Titel: | Das Verhalten des Kochsalzes zum Wasser; neu untersucht vom Dr. Joh. Nep. Fuchs, Professor der Mineralogie, und Akademiker in München. |
Fundstelle: | Band 21, Jahrgang 1826, Nr. XII., S. 51 |
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XII.
Das Verhalten des Kochsalzes zum Wasser; neu
untersucht vom Dr. Joh. Nep.
Fuchs, Professor der Mineralogie, und Akademiker in
München.Wir entlehnten diese, den Halurgen aͤußerst wichtige Abhandlung aus dem
7. Bde. des Archiv's
fuͤr die gesammte Naturlehre. Die in dieser
Abhandlung vorkommenden stoͤchiometrischen Zahlen beziehen sich auf den
Wasserstoff als Einheit. A. d. R.
Fuchs, über das Verhalten des Kochsalzes zum Wasser.
Das Verhalten des Kochsalzes zum
Wasser war zwar der Hauptsache nach schon laͤngst bekannt, allein es
herrschte in Betreff seiner Aufloͤsbarkeit im kaltem und heißen Wasser bisher ein kleiner
Irrthum, welchen ich hiemit zu berichtigen die Absicht habe.
Der beruͤhmte Chemiker Bergmann wollte gefunden
haben, daß 2 14/17 Theile kaltes, und 2 13/17 Theile heißes Wasser 1 Theil Kochsalz
aufloͤsen. Dieses Verhaͤltniß wurde allgemein als richtig angenommen,
und ging in alle chemischen Werke uͤber. Herr Gay-Lussac kam in seiner hoͤchst interessanten Abhandlung
„uͤber die Aufloͤsbarkeit der
Salze im Wasser“
S. Annales de Chemie et Physique Vol. XI. pag. 296. Daraus in Schweigger's Journal fuͤr Chemie und Physik. Bd. 27. S.
380. auch auf diesen Gegenstand, und gab an, daß 100 Theile Wasser bei einer
Temperatur von 11°–15,7° R. 35,8, und in der Siedehize 40,3
Theile Kochsalz aufnehmen. Hiemit schien es entschieden zu seyn, daß das Kochsalz im
heißen Wasser etwas aufloͤslicher sey, als im kalten. Allein der Unterschied
ist zu gering, als daß man nicht auf die Vermuthung kommen sollte, daß er vielleicht
gar nicht bestehe, und bei den hieruͤber angestellten Versuchen durch einen
zufaͤlligen Umstand herbei gefuͤhrt worden sey. Mir wenigstens kam
diese Sache immer zweifelhaft vor.
Als vor einigen Jahren der gegenwaͤrtige Salinen-Praktikant Hr. Georg Reichenbach, ein in jeder Hinsicht ausgezeichneter junger
Mann, mein Collegium uͤber die analytische Chemie besuchte, und sich mit der
Untersuchung einiger Varietaͤten von Steinsalz beschaͤftigte, machte
ich ihn auch auf diesen Gegenstand aufmerksam, und veranlaßte ihn daruͤber
Versuche anzustellen. Diese Versuche, an welchen ich selbst Antheil nahm, wurden mit
aller moͤglichen Sorgfalt veranstaltet. – Wir bereiteten mit
vorschriftmaͤßig gereinigtem Kochsalze, was wir im Ueberschuß anwendeten,
eine in der Siedehize gesaͤttigte Aufloͤsung, brachten sie so schnell
als moͤglich in eine erwaͤrmte glaͤserne Flasche, die wir fast
ganz damit anfuͤllten, dann sogleich verstopften, und in einen Keller
stellten, wo die Temperatur = 10° R. war. Am andern Tage fanden wir gegen
unsere Erwartung mehrere kleine Kochsalz-Krystalle auf den Boden des Gefaͤßes. Dieses war
eine meiner Ansicht nicht guͤnstige Erscheinung; denn es haͤtten sich
gar keine Krystalle absezen sollen, wenn sich mit dem heißen Wasser nicht mehr
Kochsalz verbaͤnde, als mit dem kalten. Indeß, da wir das zu diesem Versuche
angewendete Kochsalz naͤher untersuchten, fanden wir, daß es nicht ganz, frei
von salzsaurer Bittererde war. Wir suchten uns nun, bevor wir unsere Versuche
fortsezten, auf folgende Weise reines Kochsalz zu verschaffen. Das kaͤufliche
Kochsalz wurde, um die Bittererde abzuscheiden, in Kalkwasser aufgeloͤst; die
vorhandene Schwefelsaͤure wurde mit salzsaurem Baryt niedergeschlagen, und
zulezt durch kohlensaures Ammoniak der Kalk und Baryt entfernt. Die
