Titel: | Ueber die Schafrasse, Purik, beobachtet von Hrn. W. Moorcroft. Vorgelesen von Hrn. Rey, Mitglied des General-Rathes der Manufacturen etc. und der Wollverfeinerungs-Gesellschaft. |
Fundstelle: | Band 27, Jahrgang 1828, Nr. LVIII., S. 232 |
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LVIII.
Ueber die Schafrasse, Purik, beobachtet von Hrn.
W. Moorcroft.
Vorgelesen von Hrn. Rey, Mitglied des General-Rathes der Manufacturen
etc. und der
Wollverfeinerungs-Gesellschaft.
Aus dem Recueil Industriel. November. 1827. S. 169.
und December. S. 255. (Im Auszuge)
Moorcroft, uͤber die Schafrasse, Purik.
H. Rey liefert in dieser Vorlesung
einen Auszug aus Hrn. Moorcroft's Abhandlung uͤber den oben angefuͤhrten
Gegenstand in den Transactions of the royal asiatic Society. Er faͤngt
mit der Bemerkung an, „daß die Englaͤnder kein Geheimniß aus ihren
wissenschaftlichen Entdekungen machen.“ Wir bedauern, daß wir ihm in
dieser Hinsicht nicht nur nicht beistimmen koͤnnen, sondern geradezu
widersprechen muͤssen. Nirgendwo, nicht einmahl in Holland, ist die
Geheimnißkraͤmerei so groß, wie in England, wo man sogar die Buͤcher
den Studierenden, wenigstens zu Oxford, vorenthaͤlt, und nicht ehe mittheilt
als bis sie einige Jahre an der Universitaͤt verweilen. In technischer
Hinsicht ist Geheimniß in England buchstaͤblich an allen Eken: denn
uͤberall liest man mit ellenlangen Buchstaben: „NO ENTRANCE“ an die
Fabrik-Thuͤren geschrieben.
Hr. Wilh. Moorcroft, Mitglied
der Asiatic Society zu Calcutta, ist ein Zoͤgling
der Veterinaͤr-Schule zu Lyon. Er wurde von der ostindischen Compagnie
schon im Jahre 1812 in die kleine Thibetey geschikt, theils um die Thiere
aufzusuchen, deren Wollenhaar das Material zu den beruͤhmten Shawls von
Kaschmyr liefert, und die Zweifel zu loͤsen, welche Hearsey's und Weeb's fruͤhere Berichte hieruͤber
noch in einigen Koͤpfen uͤbrig ließen, theils um den Quellen des
Ganges nachzuspuͤren, die einige Inder im Himmel suchen, und andere, mit Maj.
Rennel, in den See Manasarovar verlegen.
Um die feinwolligen Thiere zu finden, die das Material zu den beruͤhmten
ostindischen Shawls liefern, mußte Hr. Moorcroft uͤber die Quellen des Ganges, und bis an jene des
Indus in der Naͤhe der Seen Ravanhrad und Manafarovar, in der Provinz
Oundès oder Ourna Desa. In der Breite von 31° ungefaͤhr fand er
im Julius 1812, mitten unter den Glaͤtschern, „die so alt sind als
die Welt“ (!!!) „eine solche Menge fein wolliger Schafe und
Ziegen, daß Niemand, als derjenige, der sie gesehen hat, sich einen Begriff von
der Unzahl derselben machen kann. Er kaufte, zugleich mit den Kaufleuten von
Ladak, die die Kaschmyrer mit diesem Artikel versehen, solche Wolle, und, was
noch mehr ist, es gelang ihm sich Ziegen und Schafe von dieser Rasse zu
verschaffen, und von Gortope, dem Hauptorte in Oundès, bis nach
Bengalen zu bringen. „Wir wissen nicht, was aus diesen Thieren
geworden ist,“ sagt Hr. Rey, (der seine Rede doch damit anfing, daß
er uns versicherte, die Englaͤnder machten keine Geheimnisse aus ihren
Unternehmungen), „man sagt, daß ein Theil
der Herde nach England geschikt wurde, und daß sie sich an das dortige Klima
vollkommen gewoͤhnte; wenn dieß wahr waͤre, so wuͤrde
es wohl allgemein bekannt seyn. Es scheint indessen, daß man sich von den
Vortheilen der Anzucht dieser Thiere in Europa uͤberzeugt hat, und
die Hoffnung nicht aufgibt, dieselbe bei uns gelingen zu machen. Sei es nun,
daß der erste Versuch scheiterte, und man denselben wiederholen wollte, oder
daß er gelang, und daß man denselben noch mehr in's Große treiben wollte.
