Titel: | Ueber den Uebergang des Kupfer-Virioles (schwefelsauren Kupferoxyds) in weinsteinsaures Kupfer durch bloße Auflösung desselben in Weinessig. Von Hrn. Planche. |
Fundstelle: | Band 21, Jahrgang 1826, Nr. CXII., S. 447 |
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CXII.
Ueber den Uebergang des Kupfer-Virioles
(schwefelsauren Kupferoxyds) in weinsteinsaures Kupfer durch bloße Auflösung desselben
in Weinessig. Von Hrn. Planche.
Aus dem Journal de Pharmacie. Julius. 1826. S.
362.
Planche, über den Uebergang des Kupfer-Vitrioles.
Die Thatsachen, welche ich der Section
de Pharmacie mitzutheilen die Ehre habe, sind nicht das Resultat einer
theoretischen Speculation, sondern das Werk des Zufalles. Ich habe kein anderes
Verdienst, als sie beobachtet und gesammelt zu haben, waͤhrend ich eines
jener empyrischen Heilmittel verfertigte, die so oft schon den Pharmaceuten
Gelegenheit zu interessanten chemischen Bemerkungen dargebothen haben. Es scheint mir
wenigstens, daß man dasjenige, dessen Zusammensezung ich hier kennen lehren will,
unter diese Kategorie bringen kann, so bizarr es auch seyn mag. Dieses Mittel gegen
Huͤhneraugen besteht aus einer Aufloͤsung von 10 Gran krystallisirtem
Kupfer-Vitriol (schwefelsaurem Kupfer) in zwei Unzen Wein-Essig, in welchen man 48
Stunden lang die Blaͤtter der Gundelrebe (Glechoma
hederacea
Linn.), weichen laͤßt. Die Blaͤtter
dieser Pflanze legt man noch naß auf das Huͤhnerauge auf. Die Zubereitung
dieses Mittels ist so einfach, daß jeder, der von Apothekerkunst gar nichts
versteht, dasselbe eben so gut verfertigen kann, als der geschikteste Apotheker.
Soviel ist gewiß, daß ich ohne einen Zufall, auf welchen ich hier aufmerksam machen
zu muͤssen glaube, mit der Bereitung dieses Mittels nichts zu schaffen gehabt
haben wuͤrde. Seit man Holz-Essig in der Hauswirthschaft gebraucht,
haͤlt es schwer, reinen Weinessig zu bekommen. Der Holzessig oder die
Essigsaure, die nicht die Bestandteile des Weinessiges besizt, in welchem man das
schwefelsaure Kupfer auflest, verhalt sich anders gegen die Blaͤtter der
Gundelrebe und anderer Pflanzen, als guter, auf die alte herkoͤmmliche Weise
verfertigter, Weinessig. Dieß ist wenigstens das Resultat unmittelbarer Erfahrungen,
die wir weiter unten anfuͤhren werden. Obiges Mittel wurde zwei Mahl mit
Holzessig bereitet, und brachte nicht die gewoͤhnliche Wirkung hervor; die
Person, die sich desselben bediente, vermuthete, daß der schlechte Erfolg von der
schlechten Beschaffenheit des Essiges abhinge, und ersuchte mich, alle
moͤgliche Aufmerksamkeit bei Verfertigung ihres Mittels nach ihrem Recepte zu
verwenden, und vorzuͤglich guten Weinessig zu nehmen. Man loͤste
demnach Kupfer-Vitriol in weißem Weinessige aus einer der ersten Wein-Essig-Fabriken
zu Saumuͤr, an dessen Reinheit nicht zu zweifeln war, in dem verlangten
Verhaͤltnisse auf, und goß die filtrirte Aufloͤsung auf frische
Gundelreben-Blaͤtter in einem Glase, um sie darin die vorgeschriebene Zeit
uͤber ruhig liegen zu lassen.