Aufloͤsung wurde in einer silbernen Pfanne zur Trokniß abgedampft, und das
hiebei erhaltene Salz in einem Platintiegel ausgegluͤhet. Dieses Salz zeigte
sich bei der damit vorgenommenen Pruͤfung frei von aller fremdartigen
Beimischung.Wenn bei dem Kochsalze viel salzsaure Bittererde
ist, so wird es rathsam seyn, zur Abscheidung der Bittererde anstatt des
Kalkwassers eine duͤnne Kalkmilch anzuwenden. Durch die Kalkmilch
wird die salzsaure Bittererde ohne Schwierigkeit in salzsauren Kalk
umgewandelt,*) indem die Bitterde niederfaͤllt. An dieses Verhalten,
was jedem Chemiker ohnehin bekannt ist, wollte ich nur die Halurgen
erinnern, weil sich daraus, wie ich glaube, einiger Nuzen ziehen ließe,
indem aus der Mutterlauge der Salzsiedereien, die man oft unbenuͤzt
weglaufen laͤßt, auf eine leichte Weise zwei nuzbare Koͤrper
dargestellt werden koͤnnten, naͤmlich Bittererde, welche als Zuschlag zur Porzellan-Masse etc. zu
gebrauchen waͤre, und salzsaurer Kalk, der
nebst dem darin noch vorhandenen Kochsalze als Duͤngungsmittel sehr
gute Dienste leisten wuͤrde.**) Diejenigen, welche diese Mutterlauge
zur Bereitung von Salmiak verwenden, wuͤrden auch leichter zum Ziele
kommen, wenn sie dieselbe vor der Einmischung des kohlensauren Ammoniaks in
salzsauren Kalk umwandelten.*) Polytechn. Journal Bd. XV. S. 184.
**) Ebds. Bd. XIV. S. 380. und Bd. XX. S. 569. A. d. R.
Die Versuche, welche wir mit dem, auf diese Art gereinigten Kochsalze in Hinsicht der
Aufloͤsbarkeit machten, und oͤfters wiederholten, entsprachen ganz
unserer Erwartung; und wir uͤberzeugten uns vollkommen, daß das reine Kochsalz genau so viel kaltes, als heißes Wasser zu seiner
Aufloͤsung noͤthig hat. – Dieses
wird auf indirekte Weise auch durch das Nachfolgende bestaͤtigt, und
voͤllig außer Zweifel gesezt.
Nach unserem ersten Versuche war es uns sehr wahrscheinlich geworden, daß durch die
Gegenwart der salzsauren Bitter-Erde die Aufloͤsbarkeit des Kochsalzes bei
verschiedenen Temperaturen scheinbar veraͤndert werde. Um hieruͤber
voͤllige Gewißheit zu erhalten, vermischten wir dasselbe mit einer kleinen
Portion dieses zerfließbaren Salzes, und machten damit, wie bei dem ersten Versuche,
eine in der Siedehize gesaͤttigte Aufloͤsung. Das Ergebniß dieses
Versuches uͤberraschte uns sehr, und uͤbertraf weit unsere Erwartung.
Denn kaum hatten wir die Fluͤßigkeit zum Abkuͤhlen in eine
glaͤserne Flasche gegossen, so begann auch die Praͤcipitation des
Salzes in dem Maaße, daß die Fluͤßigkeit davon ganz getruͤbt wurde,
und wir anfangs glaubten, es waͤre von dem zur Aufloͤsung
uͤberschuͤßig angewandten Kochsalze etwas darunter gekommen. Nachdem
die stuͤrmische Krystallisation voruͤber war, sezten sich
allmaͤhlig auf die koͤrnige Masse, welche anfangs niedergefallen war,
ziemlich große Wuͤrfel ab. Das Kochsalz verhielt sich mithin in diesem Falle
gerade so, wie die uͤbrigen Salze sich verhalten, deren Aufloͤsbarkeit
bei verschiedenen Temperaturen verschieden ist. Das Salz, welches sich freiwillig
niedergeschlagen hatte, erwies sich, nachdem es mit etwas kaltem Wasser war
abgewaschen, und zwischen Loͤschpapier getroknet worden, als vollkommen
reines Kochsalz.
Daß sich das Kochsalz in Vermischung mit salzsaurem Kalk ebenso verhalten
wuͤrde, war nach diesem Vorgange vorauszusehen. Der Versuch
bestaͤtigte es auch vollkommen. Dasselbe Resultat erhielten wir, als wir mit
dem Mutterlaugensalze der Saline von Traunstein, was sehr viel salzsaure Bittererde
enthielt, eine in der Waͤrme gesaͤttigte Aufloͤsung machten,
und diese in einem verschlossenen Gefaͤße sich abkuͤhlen ließen.
