Titel: | Ueber das Probieren der bleiernen Röhren. |
Fundstelle: | Band 19, Jahrgang 1826, Nr. XVII., S. 79 |
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XVII.
Ueber das Probieren der bleiernen
Roͤhren.
Aus dem Caledonian Mercury in Gill's technical Repository.
October 1825. S. 242.
Ueber das Probieren der bleiernen Roͤhren.
Hr. Jardine, auf dem Water
Company's Yard in Heriot's-green zu Edinburg, stellte neuerlich einige interessante
Versuche an, um die
Staͤrke der bleiernen Roͤhren, d.h., die Dike des Metalles zu finden,
die man den Roͤhren geben muß, um das Wasser durch verschiedene Theile der
Stadt zu leiten.Es ist sehr zu bedauern, daß die gute Stadt Edinburgh ihr Trinkwasser durch
bleierne Roͤhren leiten laͤßt, deren Schaͤdlichkeit
durch so viele Thatsachen erwiesen ist. A. d. Ueb. Dieser Gegenstand ist sehr wichtig, und in praktischer Hinsicht noch sehr im
Dunkeln. Die Versuche dieses ausgezeichneten Mechanikers koͤnnen daher nicht
anders, als sehr wichtig seyn, und wir erwarten ihre Bekanntmachung; denn in diesem
Zweige der Mechanik, wie in vielen anderen, reichen einige wenige mit Geist und
Sorgfalt in ein Paar einzelnen Faͤllen angestellte Versuche hin, um eine
Menge von Faͤllen zu umfassen, die taͤglich in der Praxis vorkommen.
Die Staͤrke der Roͤhren, z.B. selbst bei gleicher Metalldike, ist nach
verschiedenem Durchmesser derselben sehr verschieden: je groͤßer der innere
Durchmesser der Roͤhre, desto schwaͤcher ist sie. Es ist daher ganz
uͤberfluͤßig, Versuche mit Roͤhren von allen verschiedenen
Groͤßen anzustellen: Eine gute Beobachtung an einer Roͤhre von
bestimmtem Durchmesser und bestimmter Dike reicht hin, um eine Regel zur Berechnung
der verschiedenen Staͤrke aller uͤbrigen aufstellen zu
koͤnnen.Das ist zuviel behauptet; es muͤssen mehrere Versuche angestellt
werden; denn einer allein gibt kein Verhaͤltniß. A. d. Ueb. Folgendes ist das Resultat zweier der oben erwaͤhnten Versuche.
Die Art, wie der Versuch angestellt wurde, ist folgende: die Roͤhre, die dem
Versuche unterzogen wird, ist an einem Ende verschlossen; das andere Ende steht mit
einer Drukpumpe in Verbindung, durch welche das Wasser in dieselbe
eingedruͤkt, und so lange gedruͤkt wird, bis es auf die Roͤhre
auf allen Seiten mit einem so heftigen Druke wirkt, als ob das Wasser von einer sehr
hoch gelegenen Quelle herabkaͤme: die Roͤhre wird dadurch von allen
Seiten aus einander gedruͤkt in dem Verhaͤltnisse der Hoͤhe der
Quelle. Die Pumpe ist aber zugleich auch mit einer Klappe versehen, durch welche der
Grad des Drukes, welcher der Roͤhre mitgetheilt wird, genau bemessen wird; so
daß man bei jedem Versuche die Hoͤhe berechnen kann, in welcher der
Wasserbehaͤlter sich befindet, der durch das aus demselben abfließende Wasser
einen aͤhnlichen Druk erzeugt. Auf diese Weise ergibt sich eine Regel, nach
welcher man die Staͤrke einer jeden Roͤhre dem Druke, welchem sie
ihrer Lage nach unterliegt, bemessen kann. Wenn das Wasser, welches aus der
Drukpumpe eingepreßt wird, anfaͤngt die Roͤhre aus einander zu
treiben, so bemerkt man, einige Zeit uͤber, wenig oder gar keine
Veraͤnderung. So wie aber das Pumpen fortwaͤhrt, und der Druk dadurch
vermehrt wird, schwillt die Roͤhre nach und nach ihrer ganzen Laͤnge
durch an, bis man zulezt eine kleine Hervorragung bemerkt, die an irgend einem
schwachen Theile entsteht, und immer groͤßer wird, bis endlich die Substanz
des Metalles nach und nach duͤnner wird, und zulezt vollkommen aus einander
reißt: dann berstet die Roͤhre mit Krachen, und das Wasser springt mit Gewalt
heraus.
