Titel: | Ueber einen neuen im Krappe entdekten, näheren Bestandtheil des Pflanzenreiches (Alizarin genannt). |
Fundstelle: | Band 22, Jahrgang 1826, Nr. XII., S. 60 |
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XII.
Ueber einen neuen im Krappe entdekten,
naͤheren Bestandtheil des Pflanzenreiches (Alizarin
genannt).
(Auszug aus einer Arbeit der HHrn. Robiquet und Colin im Journ. de Pharmac. August
1826.)
Ueber einen neuen im Krappe entdekten, unmittelbaren Bestandtheil
des Pflanzenreiches.
Die HHrn. Robiquet und Colin haben uns durch eine Arbeit, welche den 29. Jul. d.
J. in der Academie der Medicin, Section der Pharmacie,
vorgelesen wurde, mit einem neuen naͤheren Grundbestandtheile des
Pflanzenreiches bekannt gemacht, auf welchem die faͤrbenden Eigenschaften des
Krappes wesentlich beruhen.
Der Zwek der von Berthollet, Haußmann, Vitalis, Chaptal,
unternommenen Arbeiten war lediglich der, die Verfahrungsarten in der
Krappfaͤrberei zu verbessern; aber keiner dieser Chemiker hatte den reinen
faͤrbenden Bestandtheil aus dieser Wurzel auszuscheiden gesucht.
Hr. Kuhlmann ist der einzige bis auf diese Stunde, welcher
sich mit einer theoretischen, auf diesen Zwek hingerichteten Arbeit
beschaͤftigte.Wir haben Kuhlman's Analyse in dem polyt. Journale Bd. XIII. S. 224 u. f. mitgetheilt.
A. d. R.
Die HHrn. Robiquet und Colin fuͤhren an, daß dieser Chemiker im Jahre 1823 eine
Analyse des Krapps bekannt machte, und daß er als Grundbestandtheil dieser
Wurzel, einen rothen faͤrbenden Stoff aufstellt, der besonders seine
Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben scheint; einen fahlroth
faͤrbenden Stoff, den er kaum bezeichnet; Pflanzenfaserstoff, eine
vegetabilische Saͤure, von der er vermuthet, daß sie Aepfelsaͤure
seyn muͤsse, einen Schleim, eine vegetabilisch-animalische Substanz,
Gummi, Zuker, eine bittere Substanz, ein riechendes Harz, und endlich
verschiedene erdige Salze, unter welchen die schwefelsaure Bittererde, welche
auf Watt's Behauptung darin von Haußmann angenommen wurde, nicht vorkommt.“
Weit bestimmtere Resultate erhielten die deutschen Chemiker Buchholz und John,
welche sich fruͤher mit der Analyse des Krapp beschaͤftigten.
Ersterer fand in 2000 Theilen lufttroknen Krapp folgende Bestandtheile:
730
Theile
suͤßen braunrothen ins gelbe fallenden
Extraktivstoff,
130
–
rothbraunen gummirten Stoff,
12
–
scharfen Extraktivstoff,
24
–
rothes, schmieriges Harz,
38
–
einer eigenthuͤmlichen rothbraunen
Materie, die im Aether,Weingeist, den Oehlen in aͤzenden
Kalilaugen, nichtaber im Wasser aufloͤslich ist,
36
–
einer Verbindung von einer
Pflanzensaͤure mit Farbestoffund Kalk,
92
–
eines Gemenges aus der rothbraunen und einer
eigenthuͤmlichenbloß in aͤzendem Kali
aufloͤslichen Materie,
450
–
Wurzelfasern, die noch etwas gefaͤrbt
waren. Was amGewichte verloren ging, bestund in Feuchtigkeit,
welcheder Wurzel noch inhaͤrirte.
Lezterer (Hr. John), erhielt aus 100 Theilen
lufttroknem Krapp an:
Suͤßer, gelblichbrauner,
extraktivstoffartiger Substanz
20,00
Braͤunlichen, modificirten
Schleims
8,00
Ponceaufarbiger,
eigenthuͤmlicher, harzartiger
Substanz(Pseudo-Alkannin)
3,00
Modificirten, sogenannten
unaufloͤslichen Extraktivstoffs mitkleinen Portionen
obiger Substanzen verbunden
5,00
Rothbraunen, wachsartigen
Fetts
1,00
Sauren, (weinsteinsauren) Kali und
Kochsalzes
8,00
Phosphorsauren Kalis,
schwefelsauren und salzsauren Kalis
2,00
Phosphorsauren Talk's und
Kalk's
7,50
Eisenoxid's (mit
Phosphorsaͤure?)