Bergmann und Gay-Lussac sind
dem zufolge vermuthlich dadurch irre gefuͤhrt worden, daß das Kochsalz, was
sie zu ihren Versuchen angewendet haben, mit salzsaurer Kalk- oder Bittererde
verunreinigt war. Daß bei der Gegenwart dieser Salze sich weniger Kochsalz im kalten
als heißem Wasser aufloͤst, oder vielmehr aufzuloͤsen scheint, und daß
aus der gesaͤttigten heißen Aufloͤsung beim Abkuͤhlen sich ein
Theil ausscheidet, kommt
lediglich von der starken Anziehung her, welche die zerfließbaren Salze zum Wasser
haben. Bei dem Siedepuncte der Kochsalzaufloͤsung, welcher um einige Grade
den Siedepunct des Wassers uͤbersteigt, sind die zerfließbaren Salze bloß in
ihrem Krystallisations-Wasser fluͤßig; so wie die Temperatur sinkt, so
koͤnnen sie sich darin nicht mehr aufgeloͤst erhalten: sie entziehen
daher dem Kochsalze das ihnen noͤthige Aufloͤsungs-Wasser, und von
diesem muß mithin eine verhaͤltnißmaͤßige Menge niederfallen –
nicht darum, weil es in der Kaͤlte weniger aufloͤslich ist, sondern
weil nicht mehr die naͤmliche Quantitaͤt Wasser darauf wirkt. Die
Wirkung der zerfließbaren Salze auf die Kochsalz-Aufloͤsung gehet in dieser
Hinsicht weiter, als man es vermuthen moͤchte, indem, wenn eine bei der
gewoͤhnlichen Temperatur gesaͤttigte Aufloͤsung eines dieser
Salze mit einer gesaͤttigten kalten Kochsalz-Aufloͤsung gemischt wird,
alsbald eine bedeutende Menge Kochsalz niederfaͤllt. – Ich glaube
mithin dasjenige, was ich beweisen wollte, zur Genuͤge bewiesen zu haben.
Aus diesem Verhalten der zerfließbaren Salze zur Kochsalz-Aufloͤsung, was
meines Wissens bisher keinem Halurgen bekannt war, lassen sich einige Ergebnisse,
welche bei den Salinen vorkommen, und die bis jezt unerklaͤrt geblieben sind,
sehr leicht erklaͤren. – Wenn man die Mutterlauge, worin die salzsaure
Bittererde sehr uͤberhand genommen hat, in den dafuͤr bestimmten
Behaͤltern eine Zeit lang stehen laͤßt, so sezen sich daraus
bekanntlich die schoͤnsten Kochsalz-Krystalle in großer Menge ab.
Dieser haͤufige Niederschlag kann nur durch die in der Mutterlauge vorhandene
salzsaure Bittererde bewirkt werden, und koͤnnte keineswegs in diesem großen
Maße erfolgen, wenn man auch annehmen wollte, daß das Kochsalz im kalten Wasser
etwas weniger aufloͤslich sey, als im heißen. – Auf diesem Verhalten
beruhet auch hauptsaͤchlich die Bildung des grobkoͤrnigen Salzes in
unseren Salinen – nicht, wie man glaubt, auf der allmaͤhligen
Verdampfung des Wassers, die zwar auch etwas, aber gewiß das Wenigste dazu
beitraͤgt. Diese Operation gehet nur dann gut von Statten, wenn die Salzlauge
viel salzsaure Bittererde enthaͤlt, weßwegen man auch, soviel ich weiß, der
Sohle stets viel Mutterlauge zusezt, welche reich an diesem zerfließbarem Salze ist.
In diesem Gemische verhaͤlt sich das Kochsalz gleichsam wie die bei verschiedenen Temperaturen
ungleich aufloͤslichen Salze, und es scheidet sich allmaͤhlich und in
groͤßeren Krystallen ab, wenn man die bis zum Krystallisations-Puncte
eingekochte Fluͤßigkeit etwas abkuͤhlen laͤßt.
Aus weiteren genauen Versuchen, welche in der Absicht angestellt wurden, die
Aufloͤsbarkeit des reinen Kochsalzes zu bestimmen, hat sich ergeben, daß 2,7
Theile Wasser 1 Theil, oder 100 Theile Wasser 37 Theile Kochsalz aufloͤsen,
und mithin 100 Theile der Aufloͤsung 27 Theile Salz enthalten.