Als ich das Arznei-Mittel abgeben wollte, bemerkte ich am Grunde des Glases, so wie
an den Enden der Haͤrchen, mit welchen die Gundelreben-Blaͤtter besezt
sind, eine dem Gruͤnspane aͤhnliche Materie, welche, unter dem
Vergroͤßerungs-Glase, einige Spuren von Krystallen von der Groͤße
eines Sandkornes darbothen. Da ich das Mittel und das Glas abgeben mußte, so begnuͤgte ich
mich dieses Phaͤnomen bloß bemerkt zu haben, und schrieb es irgend einer
Veraͤnderung des Kupfer-Vitrioles zu, ohne irgend eine bestimmte Idee
uͤber die Art seiner Veraͤnderung festsezen zu wollen. Indessen
wuͤnschte ich uͤber die Natur dieser krystallinischen Masse doch
einigen Aufschluß zu erhalten, und fing sogleich die Arbeit wieder von vorne an. Ich
hatte nun Gelegenheit zu sehen, daß die chemische Wirkung bald nach dem Aufgießen
der Kupfer-Aufloͤsung auf die Blaͤtter anfing. Hatte sie nun bloß
durch den Einfluß der Blaͤtter der Gundelrebe statt, und hing sie vielleicht
von einem besonderen Stoffe in dieser Pflanze ab? Das war die erste Idee, die sich
mir darboth. Allein, ich sah gar bald ein, daß ich mich irrte; denn als ich
Blaͤtter von Pflanzen anderer Familien eben so behandelte, erhielt ich
dieselben Resultate, wie mit der Gundelrebe.
Allein, dieselben Pflanzen mit einer Kupfer-Aufloͤsung in Holzessig
(Essig-Saͤure) behandelt, gaben durchaus nichts Aehnliches, und eine bloße
Aufloͤsung von Kupfer-Vitriol in Wein-Essig gab, ohne allen Zusaz, nach 12
Stunden noch deutlichere Krystalle, als die vorigen, und von derselben
Beschaffenheit. Ich mußte hieraus natuͤrlich schließen, daß die erhaltene
krystallinische Masse das natuͤrliche Product einer Gegenwirkung zwischen den
Bestandtheilen des schwefelsauren Kupfers und des Weinsteines war, welcher in dem
Weinessige enthalten ist; daß die Dazwischenkunft einer Pflanze durchaus nicht
noͤthig ist, um diese Krystalle zu bilden; daß die Rolle, welche die
Gundelrebe oder irgend eine andere Pflanze hier spielt, sich bloß auf die Gegenwart
eines fremden Koͤrpers beschraͤnkt, der die Ausscheidung eines bereits
gebildeten Salzes beschleunigt, ohne an der chemischen Wirkung selbst Theil zu
nehmen.
Die Versuche, welche ich mit diesem Salze unternahm, noͤthigen mich, dasselbe
als saures weinsteinsaures Kupfer zu betrachten.Nach Ablesung obigen Aufsazes erkannte Hr. Vauquelin, welchen eine lange Erfahrung in der Kunst der Analyse
mit der Physiognomie der Metall-Salze so sehr vertraut machte, alsogleich,
daß diese krystallinische Masse, die ich ihm vorwies, weinsteinsaures Kupfer
war. Ich erhielt zeither dasselbe Salz aus schwefelsaurem Kupfer und aus
unreifem Traubensafte (verjus); ich erhielt es sehr
rein, indem ich schwefelsaures Kupfer mit einer im heißem Zustande
gesaͤttigten, dann erkalteten Weinstein-Aufloͤsung behandelte,
und konnte dadurch die Identitaͤt dieser drei Salze erweisen, so, daß
schwefelsaures Kupfer als Reagens zur Entdekung der uͤbersauren
weinsteinsauren Pottasche in allen Fluͤßigkeiten, in welchen dieselbe
sich befindet, und umgekehrt, verwendet werden kann. A. d. O. Es ist wirklich, 1) unaufloͤsbar in Wasser und in
Weinsteinsaͤure.
2) Blaͤht es sich vor dem Loͤthrohre, und schwaͤrzt sich, und
verbrennt mit einem Geruche von angebranntem Zuker, und laͤßt das Kupfer
reducirt zuruͤk.
3) Loͤset Salpetersaͤure dasselbe kalt auf, und die Aufloͤsung
wird durch salzsauren Baryt nicht getruͤbt.
4) Geht es, mit Kali-Hydrat abgerieben, aus dem Gruͤnen in Dunkelblau
uͤber, und bildet ein dreifaches Salz, das sich aus seiner concentrirten
Aufloͤsung durch Alkohol niederschlagen laͤßt, und krystallisirbar
ist.
Wenn man nun zugibt, daß dieses Huͤhneraugen-Mittel wirklich nuͤzt, so
wuͤrde es auf eine aͤhnliche Weise, wie mehrere dergleichen Mittel
nuͤzen, in welchen die Basis ein im Kupfer wenig aufloͤsliches Salz,
wie z.B. Gruͤnspan, ist.