0,50
Kieselerde
1,50
Holziger Theil der Wurzeln
43,50
––––––
100,00
Siehe J. F. John's chem. Schriften. Bd. 4. 1813.
S. 84. J. F. John's chem. Tabellen der Pflanzen.
Nuͤrnberg, 1814. T. VI. T. VII. Buchholz's Taschenbuch auf das Jahr
1811. S. 50., und den Anhang uͤber Krapp in Bancroft's Faͤrbebuch, deutsche Ausgabe von Dingler und Kurrer,
Bd. 2. S. 296. Noch ist zu bemerken, daß die verschiedenen Sorten Krapp in
Hinsicht ihres Pigmentes wesentlich von einander abweichen. Wir kommen
demnaͤchst durch Thatsachen darauf zuruͤk. A. d. R.
Die rothe Substanz von Hrn. Kuhlman, welche carmesinroth
ist, und ihre Farbe durch die Alkalien nicht sehr aͤndert, ist nach den Hrn. Robiquet und Colin nicht rein;
leztere Chemiker waren auch genoͤthigt, sich eine ganz andere
Ausscheidungsmethode zu schaffen. Sie beschreiben die Methode, deren sie sich
bedient haben, und welche sie, mit vieler Wahrscheinlichkeit, vereinfachen zu
koͤnnen hoffen, mit folgenden Worten.
„Hr. Merimée, welcher
sich mit vielem Erfolge mit der Bereitung der Krapplacke beschaͤftigt
hat, empfiehlt, anfangs haͤufiges Auswaschen mit bloßem Wasser, dann
alkalisches Wasser anzuwenden, und zulezt mit oͤfterem Auswaschen in
Wasser, welches durch Salzsaͤure angesaͤuert wurde, und worauf man
eine Alaun-Aufloͤsung folgen laͤßt, deren Temperatur man
erhoͤht hat, zu schließen. Dadurch erhaͤlt man ohne Zweifel
guͤnstige Resultate; aber dieses Verfahren ist außerordentlich lang, und
verursacht nothwendig den Verlust einer großen Quantitaͤt von
Faͤrbestoff. Außerdem ist es gewiß, daß der wesentliche faͤrbende
Stoff auch in den ersten Farbebaͤdern enthalten seyn muß, weil die
Faͤrber sich des Krappes, und noch dazu mit großem Vortheile bedienen,
ohne zu diesem vorlaͤufigen und unaufhoͤrlichen Auswaschen ihre Zuflucht
genommen zu haben. Wir glaubten gerade in den ersten Farbebaͤdern diesen
Stoff suchen zu muͤssen; auch wußten wir schon seit langer Zeit, und
hatten bereits Gelegenheit es mehreren Personen zu sagen, daß der Krapp, wenn er
mit 3 oder 4 Theilen Wasser angeruͤhrt, und damit bei einer Temperatur
von 15 bis 20° (nach der hunderttheil. Scale), nur 8 bis 10 Minuten lang
in Beruͤhrung gelassen wird, einen rothbraunen Brei gibt, der in einer um
so kuͤrzeren Zeit zur Gallerte stokt, je concentrirter die
Aufloͤsung war, und daß diese Gallerte, welche sauer ist,
faͤrbenden Stoff in großem Uͤberschuͤsse enthaͤlt.
