Titel: | Versuche über die Elasticität und Stärke des harten und weichen Stahles. Von Hrn. Thom. Treadgold, bürgerl. Baumeister. |
Fundstelle: | Band 17, Jahrgang 1825, Nr. LXXIII., S. 340 |
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LXXIII.
Versuche über die Elasticität und Stärke des
harten und weichen Stahles. Von Hrn. Thom.
Treadgold, bürgerl. Baumeister.
Aus den Philosophical Transactions of the Roy. Society of
London im Repertory of Arts and Manufactures. Mai. 1825.
S. 354.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Treadgold's Versuche über die Elasticität und Stärke des harten und
weichen Stahles.
Wenn ein Stuͤk sehr harten Stahles weich gemacht wird, so kann man
natuͤrlich voraussezen, daß diese Operation auch eine
verhaͤltnißmaͤßige Veraͤnderung in der Elasticitaͤt
desselben hervorbringt, und daß dasselbe Gewicht, unter uͤbrigens gleichen
Umstaͤnden, eine groͤßere Biegung an dem weichen, als an dem harten Stuͤke
hervorbringen wird. Hr. Coulomb schloß aus einigen
vergleichenden Versuchen an kleinen Stuͤken, daß der Grad der Temperirung die
Elasticitaͤt des Stahles nicht veraͤndert, und Ihre Versuche
uͤber die Schwingung (experiments on Vibration, Nat.
Philos. II. p. 403.) fuͤhren zu
demselben Schluße. Dieser Gegenstand schien indessen noch eine weitere Untersuchung
zu fordern, vorzuͤglich weil sich dadurch eine Gelegenheit darboth, noch
andere Thatsachen hinsichtlich des Stahles zu bestimmen, die bisher noch nicht
untersucht worden sind.
Bei den Versuchen, welche ich jezt beschreiben will, wurde jede Stange an ihren Enden
von zwei Bloͤken aus Gußeisen gestuͤzt, welche auf einem starken
hoͤlzernen Gestelle ruhten. Die Schale, welche die Gewichte zu tragen hatte,
ward in der Mitte der Laͤnge der zu pruͤfenden Stange an einem
walzenfoͤrmigen staͤhlernen Stifte aufgehaͤngt, der
ungefaͤhr 3/8 Zoll im Durchmesser hatte. Und da bei Versuchen dieser Art es
sehr wuͤnschenswerth ist, daß man das Gewicht an der Stange heben
koͤnne, ohne die Lage derselben zu veraͤndern, damit man wisse, wann
die Schwere hinreicht, um eine bleibende Veraͤnderung in der Structur
derselben hervorzubringen, so bediene ich mich einer starken und feinfadigen
Schraube, die uͤber dem Mittelpuncte des Apparates befestigt ist, wodurch die
Schale gehoben und gesenkt werden kann, wenn die Schnuͤre, auf welche die
Schraube wirkt, um den Querstift geschlagen werden, an welchem die Schale
haͤngt.
Um die Biegung zu messen, ist ein Quadrant-Stuͤk aus
Mahagony-Holz an dem hoͤlzernen Gestelle befestigt; zwei Leiter sind
an jeder Kante des Quadranten fest gemacht, worin sich eine senkrechte Stange
schiebt, und einen Zeiger bewegt. Die Stange und der Zeiger sind wechselseitig so in
Gleichgewicht gesezt, daß das eine Ende der Stange in bestaͤndigem Druke auf
das zu untersuchende Stuͤk steht, waͤhrend der Zeiger sich
uͤber einen Gradbogen bewegt, der in Zolle, in Zehntel und in Hundertel
getheilt ist: die Tausendtheile werden mittelst eines Vernier am Ende des Zeigers
abgelesen. An dem unteren Ende der senkrechten Stange ist eine Schraube angebracht, durch
welche der Zeiger noͤthigen Falles auf o,
gestellt werden kann. Fig. 1. auf Tab. X.
Die ersten Versuche wurden mit einer Stange blasigen Stahles von erster Guͤte
angestellt. Sie wurde mittelst des Hammers zu der von mir darauf bezeichneten Dike
und Breite ausgestrekt, dann genau und regelmaͤßig zugefeilt, und hierauf bis
zum Grade der Haͤrte der gewoͤhnlichen Feilen gehaͤrtet.
Die ganze Laͤnge der Stange betrug 14 Zoll; die Laͤnge zwischen den
Unterlagen 13; die Breite 0,95 Zoll; die Hoͤhe 0,375; das Thermometer spielte
zwischen 55 und 57° Fahrenheit.
