Titel: | Ueber das Messer des Federn-Schneiders und über Feder-Messer überhaupt. Von Hrn. Gill. |
Fundstelle: | Band 22, Jahrgang 1826, Nr. LXII., S. 298 |
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LXII.
Ueber das Messer des Federn-Schneiders und
uͤber Feder-Messer uͤberhaupt. Von Hrn. Gill.
Aus dessen technical Repository. Julius 1826. S.
13.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Gill, uͤber das Messer des Federn-Schneiders
etc.
Man wird, vergebens bei unseren Messerschmieden ein Messer
suchen, mit welchem man eine Feder schneiden kann, und in keinem der vielen Werke
uͤber die nuͤzliche Kunst der Messerschmiede findet man eine
Nachweisung uͤber die besondere Form, die der Federn-Schneider (pen cutter) seinem Messer gibt.Es gibt bekanntlich in England eigene Federnschneider (pen cutters). A. d. U.
Da ich oͤfters Gelegenheit hatte, die trefflichen Federn fuͤr die
Mitglieder der Society of Arts etc. zu versuchen,
so fragte ich nach dem Federn-Schneider, und erfuhr, daß es Hr. Cotmore in Stangate, Lambeth, ist. Ich besuchte ihn, und
fand ihn und seine Familie mit Federn schneiden beschaͤftigt, wo mir die Form
der Messer, deren man sich bedient, vor Allem auffiel. Ich fragte ihn
hieruͤber, und er sagte mir, daß er nie die Messerschmiede habe dahin bringen
koͤnnen, ihren Federmesser-Klingen eine solche Form zu geben, daß er dieselbe
nur einiger Maßen haͤtte brauchen koͤnnen, und daß er sich oft lange
Zeit mit einer neuen Klinge plagen mußte, bis er derselben die gehoͤrige Form
geben konnte. Wahrscheinlich ruͤhrt dieß von dem geringen Preise her, welchen
die Messerschmiede fuͤr eine Federmesser-Klinge fordern: nur 6 Groschen. Wenn
die Messerschmiede das Beduͤrfniß der Federn-Schneider studiren, und der
Klinge die zwekmaͤßige Form geben wuͤrden, so wuͤrden diese sie
gewiß gern theurer bezahlen, indem sie Zeit und Muͤhe an dem Umformen der
Klinge dadurch ersparten, waͤhrend sie jezt sich ihre Klingen selbst zuformen
muͤssen.
Fig. 5. zeigt
eine Klinge von der Form, wie sie einer der Favorit-Messerschmiede der
Federnschneider verfertigt (Hr. Smith, Cheapside). Diese
Form ist hier in punctirten Linien angedeutet. Ehe man sich derselben aber bedienen
kann, muß sie in die gezeichnete Form gebracht, und vorlaͤufig in einem
runden Griffe aus hartem Holze eingekittet werden, wie Fig. 6. zeigt.
Hr. Cotmore sagt, daß er die Klinge vorerst auf einem
orientalischen Wezsteine mit Oehl so zuwezt (wahrscheinlich aber bedient er sich
zuerst eines Schleifsteines, um die erste Form zu geben), indem er die Klinge flach
auf den Stein, und auf diese den Finger legt, dann beide Seiten gleich schief
abwezt, und die Spize sehr scharf und duͤnn bildet, die Seiten aber etwas
zugerundet: der Durchschnitt Fig. 7., nach der
punctirten Linie in Fig. 5., gibt vielleicht eine bessere Idee von der Form derselben. Er
vollendet sie, und erneuet die Schneide auf einem trokenen Wassersteine von Ayr (dry water Ayr stone), der eine glatte feine Schneide
gibt: gibt aber jedes Mahl den lezten Strich mit von sich gekehrtem Ruͤken,
so daß die Schneide die gehoͤrige Richtung erhaͤlt, die
hoͤchste Feinheit zu erlangen. Der Gußstahl zu den Klingen muß von der besten
Qualitaͤt seyn, und Hr. Smith, der von Sheffield
ist, gibt der Klinge bei dem Temperiren nur ein Strohgelb.
Die Federn-Schneider arbeiten fast alle nur mit Augenglaͤsern, die etwas stark
vergroͤßern, damit sie die Federn desto genauer schneiden koͤnnen.
Nachdem sie dem Kiele die ersten beiden Schnitte gegeben haben, spalten sie
denselben etwas mit der Spize ihres Messers, indem sie die Schneide nach
aufwaͤrts halten, und oͤffnen den Spalt, indem sie das duͤnne
kegelfoͤrmige Ende eines anderen Kieles einschieben, welches sie mit den
Fingern der rechten Hand halten. Nachdem sie die Seiten und die Spize der Feder
gehoͤrig zugeschnitten haben, kuͤrzen sie dieselbe auf diesem Kiele
ab, in welchen sie gewoͤhnlich ein walzenfoͤrmiges Stuͤk
Rechenschiefer steken, um denselben mehr Haͤrte und eine dunklere Farbe zu
geben, damit sie die Spize der Feder desto genauer abschneiden koͤnnen. Fig. 6. ist ein
Messer, das ich besize, lange Zeit uͤber brauchte, und das noch gut ist.
Ich muß gestehen, daß ich nie ein Feder-Messer hatte, das so bequem ist, als dieses
Messer der Federn-Schneider. Man schneidet die Federn damit eben so leicht, als man
sie ausbessert, und sie fallen trefflich aus. Wir hoffen, die Messerschmiede werden
unsere Winke benuͤzen, und ihre Klingelt darnach formen. Wirklich scheinen
sie bereits daruͤber nachzudenken; denn ich wurde im vorigen Jahre von einem
Messerschmide zu Sheffield consultirt, der auf eine neue Form der
Federmesser-Klingen ein Patent nehmen wollte. Ich sagte ihm aber, daß diese Form in Frankreich und
in der Schweiz „(und in den aͤltesten Zeiten schon in
Deutschland)“ laͤngst bekannt ist, und er hat die Idee
aufgegeben, ein Patent zu bezahlen. Ich habe zeither ein Federmesser von der hier
angegebenen Form gekauft und theuer bezahlt; der Stahl ist aber so schlecht, daß man
auch nicht eine Feder damit schneiden kann.Auch der Uebersezer hat in England mehrere Federmesser gekauft, mit welchen
er nicht einen Bleistift, vielweniger eine Feder schneiden konnte: und doch
warm sie: „warranted“! A. d. U.
Die franzoͤsischen und Schweizer-Federmesser sind an der Kante
gekruͤmmt oder ausgehoͤhlt, und ihre Spize ist nach einwaͤrts
gekehrt, und nicht so schief weggewezt, wie bei unseren englischen Feder-Schneidern.
Wir haben jedoch Klingen dieser Art auch in den Haͤnden franzoͤsischer
und deutscher Holzarbeiter schon vor mehreren Jahren gesehen; von Geigenbogen- und
Geigenmachern, und vorzuͤglich trafen wir sie in den Haͤnden eines
Franzosen, der die niedlichsten Modelle schnitt. Wir glaubten, daß dieses Instrument
schlecht waͤre; da wir aber jezt Raben-Kiele damit schneiden sahen, haben wir
eine bessere Idee von demselben.