Hr. Moorcroft kehrte
zehn Jahre spaͤter wieder an denselben Ort zuruͤk,
wahrscheinlich „(?)“ um das Land, seine Producte, und
vorzuͤglich die Thiere, noch ein Mahl in Augenschein zu
nehmen.“
„Eine der wichtigsten Entdekungen, die er machte, ist die Entdekung einer
Rasse von Schafen, die dem Lande Ladak eigen ist, und die man Purik
Wir haben das Original des Hrn. Moorcroft nicht bei Hand, und
koͤnnen daher nicht sagen, ob Hr. Moorcroft Purik geschrieben hat, wie
sein Epitomator, der Franzose Rey. Wenn er „Purik“ geschrieben hat, so
darf man es nicht so aussprechen, wie es der Franzose schrieb, nach
welchem es Puͤrik gesprochen werden
muͤßte; denn die englische Sprache kennt den Laut uͤ durchaus nicht. Es ist aber schwer
zu sagen, ob es dann Porik oder Piurik gesprochen werden muß, da das
englische u bald wie o, bald wie in ausgesprochen wird. Fuͤr jeden Fall darf
es nicht Puͤrik gesprochen werden, und
das deutsche Wort Perruͤcke kommt, was
auch die Schlegelianer sagen moͤgen, sicher nicht von dem
indischen Puruͤk.A. d. Ueb. nennt. Ein ausgewachsenes Schaf von dieser Rasse ist kaum so groß, als
ein Lamm von 5 bis 6 Monaten auf den Duͤnen von Devonshire. In Hinsicht
der Schoͤnheit, Weiße, Feinheit und Schwere seines Fließes, des
Wohlgeschmakes seines Fleisches, des wenigen Futters, dessen dasselbe bedarf,
und anderer Eigenheiten uͤbertrifft das Ladaki-Schaf jedes andere.
Der Hund kann nicht mehr Hausthier seyn, als dieses Schaf. Waͤhrend der
Nacht sucht es seinen Schuz entweder an der Mauer eines Hofraumes, oder unter
dem Dache seines Herren. Am Tage sieht man es seine Nahrung sich selbst suchen,
und oft auf den unwirthbarsten Granitfelsen finden, auf welchen das Auge keine
Spur von Vegetation zu entdeken vermag. Ein Paar elende Rosenstoͤke von
Hyssop, Wermuth oder Ochsenzunge, einige Halme sehr kurzen Grases
genuͤgen ihm bei seiner Maͤßigkeit. Die wunderbare Scharfe seiner
Sinne laͤßt es dort Nahrung und Geschmak an der magersten Nahrung finden,
wo andere Rassen Schafe desselben Landes entweder aus Bloͤdsinn oder
Lekerhaftigkeit verhungern wuͤrden. Es trinkt mit seinem Herren Thee mit Butter und Salz,
wie man in diesem Lande den Thee zu trinken pflegt. Es lekt die Hand seines
Herren fuͤr einen Gersten-Kuchen, oder irgend einen Abfall von dem
Tische. Ein Blatt Salat, die Schale einer Ruͤbe, die Haut einer Aprikose,
abgekochte Theeblaͤtter sind Lekerbissen fuͤr dasselbe. Alles
Unkraut aus dem Hausgaͤrtchen, ist ihm, wie dem anderen Schafe, ein
Lekerbissen; es frißt, wie die Ziege, alle Abfaͤlle aus dem
Kuͤchengarten, und, wie das Schwein, alle Abfaͤlle aus der
Kuͤche, und hat sogar, wie dieses, bei Hause gehalten, eine Neigung zum
fett werden. So klein es ist, ist es doch stark, und dient, wie andere Schafe
dieses Landes, zum Fortbringen kleiner Lasten, wozu man dort auch die Ziegen
verwendet („und in Holland die Boͤke“). Mit Ausnahme
des Vordertheiles am Kopfe, der außerordentlich zugerundet ist, sind die
uͤbrigen Theile in einem schoͤnen Ebenmaße und gefaͤllig
