Titel: | Bessere Benuzung des Aufschlagwassers und des Gefälls bei oberschlächtigen Wasserrädern, welche ohne große Schwierigkeit und Kosten in den meisten Mühlen angewendet werden kann, und wodurch sie einen bedeutend größern Werth erhalten. |
Fundstelle: | Band 17, Jahrgang 1825, Nr. XXV., S. 103 |
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XXV.
Bessere Benuzung des Aufschlagwassers und des
Gefälls bei oberschlächtigen Wasserrädern, welche ohne große Schwierigkeit und Kosten in
den meisten Mühlen angewendet werden kann, und wodurch sie einen bedeutend größern Werth
erhalten.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Bessere Benuzung des Aufschlagwassers und des Gefälls bei
oberschlächtigen Wasserrädern.
Der aufmerksame, kunstverstaͤndige Beobachter wird an
den meisten oberschlaͤchtigen Muͤhlen Fehler entdeken, welche der
Maschinerie oft 1/3 ihrer Bewegkraft rauben. Unverstaͤndige, an alten
Gewohnheiten klebende Muͤhlenbaumeister (sogenannte
Muͤhlaͤrzte) schassen solche Fehler nicht ab, und so entgeht mancher
Muͤhle ein Vortheil, der ihr ohne große Kosten gegeben werden konnte. Da es
indessen doch Muͤhlenbaumeister gibt, die sich belehren lassen, so will ich
einige dieser Fehler naͤher untersuchen.
Dabei kommen folgende Stuͤke einer oberschlaͤchtigen Muͤhle in
Betrachtung.
1) der Eichpfahl. Jede Muͤhle muß ein gewisses
Gefaͤll des Wassers haben, wodurch die Maschine in Bewegung gesezt wird.
Dieses wird durch den obern und untern Eichpfahl bezeichnet und festgesezt, und ist
Eigenthum des Muͤhlenbesizers, welches auf keine Weise geschmaͤlert
werden darf.
Dagegen aber darf der Muͤller niemals sein Wasser uͤber den Eichpfahl
aufstauen. Je besser nun das Wasser zwischen den beiden Eichpfaͤhlen, oder
was dasselbe ist, das Gefaͤll benuzt wird, desto mehr Vortheil
erwaͤchst der Muͤhle, Wie er diesen Zwek erreicht, ist jedem andern
gleich, und es waͤre Thorheit hierin Schranken sezen zu wollen, So ist es
z.B. fuͤr jeden andern unschaͤdlich, ob der Muͤller seine
Einlaßschuͤze viel oder wenig aufzieht, ob sie breit oder schmal ist, hoch
oder nieder liegt etc. Kurz! der Muͤller benuzt sein Gefaͤll zwischen
seinen beiden gegebenen Eichpfaͤhlen nach bestem Wissen; sorgt aber
dafuͤr, daß, wenn eintretendes Hochwasser den oberen Eichpfahl
uͤbersteigt, das Wehr geoͤffnet wird.
Ferner kommt in Betrachtung:
2) das Vorstandwasser, (das nasse Gefaͤll,
Wasserschwere vor der Schuͤze) ist dasjenige Wasser, welches, wenn die
Einlaßschuͤze gezogen und die Muͤhle im Gange ist, noch vor dieser,
bis zur Hoͤhe des Eichpfahls steht.
Oberschlaͤchtige Werke sollten gar keinen solchen Wasser-Vorstand
haben, denn er nuzt wenig, schadet aber viel. Je ruhiger das Wasser auf das
Wasserrad laͤuft, desto besser ist es. –Bei oberschlaͤchtigen Werken wird mehr mit der Schwere des Wassers,
als mit dem Stoße ausgerichtet. – Bei Muͤhlen, welche die ungeschikte Einrichtung mit einem starken
Wasservorstande vor der Schuͤze haben, steht bei Wassermangel der Eichpfahl
oft 12 Zoll hoch uͤber den Wasserspiegel heraus, und dabei sollte sich doch
wohl der Muͤller erinnern, daß er sein Gefaͤll schlecht zu benuzen
weiß.