Sie loͤst sich in den Alkalien fast gaͤnzlich auf. Aber diese
Aufloͤsung, welche dunkelcarmesinroth ist, gibt nur weinrothes Lack von
schmuziger Farbe. Da nun hierin der faͤrbende Stoff ist, und zwar in
groͤßerer Quantitaͤt, als in den meisten anderen Krapp-Producten,
so handelt es sich bloß noch darum, ihn von allem Fremdartigen zu reinigen, zu
welchem Zweke wir folgendes Mittel versucht haben. Wenn man diese gewonnene
Farbe auf ein Filtrum bringt, so wird die geronnene Masse, welche sie
enthaͤlt, allmaͤhlich abtropfen; man suͤßt dieselbe nun mit
einer geringen Quantitaͤt Wasser aus, und nimmt sie vom Filtrum,
waͤhrend sie noch ein wenig hydratisch ist; man ruͤhrt sie sodann
mit einer hinreichenden Menge concentrirten Alkohols an, kocht sie damit, und
erhaͤlt so eine sehr dunkle, rothbraune, alkoholische Tinctur; man
filtrirt, nimmt den Ruͤkstand in neuem Alkohol auf, und wiederholt dieses
Verfahren, bis der Stoff nichts mehr abgibt. Man vereinigt nun alle Tincturen,
und destillirt sie, bis ungefaͤhr 3/4 des angewandten Alkohols wieder
daraus erhalten worden sind, worauf man den Ruͤkstand mit ein wenig
verduͤnnter Schwefelsaͤure versezt, und hierauf in einer
hinreichenden Quantitaͤt Wasser vertheilt. Es entsteht nun ein
reichlicher Niederschlag von fahlrothen Floken, welche man durch bloßes Abgießen
so weit aussuͤßt, bis das Auswaschwasser, welches immer gelb
gefaͤrbt ist, keine Schwefelsaͤure mehr enthaͤlt. Man
bringt den Niederschlag nun auf ein Filtrum, und troknet ihn; er zeigt sich als
Pulver von der Farbe des Spaniols; ist ohne Ruͤkstand in Alkohol
aufloͤslich, und gibt eine Tinctur, welche immer sauer, und wie die
vorhergehende, gefaͤrbt ist. Der Aether loͤst ihn nur zum Theile
auf, und nimmt eine schoͤne goldgelbe Farbe an, derjenigen ganz aͤhnlich, welche
man erhaͤlt, wenn man den Krapp geradezu mit demselben
Ausloͤsungsmittel behandelt. Die Alkalien ertheilen dem Niederschlage,
wenn sie damit in Beruͤhrung gebracht werden, eine blaue Farbe, die um so
dunkler ist, je concentrirter sie selbst sind; aber eine helle oder rosenrothe,
mehr oder weniger veilchenblaue Schattirung, in dem Maße, als man sie mit Wasser
verduͤnnt, ungefaͤhr eben so, wie dieses mit der reinen salzsauren
Kobaltaufloͤsung der Fall ist. Dessen ungeachtet sind die Lake, welche
man mit dieser Aufloͤsung erhaͤlt, noch nicht schoͤn; ihre
Farbe ist immer fahl und weinroth. Der Zwek war also noch nicht erreicht, und um
ihn zu erreichen, mußten wir neue Versuche austeilen; diese wurden so
vervielfaͤltigt, und waren so unfruchtbar, daß wir auf dem Puncte waren,
das Ganze aufzugeben, als wir bei einem lezten Versuche ein Resultat erhielten,
welches uns die Ergaͤnzung aller uͤbrigen zu seyn
schien.“
„Wenn man das Product, dessen wir so eben erwaͤhnt
haben, der Einwirkung einer maͤßigen und lang anhaltenden Hize aussezt,
sieht man aus dieser Substanz, welche sich anfangs erweicht, und schmilzt, indem
sie den Geruch irgend eines erhizten Fettes verbreitet, einen goldgelben Dampf
aufsteigen, der aus glaͤnzenden Theilchen besteht, welche sich an den
oberen Seitenwaͤnden verdichten, und lange, schone, durchsichtige, in
einander geschlungene Nadeln geben; ihre Farbe ist roͤthlichgelb, und dem
natuͤrlichen chromsauren Blei sehr aͤhnlich. Diese Krystalle sind
wenig oder gar nicht im kaltem Wasser aufloͤslich; aber sie loͤsen
sich im warmen Wasser auf, und die Aufloͤsung nimmt eine schoͤne,
reine, rosenrothe Farbe an; der Alkohol, und besonders der Aether, loͤsen
sie in beinahe allen Verhaͤltnissen auf; aber, was merkwuͤrdig
ist, die alkoholische Aufloͤsung ist rosenroth, waͤhrend die
aͤtherische schoͤn gelb ist, selbst dann, wenn der Aether
vollkommen neutral ist: die geringe Quantitaͤt, womit wir arbeiten
konnten, erlaubte uns nicht zu entscheiden, ob diese Krystalle wirklich sauer
sind, wie wir zu vermuthen Ursache hatten; wir haben bloß gesehen, daß in dem
Augenblike ihrer Bildung, der Dampf, aus welchem sie entstehen, das
Lackmußpapier, welches man hineintauchte, sehr merklich roͤthete; aber,
einmahl isolirt und aufgeloͤst, haben sie uns diese Eigenschaft nicht
mehr gezeigt, was entweder von ihrer geringen Aufloͤslichkeit, oder von
der zu starken
Faͤrbung des angewandten Lackmußpapiers herruͤhren kann; wir
werden aber bald wissen, woran wir uns in dieser Hinsicht zu halten
haben.“
„Wenn man die waͤsserige Aufloͤsung dieser
Krystalle mit einer Alaunaufloͤsung versezt, und dann mit einigen Tropfen
Aezkali, so erhaͤlt man einen nach den Verhaͤltnissen mehr oder
weniger dunkeln Lack, der aber immer eine reine, kirschrothe Schattirung hat.