gebildet, obschon es etwas breit ist, wie die Southdowns in England. Es wirft
zwei Mahl des Jahres, und man schert es auch zwei Mahl. So klein das Thier ist,
erhaͤlt man doch bei diesen beiden Schuren drei Pfund Wolle. Die Wolle
von der ersten Schur ist besser, als die von der zweiten, und fein genug, um
ziemlich schoͤne Shawls zu geben. Ungluͤklicher Weise
haͤngen die Fasern an einander, und dieses Zusammenfilzen, dem man durch
eilte verstaͤndige Kreuzung abhelfen koͤnnte, schadet im
Allgemeinen dem Werthe des Schafes von Ladak in seinen zahlreichen
Rassen.“
„Dieß ist der Purik des Hrn. Moorcroft, sagt Hr. Rey, um jedoch das Gemaͤhlde desselben zu vollenden, habe
ich einen Zug desselben bis hierher aufgespart.“
Hr. Rey sagt jezt seinen
Zuhoͤrern, daß sie als Mitglieder der Wollverfeinerungs-Gesellschaft,
keine Schaͤfer, wie Daphnis und Menalk in der Idylle, wie Lukas und Jakob in der
Schaͤfer-Komoͤdie, sondern Maͤnner sind, die da wissen,
daß das gewoͤhnliche Schaf ein pflanzenfressendes Thier ist. „Eh bien,“ faͤhrt er nach dieser
abgeschmakten seitenlangen Tirade fort, „alle ihre taͤglichen
Erfahrungen in dieser Hinsicht sind durch den Purik uͤber den Haufen
geworfen, welchen man nach einer Bemerkung des Hrn. Moorcroft eben so gut unter die
fleischfressenden Thiere rechnen koͤnnte.Der Uebersezer zog sich ein bayer'sches Schaf, das mit ihm
Bratwuͤrste und Cotelets aß, und bald verhungert waͤre,
als man es auf die Weide trieb, und zu seiner natuͤrlichen Kost
anhielt. Junge Schafe lassen sich an jede Kost gewoͤhnen. Man
wird sie mit Maculatur der Werke uͤber Schafzucht fuͤttern
koͤnnen, wenn man etwas mehr Salz zuthut, als die Verfasser
derselben oͤfters vergaßen. A. d. Ueb. Der Purik trinkt gern fette Suppe, und, wenn man ihn gehen ließe,
wuͤrde er den Kopf in den Topf steken, in welchem das Fleisch kocht, und
dieses
herausfreßen. Ja, was noch mehr ist, er verschmaͤht sogar die abgenagten
Knochen nicht, und zerbeißt sie, wie ein Hund.Eben dieß that auch mein Schaf, das sogar Krebse und Heringe fraß, was
unsere Hunde nicht ein Mahl thun.Wir besizen einen Hund, der Krebse, Fische, Heringe, wildes
Gefluͤgel, Obst etc. frißt. A. d. R. Der Unterschied zwischen meinem Schafe und dem Punk war bloß
der, daß jenes keine Pflanzen mehr fressen wollte, und nur durch den
aͤußersten Hunger, nachdem es zum Skelette geworden war,
gezwungen werden konnte, Vegetabilien zu genießen. A. d. Ueb.
Hr. Rey wundert sich nun wieder
eine ganze Seite lang uͤber diese Anomalie, und versteigt sich sogar so weit,
daß er am Ende fuͤrchtet, „Hr. Moorcroft wisse nicht, was ein Schaf ist,
und habe ein anderes Thier fuͤr ein Schaf gehalten.“ Unsere
beiden Anmerkungen moͤgen ihn beruhigen, und Hrn. Moorcroft gegen solche Anschuldigungen vertheidigen.
Er verliert sich endlich in die abgeschmaktesten Traͤumereien uͤber die
große Kette, in welcher alles in der Natur zusammenhangt; uͤber die
Absichten, die der allmaͤchtige Schoͤpfer dabei gehabt haben mochte
etc.
