der Salpetersaͤure war bei 60° F. = 1,5033, und ich fand in einem
Versuche, daß 615,4 Gran derselben, 456,8 kohlensauren Kalk zersezen; und in einem
anderen zersezten 586,8 Theile Saͤure, 435,6 kohlensauren Kalk. Diese
Resultate stimmen sehr gut uͤberein, und zeigen, daß 46,13 Theile,
naͤmlich alle aus 70 Theilen Salpeter erhaltene Saͤure, 34,24 Theile
kohlensauren Kalk aufloͤsen wuͤrden.
Da ein Mischungsgewicht Salpeter durch 102 ausgedruͤkt wird, so entspricht das
M. G.M. G. bedeutet Mischungsgewicht (Aequivalent). der Saͤure, 54, welche er enthaͤlt, 50 Theilen oder Einem M. G.
kohlensauren Kalk; die in 70 Salpeter enthaltene Saͤure sollte also 34,31 von
diesem Koͤrper aufloͤsen; ziehen wir davon 34,24, als die Menge
kohlensauren Kalk, welchen die wirklich erhaltene Saͤure aufloͤste,
ab, so bleibt eine Differenz von bloß 00,07 eines Theiles, ein Verlust, welcher
fuͤr eine solche Operation sehr gering ist. Da 50 kohlensaurer Kalk, 54
wasserfreier Salpetersaͤure entsprechen, so zeigen 34,24, oder die von 46,13
fluͤssiger Saͤure aufgeloͤste Quantitaͤt, 36,98
wasserfreie Saͤure an; das Product besteht also aus:
Wirklicher (wasserfreier)
Salpetersaͤure
36,98
oder
80,16
Wasser
9,15
19,84
–––––
––––––
46,13
100,00
In der Voraussezung, daß diese Saͤure eine bestimmte Verbindung von 2 M. G.
Saͤure, 108, mit 3 M. G. Wasser, 27, war, so bestuͤnde sie aus:
Wirklicher Saͤure
36,90
oder
80
Wasser
9,23
20
–––––
––––
46,13
100
Ich habe bemerkt, daß das in der Retorte gebliebene saure schwefelsaure Kali, 92,87
Theile wog; nur wuͤrden 102 oder Ein M. G. Salpeter, durch zwei M. G.
Schwefelsaͤure, 80, zersezt, 128 = Ein M. G. wasserfreies schwefelsaures Kali
geben; waͤre dieses mit Einem M. G. Wasser = 9 verbunden, so wuͤrde es
137 betragen; es verhaͤlt sich aber 102 : 137 = 70 : 94 – was die von
mir erhaltene Menge nur um 1,13 Theil uͤberschreitet. Wir koͤnnen also
die verschiedenen Producte der Operation folgender Maßen betrachten:
2 M. G. Salpetersaͤure, verbunden mit
3 M. G. Wasser, und
2 M. G. doppeltschwefelsaures Kali, das
2 M. G. Wasser enthaͤlt.
In der Voraussezung aber, daß zwei M. G. Salpeter durch vier M. G.
Schwefelsaͤure zersezt werden, scheinen obige Producte Ein M. G. Wasser
zuviel zu enthalten; denn die staͤrkste Schwefelsaͤure besteht
bekanntlich aus einem M. G. Saͤure und Einem Wasser. Es ist jedoch zu
bemerken, daß ich eine Schwefelsaͤure von 1,8442 spec. Gew. anwandte, und
diese besteht nach Dr.
Ure's Tabelle, womit meine
Versuche nahe uͤbereinstimmen, aus nahe 79,1 Saͤure und 20,9 Wasser.
Nun wuͤrde eine Verbindung von vier M. G. Schwefelsaͤure = 160, und
fuͤnf M. G. Wasser = 45, sehr nahe aus 78,1 Saͤure, und 21,9 Wasser
bestehen, was von der Zusammensezung der von mir angewandten Saͤure (so wie sie Dr.
Ure's Tabelle angibt) nur um 1
Procent verschieden ist.
Zu dem in der Retorte gebliebenen sauren schwefelsauren Kali sezte ich nahe ein
gleiches Gewicht Wasser: beim Erwaͤrmen loͤste sich das Salz leicht
auf, ohne Sieden, und folglich mit nur geringer Verminderung des Wassers. Das beim
Abkuͤhlen der Aufloͤsung erhaltene Salz bestand aus außerordentlich
feinen Fasern, die dem Asbest im Ansehen glichen; ein Theil der
ruͤkstaͤndigen Aufloͤsung wurde durch die
Capillar-Attraction der Krystalle so sehr zuruͤkgehalten, daß er nicht
durch Abtropfen entfernt werden konnte, sondern durch Filtrirpapier absorbirt werden
mußte.