Bei dem ersten Versuche hatte die Roͤhre anderthalb Zoll im Durchmesser, und
das Metall, welches bedeutend weich und biegsam war, war ein Fuͤnftel Zoll
dik. Diese Roͤhre wurde, auf obige Weise, so lange getrieben, bis der Druk
einer Quelle oder Wasserhoͤhe von 1000 Fuß Hoͤhe, d.h., dreißig
Atmosphaͤren, gleich kam; also 420 Pfund auf jeden Quadrat-Zoll. Dieser Druk
wurde ohne alle Veraͤnderung ertragen: als er aber auf 1200 Fuß Hoͤhe
stieg, fing die Roͤhre an zu schwellen, und bei 1400 Fuß, oder 600 Pfund auf
den Quadrat-Zoll barst sie.
Es scheint erstaunlich, wie ein so weiches Metall, als Blei einen so ungeheuren Druk
zu ertragen vermag; dieß ruͤhrt aber davon her, daß er gleichfoͤrmig
auf jedes Theilchen der Masse derselben vertheilt ist. Es ist hier durchaus keine
ungleichfoͤrmige Wirkung auf verschiedene Theile der Roͤhre, sondern
eine gleichfoͤrmige strekende Spannung uͤber die ganze Flaͤche
derselben: die guͤnstigste Lage fuͤr irgend eine Kraft.
Als man die Roͤhre nach dem Versuche maß, fand man sie in ihrem Durchmesser
von 1 1/2 Zoll auf 1 3/4 Zoll in ihrem Durchmesser erweitert, so daß ein Theil
dieser Roͤhre, der dem Versuche nicht unterworfen ward, in dieselbe
hineingestekt werden konnte. Der durch diesen Druk erzeugte Bruch hatte ein
sonderbares Ansehen. Die Kanten waren nicht gezaͤhnt oder zerrissen, sondern
vollkommen gleich und glatt, und scharf wie ein Messer, so daß man deutlich sieht,
wie das Metall durch den inneren Druk nach und nach, wie weicher Thon oder Wachs,
ausgedehnt, und endlich bis auf Nichts reducirt wurde.
Bei dem zweiten Versuche hielt die Roͤhre zwei Zoll im Durchmesser, und 1/5
Zoll Metall-Dike. Sie ertrug den Druk einer Wassersaͤule von 800 Fuß
Hoͤhe, ohne beinahe zu schwellen; barst aber bei einem Druke von 1000 Fuß
Hoͤhe. Der Druk war nicht so schoͤn, da das Metall nicht so
zaͤhe war.
Es wuͤrde gewagt seyn, wenn man diese Roͤhren in der wirklichen
Anwendung einem hoͤheren Druke als dem dritten Theile des eben angegebenen
aussezte. Indessen scheint es noch immer, daß eine zweizoͤllige Roͤhre
mit 1/5 Metall-Dike einem Druke von 800 Fuß zu widerstehen vermag. Wir wollen hier,
statt mehrerer anderer Beispiele von der Nuzanwendung dieser Versuche, welche der
beschraͤnkte Raum unserer Blaͤtter anzuwenden verbiethet, eines
interessanten Alterthums-Stuͤkes erwaͤhnen: einer roͤmischen
bleiernen Roͤhre, die Prof. Leslie aus Italien
mitbrachte, und von welcher man vermuthet, daß sie Wasser in eines der Baͤder
der Imperatoren leitete. Sie ist nicht rund, sondern hat eine unregelmaͤßige
ovale oder etwas gefletschte, Form, so daß es scheint, als waͤre das Blei nur
zusammengerollt, und an den Kanten kraͤftig zusammengeloͤthet, nicht
aber uͤber einen Kern gebildet worden. So viel wir uns erinnern, ist es, nach
einer Seite hin, 1 1/2 Zoll im Durchmesser, nach der anderen 2 Zoll: das Metall ist
ungefaͤhr 3/4 Zoll dik. Die Staͤrke dieser Roͤhre ist demnach,
nach obigen Versuchen, ganz ungeheuer groͤßer, als noͤthig, und
beweist eben dadurch den Nuzen genauer Versuche, die bei der Anlage solcher Werke
sicher leiten koͤnnen.
Hr. Gill bemerkt, daß diese Art, die Staͤrke der
Roͤhre zu pruͤfen, zuerst von Dr.
DesaguliersDesaguliers Lehrbuch der Physik ist in
Deutschland zu wenig bekannt. Es ist vielleicht noch immer das beste
Lehrbuch der Physik fuͤr Kuͤnstler und Gewerbsleute, auf
welche unsere deutschen Compendien-Schreiber der Physik bisher zu wenig
Ruͤksicht nahmen. Eine populaͤre, technische, Physik ist noch immer ein Desideratum in der deutschen Litteratur. A. d. Ueb.
beschrieben wurde, und daß diese Beschreibung die originelle Idee zu der
unendlichen Kraft in Bramah's hydrostatischer Presse
gegeben hat.