Hr. Moorcroft hat sich auf
seiner zweiten Reise (im J. 1822) bereits eine kleine Herde von dieser Schafrasse
gesammelt, und dieselbe, fuͤr den Fall, daß er auf seinen Reisen in den
Wuͤsten des Himalaya umkaͤme, der Regierung unter der Bedingung
vermacht, daß einige Stuͤke lebend nach England gebracht, und dort an arme
Bauern geschenkt werden, die diese Rasse, die, obgleich fleischfressend, mit den
elendesten Flechten und Moosen vorlieb nimmt, anziehen, und vermehren sollte. Er
meint, daß man zwei bis drei solcher Schafe mit geringeren Kosten halten
koͤnnte, als einen Haushund, und daß man zugleich ein kleines Zug- und
Lastthier an demselben haͤtte.
Hr. Rey nennt die Geseze weise,
„nach welchen es bei uns, „sagt er,“ verbothen
ist, die Hunde als Zugthiere zu benuͤzen.“ Wir muͤssen
gestehen, daß wir an diesen Gesezen keine Weisheit finden koͤnnen, und
vielmehr den Kamtschadalen und Islaͤnder uns loben, der seine Hunde als
Zugthiere benuͤzt. Wir sahen selbst in Wien, in einer Hauptstadt, große Hunde
zum Ziehen kleiner Lasten verwendet, so wie hier und da in Bayern, und
vorzuͤglich in den Niederlanden. Wuͤrde Hr. Rey auf die Natur unserer Hausthiere, und auf
die Allmacht der Erziehung und der Gewohnheit aufmerksamer gewesen seyn, so
wuͤrde er sich nicht in muͤßige Speculationen verloren, und ganze
Seiten mit Albernheiten vollgefuͤllt haben. Erziehung vermag die Natur
unserer Hausthiere, und selbst der wilden Thiere, deren Junge man bei sich im Zimmer
aufzieht, so sehr zu verkehren, daß man, so zu sagen, Alles aus diesen Thieren
machen kann. Die Pferde des Diomedes fraßen Fleisch, und der Uebersezer sah selbst ein
Husaren-Pferd, das, so sehr Fett den Pferden zuwider ist, mit seinem Reiter
Spek und geraͤuchertes Fleisch fraß, ßr hatte eine Kaze, die Salat mit Essig
mit ihm aß, und der Thierwaͤrter einer Menagerie versicherte ihn, daß er
seine Loͤwen und Tige etc. mit Erdaͤpfeln und Milch fuͤttern
lernte.
Hr. Rey rechnet sehr viel auf
die Eigenschaft dieses Thieres, schnell fett zu werden; dieß ist aber nicht das, was
man an Schafen wuͤnscht. Diesen Zwek erreicht man an Schweinen weit sicherer
und schneller, und Schaftalg zu Kerzen wird nie den Rindertalg ersezen.
Hr. Moorcroft bemerkt, daß der
Duͤnger dieser Schafe sehr geschaͤzt wird. Man pfercht sie daher auch
in diesem Lande, wie man bei uns Schafe pfercht, jedoch auf eine weit
wirtschaftlichere Weise. Man bestreut naͤmlich die kleine Huͤrde, in
welcher die Schafe gehalten werden, mit Erde; fuͤttert diese Schafe
oͤfters in kleinen Portionen, so daß in 2 Stunden kein Blaͤttchen mehr
uͤbrig bleibt, mit Luzerne, wodurch man alle Verwuͤstung des Futters
erspart; und sobald die eingestreute Erde hinlaͤnglich mit Mist und Harn der
Thiele impraͤgnirt ist, schafft man sie an die Stelle, die damit
geduͤngt werden soll, und streut neue Erde ein.Der verdienstvolle Moorcroft, der seine Laufbahn
als Curschmid bei einem englischen Regiments anfing, und als Gelehrter von
Auszeichnung endete, starb bekanntlich zu Ankho,
zwischen Bukhava und Samarkand. Seine Papiere und seine Sammlungen wurden ihm von dem
Rajah abgenommen, und wir duͤrften jezt vielleicht lang nicht mehr
von den Puriks einige Notiz erhalten, oder diese nuͤzlichen Thiere
bei uns sehen, außer es faͤnde sich ein zweiter Ternaux, der sie kommen laͤßt. A. d. Ueb. Sollten wir jemahls Puriks erhalten, so
koͤnnten sie nur, was Hr. Rey zu bemerken vergaß, auf Alpen gedeihen.