Das constante Verhaͤltniß, in welchem sich das Kochsalz bei verschiedenen
Temperaturen mit dem Wasser verbindet, ist ein Umstand, der mir nicht zu gestatten
scheint, die Aufloͤsung desselben so anzusehen, wie die Aufloͤsungen
anderer Salze. Ich glaube, daß sie zu betrachten sey als ein Hydrat von
Natroniumchlorid, und daß bei seiner Aufloͤsung das Wasser nicht zersezt, und
nicht hydrochlorinsaures Natrum erzeugt werde. – Nach dieser Ansicht besteht
die Kochsalz-Aufloͤsung aus 1 Mischungsgewicht Natroniumchlorid = 60
Gewichtstheilen und 18 Mischungsgewichten Wasser = 162 Gewichtstheilen, und die
stoͤchiometrische Zahl der gesaͤttigten Kochsalz-Aufloͤsung ist
222.
Dieses ist aber nicht die einzige bestimmte Verbindung, welche das Kochsalz mit dem
Wasser eingehet; eine andere sehr merkwuͤrdige, die fast ganz in
Vergessenheit gekommen zu seyn scheint, hat Lowitz schon
vor 33 Jahren entdekt.S. v. Crells chemische Annalen. 1793. Bd.i. S.
314. Er sezte eine gesaͤttigte Kochsalz-Aufloͤsung einer großen
Kaͤlte aus, und erhielt daraus sehr viele große und schoͤne tafelartige Krystalle – in einer von der des
Kochsalzes sehr abweichenden und damit ganz unvertraͤglichen Form. Auch auf
unsern Salinen hat man diese Erscheinung schon oͤfters beobachtet, und diese
Krystallisation veranlaßt, wie mir Hr. G. Reichenbach
sagte, im Winter oft viele Schwierigkeiten bei der Sohlenleitung, welche nur durch
Verduͤnnung der gesaͤttigten Sohle mit Wasser gehoben werden
koͤnnen. Ich habe diese Krystalle unlaͤngst ebenfalls dargestellt, und
mich von der Richtigkeit dessen uͤberzeugt, was Lowitz daruͤber gesagt hat. Sie bilden sich ohne Schwierigkeit in
großer Menge, wenn eine concentrirte Salzaufloͤsung einer Temperatur von
8–9° R. unter null ausgesezt wird. Die Krystallisation wird
vermuthlich fruͤher, oder bei einem geringern Kaͤltegrad eintreten,
wenn das Kochsalz salzsaure Kalk- oder Bittererde enthaͤlt. Diese Krystalle,
welche oft uͤber 1 Zoll im Durchmesser erlangen, sind rectangulaͤre
Prismen, von den Seitenkanten aus vierflaͤchig zugespizt, und haben fast ganz
das Ansehen der Krystalle desjenigen Minerals, was Werner
Strahlzeolith und Hauy
Stilbite dodècaèdre genannt hat. Sie
gehoͤren daher zum System der Rhombenpyramide. Die
breiten Flaͤchen derselben sind nicht, wie Lowitz
gemeint hat, gleichwinklige oder regelmaͤßige, sondern symmetrische Hexagone.
Der Winkel, o, mißt 115° 30', und der Winkel, n, 122° 15'; vergl. Tab. IV. Fig. 6. (in Hauy's
Abbildungen.)
Diese Krystalle lassen sich nicht aufbewahren. Unter dem Gefrierpuncte verwittern sie
in der Luft, und wenn die Temperatur uͤber denselben steigt, so zerfließen
sie zum Theil, und zum Theil verwandeln sie sich in ein krystallinisches Pulver,
unter welchem sich durch ein Vergroͤßerungsglas kleine Wuͤrfel
wahrnehmen lassen. Diese Krystalle, welche bisweilen fuͤr Glaubersalz
angesehen wurden, enthalten das reinste Kochsalz, wenn sie auch aus einer unreinen
Aufloͤsung angeschossen sind. Ihr Wassergehalt ist
sehr groß, und betraͤgt nach Lowitz 48 Procent;
ich fand ihn = 45,8 Procent. Er ist wegen ihrer Wandelbarkeit etwas schwer mit
Genauigkeit zu bestimmen. Wahrscheinlich ist hier ein Mischungsgewicht
Natroniumchlorid mit 6 Mischungsgewichten Wasser verbunden, oder diese Krystalle
sind im Hydrat mit dem dritten Theile des Waͤssergehalts der
Kochsalz-Aufloͤsung. Demnach berechnet sich ihr Wassergehalt auf 47,36
Procent. Daß diese Krystalle nicht etwa krystallisirtes Wasser mit mechanisch
eingeschlossenem Kochsalze seyen, hat schon Lowitz
dargethan; ich fuͤge daher demjenigen, was er in diesem Betreff gesagt hat,
nur bei, daß dieses schon darum nicht seyn kann, weil diese Krystalle zum Systeme
der Rhombenpyramide, die des Eises hingegen zu dem des Rhomboeders
gehoͤren.