Die Grundform des doppeltschwefelsauren Kalis ist entweder ein gerades Rhombenprisma
oder ein Oktaeder mit rhombischer Basis, und die Krystalle sind gewoͤhnlich
so flach, daß sie tafelartig sind: es war mir nicht wahrscheinlich, daß die so eben
beschriebenen sauren Krystalle, eine Varietaͤt einer von den beiden oben
erwaͤhnten Grundformen seyn sollten. Doch vermuthete ich, sie koͤnnten
doppeltschwefelsaures Kali mit einem Gehalte von mehr oder weniger als zwei M. G.
Wasser seyn, die bekanntlich in seinen gewoͤhnlichen Krystallen enthalten
sind. Um in dieser Hinsicht in's Reine zu kommen, loͤste ich 100 Gran des
faserigen Salzes, die meinem maͤßig warmen Zimmer lufttroken gemacht worden
waren, in Wasser auf, und sezte eine Aufloͤsung von salzsaurem Baryt so lange
hinzu, als noch ein Niederschlag entstand; der schwefelsaure Baryt wog nach dem
Aussuͤßen und Gluͤhen, nach dem Mittel aus zwei Versuchen, 154,75
Gran, die 52,45 Schwefelsaͤure entsprechen.
Um das Krystallwasser, so wie die uͤberschuͤssige Saͤure
auszutreiben, wurden 100 Gran des faserigen Salzes in einem Platintiegel der
Rothgluͤhhize ausgesezt; das zuruͤkgebliebene neutrale schwefelsaure
Kali wog 78,4 Gran, und es waren folglich 21,6 Schwefelsaͤure und Wasser
ausgetrieben worden. Da nun 88 schwefelsaures Kali, 40 Schwefelsaͤure
enthalten, so enthalten 78,4 an Saͤure 35,6, welche von 52,45,
naͤmlich der ganzen in 100 Gran des Salzes enthaltenen Schwefelsaͤure,
abgezogen, 16,85 als die durch die Hize ausgetriebene Schwefelsaͤure nebst
4,75 Krystallwasser uͤbrig lassen; die Quantitaͤt der durch Erhizen
aus dem sauren schwefelsauren Kali ausgetriebenen Saͤure naͤhert sich
der Haͤlfte der in dem neutralen Salze zuruͤkbleibenden, so weit wie
16,85 der Zahl 17,8: das fragliche Salz scheint also anderthalbfach schwefelsaures
Kali zu seyn, oder zu bestehen aus:
Theorie.
Versuch.
3 M. G. Schwefelsaͤure
120
53,33
52,45
Uebertrag
120
53,33
52,45
2 M. G. Kali
96
42,66
42,80
1 M. G. Wasser
9
4,00
4,75
–––––––––––––––––
225
99,99
100,00
Oder man kann es betrachten, als bestehend aus:
2 M. G. schwefelsaurem Kali
176
1 M. G. fluͤßiger
Schwefelsaͤure
49
––––
225.
Es ist außerordentlich schwer, sich das anderthalbfach schwefelsaure Kali frei von
dem doppeltschwefelsauren Salze zu verschaffen; als ich einen anderen Versuch
anstellte, um es so nahe als moͤglich auf die schon beschriebene Weise
darzustellen, erhielt ich eine große Menge doppeltschwefelsaures, und eine geringe
Quantitaͤt anderthalbfach schwefelsaures Kali. Ich weiß wohl, daß man
verschiedene Salze erhalten kann, wenn man verschiedene Mengen Wasser anwendet; denn
bei demselben Verhaͤltnisse zwischen Saͤuren und Basis, erhaͤlt
man entweder neutrales oder anderthalbfach- oder
doppelt-schwefelsaures Kali- und ich habe gefunden, daß man, um
doppeltschwefelsaures Kali zu erhalten, eine sehr concentrirte Aufloͤsung
anwenden muß. Ich weiß aber nicht, welchem Umstande eigentlich die Entstehung des
anderthalbfach schwefelsauren Salzes zugeschrieben werden muß; vielleicht
ruͤhrt sie von einem besonderen Einfluße der Temperatur auf die Zeit des
Abkuͤhlens her. In dem zur Analyse verwandten anderthalbfach schwefelsauren
Kali konnten zufaͤllig kleine Krystalle von doppeltschwefelsaurem Kali
entdekt werden; sehr reines doppeltschwefelsaures Salz wurde durch Abdampfen der
ruͤkstaͤndigen Aufloͤsung nach Abscheidung des
saͤuerlichen Salzes erhalten; die Aufloͤsung wurde zulezt
außerordentlich sauer, und gab dann gar keine Krystalle mehr.
Wenn ein Gemenge von krystallisirtem doppeltschwefelsaurem und anderthalbfach
schwefelsaurem Kali der Luft ausgesezt wird, waͤhrend es noch etwas von der
Aufloͤsung, woraus es krystallisirt war, zuruͤkhaͤlt, bilden
sich auf der Oberflaͤche veraͤstelte Krystalle. Ich habe noch keine
hinreichende Menge von diesem Salze sammeln koͤnnen, um eine Untersuchung
anzustellen, aber es ist wahrscheinlich nur anderthalbfach schwefelsaures Kali.