Bei einem Druke von
54
Pf.
betrug
die
Vertiefung
in
der
Mitte
0,02
Zoll;
82
–
–
–
–
–
–
–
0,03
–
110
–
–
–
–
–
–
–
0,04
–
Dieses lezte Gewicht blieb einige Stunden auf der Stange, ohne eine bleibende
Veraͤnderung in der Form zu erzeugen.
Die Haͤrte der Stange ward dann bis auf ein tiefes Strohgelb herab vermindert,
und die vorigen Versuche wurden wiederholt: es erschienen dieselben Biegungen unter
denselben Gewichten.
Die Haͤrte der Stange ward bis zum gleichfoͤrmigen Blau oder bis zur
Federhaͤrte herab vermindert: es erschienen wieder dieselben Biegungen unter
denselben Gewichten.
Nun wurde sie roth gegluͤht und sehr langsam abgekuͤhlt. Auch in diesem
Zustande brachten dieselben Gewichte noch immer dieselben Biegungen hervor, und eine
Last von 110 Pfund verursachte keine bleibende Veraͤnderung in der Form.
Die Stange wurde wieder, und zwar sehr hart, gehaͤrtet. In diesem Zustande
brachten dieselben Gewichte dieselben Biegungen hervor, und ein Gewicht von
300
Pfund
machte
eine
Vertiefung
in
der
Mitte
von
0,115
Zoll;
350
–
–
–
–
–
–
–
–
0,130
–
580
–
brachen
sie.
Als das Gewicht von 350 Pfund von der Stange abgenommen wurde, behielt leztere eine
bleibende Biegung von 0,005 Zoll, welche bei einer Zulage von 10 Pfund bis auf 0,01
stieg.
Ich fand, daß man eine weit laͤngere Stange ohne Schwierigkeit haͤrten
konnte, und ließ daher eine andere Stange aus derselben Art von Stahl verfertigen,
die 25 Zoll lang war, und der man mit demselben Gewichte eine ungefaͤhr
doppelt so starke Biegung geben konnte, so daß man auch den kleinsten Unterschied in
der elastischen Kraft leicht zu entdeken vermochte, indem die vorigen Versuche
hinreichen, um zu beweisen, daß, wenn ein Unterschied Statt hat, er aͤußerst
gering seyn muß.
Die Breite dieser Stange betrug 0,92 Zoll; ihre Hoͤhe 0,36 : die Laͤnge
zwischen den beiden Unterlagen 24 Zoll. Sie war so weich, daß sie der Feile leicht
nachgab. Bei einem Gewichte von
18,6
Pf.
betrug
die
Vertiefung
in
der
Mitte
0,05
Zoll;
37,
–
–
–
–
–
–
–
0,10
–
47,
–
–
–
–
–
–
–
0,127
–
Die Stange wurde hierauf gehaͤrtet, so daß sie uͤberall der Feile zu
widerstehen vermochte; dieselben Gewichte brachten Vertiefungen hervor, die kaum
merklich von den vorigen im weichen Zustande verschieden waren.
Ich verminderte dann die Haͤrte bis zum gleichfoͤrmigen Strohgelb, wo
ein Gewicht von
47
Pf.
eine
Vertiefung
in
der
Mitte
von
0,127
Zoll;
85
–
–
–
–
–
–
–
0,230
–
130
–
–
–
–
–
–
–
0,350
–
150
–
–
–
–
–
–
–
0,400
– hervorbrachte.
Ein Gewicht von 150 Pfund brachte eine bleibende Vertiefung von 0,012 hervor; 130
Pfund brachten aber „keine“
Im Originale ist offenbar „no“ ausgelassen. A. d. Ueb. so merkliche Wirkung hervor.
Die Gewichte wurden verstaͤrkt, und bei
185
Pf.
betrug
die
Vertiefung
in
der
Mitte
0,50
Zoll; bei
385
–
–
–
–
–
–
–
1,04
–
Als die 385 Pfund ungefaͤhr Eine Minute lang auf der Stange lagen,
hoͤrte man einen schwachen Kracher, und ich hoͤrte daher auf, mehr
Gewichte aufzulegen: in ungefaͤhr 14 Minuten brach die Stange genau in der
Mitte ihrer Laͤnge.
Bei Vergleichung der Bruchflaͤchen der verschiedenen Stangen zeigte sich kein
anderer merklicher Unterschied, als in der Farbe. Das Korn war fein, gleich; die
kleinen metallisch glaͤnzenden Puncte waren haͤufig und
gleichfoͤrmig vertheilt; an den haͤrteren Stangen war der Grund
weißer.