Die gewoͤhnlichen Alkalien, wenn sie dieser waͤsserigen
Aufloͤsung zugesezt werden, ertheilen ihr eine schoͤn blaue
Schattirung, welche, nach dem Grade der Concentration, mehr oder weniger
purpurfarben ist; was deutlich zeigt, daß unser Stoff keineswegs derjenige ist,
welchen Hr. Kuhlman erhielt.“
„Diese Versuche allein lassen uns schon keinen Zweifel an
der Praͤexistenz dieses krystallinischen Stoffes im Krappe uͤbrig;
denn, wollte man annehmen, daß sie durch die Einwirkung der Hize entsteht, wie
koͤnnte man diesen Gedanken mit den Eigenschaften vereinigen, welche wir
an ihr erkannt haben, von denen man weiß, daß sie dem Krappe selbst
angehoͤren? Wir schlagen vor, diesen naͤheren Grundstoff, von
dessen Eigenthuͤmlichkeit wir uͤberzeugt sind, und welchen wir
vorlaͤufig als eine neutrale Substanz betrachten, Alizarin zu nennen, von Alizari, einem
Ausdruke, womit man im Handel die ganze Krappwurzel bezeichnet.“
Bei dieser ersten Vorlesung haben die HHrn. Robiquet und
Colin keinen anderen Zwek gehabt, als die Existenz
eines neuen Stoffes zu beweisen, und sich die Zeit ihrer Entdekung zu sichern; sie
wollen ungesaͤumt eine Abhandlung uͤber ihre ganze Arbeit bekannt
machen, worin sie uns mit der Art des Vorkommens dieser neuen Substanz in der
Wurzel, die sie enthaͤlt, bekannt machen werden.
Sie haben auch bekannt gemacht, daß sie darauf gekommen sind, durch ein einfaches
Mittel leicht und schnell aus dem Krappe alle Substanzen zu entfernen, welche der
Schoͤnheit und Reinheit der Farben schaden koͤnnen, die er geben kann;
und dieses Resultat, welches man bisher vergebens gesucht hat, erlangen sie, ohne
einen bemerkenswerthen Theil des wesentlichen Farbstoffes aufzuopfern; sie befolgen
naͤmlich einen ganz und gar von denjenigen Verfahrungsweisen, welche nach
einander vorgeschlagen
worden sind, um ein reines Rosenroth zu erhalten, verschiedenen Gang.Die in einer leichten Gaͤhrung und schneller Absonderung des durch
diese Gaͤhrung sich ausscheidenden gelben und falben Bestandtheiles
des Krapps bestehen wird. A. d. R.
So interessant die Arbeit der HHrn. Robiquet und Colin in Hinsicht ihres analytischen Resultates ist,
desto mehr ist sie es noch unter dem Gesichtspuncte der Anwendungen, welche sich
davon auf die Kuͤnste machen lassen. Diese Arbeit wird nothwendig ein neues
Licht uͤber eine große Anzahl von Faͤrbereien verbreiten, und
laͤßt uns endlich eine zuverlaͤßige Theorie uͤber die so
verwikelten Verfahrungsarten in der Tuͤrkischrothfaͤrberei
hoffen.Nach unserer Ansicht wird weder der eine noch der andere Zweig dieser
Faͤrbereien dadurch naͤher aufgeklart werden. Das Ausscheiden
des reinen rothen Pigments von der Krappwurzel an thierische Substanzen geht
nach unserer Faͤrbungsweise (polytechn. Journal Bd. XIII. S. 224. Anmerk. 80.), so
leicht, daß es nur noch der Ausmittelung einer Verfahrungsweise bedarf, um
das rothe Pigment von der Wolle abzuziehen, und auf andere Stoffe
uͤberzutragen, wie dich mit dem reinen Indig zu geschehen pflegt. A.
d. R. Leztere ist einer der fruchtbarsten Gegenstaͤnde, welche sich den
Forschungen der Chemiker darbiethen koͤnnen, und man muß Alles von der
Geschiklichkeit derjenigen hoffen, welche sich heute zu Tage damit
beschaͤftigen.
A. B.