Aus diesen Versuchen erhellt, daß die Elasticitaͤt des Stahles merklich
dieselbe in allen Zustaͤnden der Haͤrte ist.
Die Hoͤhe des Modulus der Elasticitaͤt, nach Ihrer Formel in Ihrer Nat. Phil. II. 48. berechnet, ist,
nach
dem
ersten
Versuche
8,827,300
Fuß.
–
–
zweiten
–
8,810,000
–
Nun ist aber die Hoͤhe des Modulus, wie Sie dieselbe fuͤr den Stahl
durch Versuche uͤber die Vibration Nat. Phil. II.
86. bestimmten, 8,530,000. Der Modulus fuͤr den Guß-Stahl nach Duleau's Versuchen (Essai
Théorique et Experimental sur le Fer Forgé p. 38.) ist
9,400,000 Fuß; und fuͤr den deutschen Stahl 6,600,000 Fuß.
Die Kraft, welche eine bleibende Veraͤnderung erzeugt, verhaͤlt sich zu
jener, welche den Bruch hervorbringt, bei dem harten Stahle, wie 350 : 580; oder wie
1 : 1,66; in demselben Stahle von strohgelber Haͤrte, wie 150 : 385, oder 1 :
2,56.
Wenn die Spannung der oberflaͤchlichen Theilchen bei jenem Druke, welcher eine
bleibende Veraͤnderung hervorbringt, nach der Formel berechnet wird, die ich
in meinem Versuche uͤber die Staͤrke des Eisens (Essay on the Strength of Iron, p. 146. 2. edit.) angegeben habe, so erhaͤlt man 45,000 Pf.
auf einen □ Zoll bei dem gehaͤrteten Stahle; und die absolute
Cohaͤsion ist 115,000 Pfund. Hr. Rennie fand die
directe Cohaͤsion des blasigen Stahles = 133,000 Pfund (Philosophical Transactions 1818.)
Nun war aber der Druk, welcher eine bleibende Veraͤnderung hervorbrachte, bei
jedem harten Stahle 51,000 Pfund auf den □ Zoll und die absolute
Cohaͤsion nur 85,000 Pf.
Aus diesen Vergleichungen geht hervor, daß, bei dem Haͤrten des Stahles, die
Theilchen desselben in eine solche Spannung gegen einander gebracht werden, daß ihre
Kraft einer aͤußeren Gewalt zu widerstehen, dadurch vermindert wird. Der
Betrag dieser Spannung sollte gleich seyn der Differenz der absoluten
Cohaͤsionen in den verschiedenen. Zustanden. Wenn man Hrn. Rennie's Versuch als Maßstab der Cohaͤsion in
weichem Zustande annimmt; so erhaͤlt man 133,000 – 115,000 = 18,000
Pfd. fuͤr die Spannung bei einer strohgelben Haͤrtung; und 133,000
– 85,000 = 48,000 Pfund fuͤr die Spannung des harten Stahles. Wenn
diese Ansicht richtig ist, laͤßt sich das Phaͤnomen des
Haͤrtens auf folgende Weise erklaͤren, die beinahe mit jener in Ihren
Lectures 1. p. 644
uͤbereinkommt: nachdem ein Stuͤk Stahl bis zu einer gehoͤrigen
Temperatur erhizt wurde, wird eine kuͤhlende Fluͤssigkeit angewendet,
die im Stande ist, die Hize schneller von der Oberflaͤche
wegzufuͤhren, als die inneren Theile des Stahles dieselbe nachliefern
koͤnnen. Daher das Zusammenziehen der Theile an der Oberflaͤche um die
in dem Mittelpuncte gelegenen, welche von der Hize ausgedehnt sind; und die
Zusammenziehung der in dem Mittelpuncte befindlichen Theile, waͤhrend sie in
einen weiteren Raum ausgedehnt sind, als sie bei einer niedrigen Temperatur
noͤthig haben, und daher jene gleichfoͤrmige Spannung, welche die
Cohaͤsionskraft des gehaͤrteten Stahles so sehr vermindert. Der
vermehrte Umfang bei dem Haͤrten stimmt mit dieser Erklaͤrung, und
laͤßt erwarten, daß auch jedes andere Metall sich haͤrten lassen
wuͤrde, wenn wir ein Mittel faͤnden die Hize mit groͤßerer
Schnelligkeit, als die leitende Kraft desselben, zu entziehen.