3) der Fall von der Einlaßschuͤze bis auf's Wasserrad. Dieser betraͤgt
oft 4–6 Zoll und ist ebenfalls eine Verschwendung des Gefaͤlls, denn
wie gesagt, das Wasser soll ruhig bis zur Oeffnung rinnen, durch welche es auf das
Rad faͤllt.
4) das Wasserrad. In den meisten Muͤhlen ist das
Wasserrad zu tief und zu weit geschaufelt. Beides ist nachtheilig. – Sind die
Schaufeln zu tief, so kommt das Wasser zu nahe an den Mittelpunct des Rades, und das
Gewicht desselben hat
einen kurzen Hebel. Daher wirkt es erst beim Ausguß, oder wenn sich der Kasten
leert. Ist ein Rad zu weit geschaufelt, so nimmt es nicht genug Wasser auf, wodurch
eine große Wirkung verloren geht. Damit ein Wasserrad eine hinlaͤngliche
Menge Wasser aufnehmen kann, muß es eng geschaufelt, und dabei moͤglichst
breit gemacht werden. Die Schaufeln eines Wasserrades muͤssen zum vorhandenen
Wasser-Volumen ein solches Verhaͤltniß haben, daß sie bei einem
mittlern Wasserstande ganz gefuͤllt werden. Sie duͤrfen aber durchaus
nicht so groß seyn, daß sie bei demselben Wasserstande halb leer bleiben.
Das bisher Vorgetragene wird deutlich werden, wenn man zwei Wasserraͤder,
eines bei einer schlechten Benuzung des Gefaͤlls und von schlechter
Construction, und das andere von besserer Einrichtung und
Gefaͤll-Benuzung miteinander vergleicht. Ich uͤbertreibe hier
keineswegs, indem ich das schlecht construirte Rad Fig. 8. aufstelle; es ist
eines von denen, die man zu Hunderten in gewoͤhnlichen Muͤhlen auf dem
Lande zu sehen bekommt.
Fig. 8. ist
nun ein gewoͤhnliches fehlerhaftes Rad, wobei das Gefaͤll schlecht
benuzt ist.
aa, ist die obere Wasserlinie, welche
hoͤher zu stauen der Eichpfahl verbietet.
bb, die untere Wasserlinie, welche ebenfalls
festgesezt ist. Die senfrechte Entfernung beider Linien heißt das Gefaͤll und
von diesem haͤngt die Kraft des Werkes ab.
c, Fig. 8. ist der
aͤußere Rand des Wasserrades, welches 10 Fuß 2 Zoll im Diameter hat.
d, ist der innere Kreis des Rades oder der Boden der
Schaufeln. Im Durchschnitte hat dieser Kreis 7 Fuß, Zwischen, cd, sind demnach die Schaufeln angebracht.
E, ist die Einlaßschuͤze, nur 4 Zoll hoch
aufgezogen. Sie hat noch 14 Zoll Wasservorstand, naͤmlich von der untern
Kante der Schuͤze bei, F, bis zum
hoͤchsten Wasserspiegel bei, a.
G, ist die Rinne hinter der Einlaßschuͤze; sie
hat hier 4 Zoll Gefaͤll.
H, ist der Punct, wo das Wasser auf das Rad
faͤllt. Ohngeachtet hier 12 Fuß Gefaͤll vorhanden ist, so haͤlt
das Wasserrad doch nicht mehr als 10 Fuß 2 Zoll im Durchmesser. Das Wasser aber
faͤllt auf den Boden der Schaufeln und wirkt hier am meisten, weßhalb
eigentlich diesem Rade nur ein Durchmesser von 7 Fuß zukommt.
Fig. 9. ist
das verbesserte Rad mit einer zwekmaͤßigen Benuzung des Gefaͤlls.
E, ist die Einlaßschuͤze, ganz aufgezogen, und
mithin ist hier gar kein Wasservorstand.
Das Wasserrad, Fig.
9. ist um 1/4 oder 1/5 breiter, als das Fig. 8. damit es um so
mehr Wasser faßt. Die Rinne, G, Fig. 9. hat mit dem Rade
gleiche Breite, und gar keine Gefaͤll auf's Rad. Die Wasserdike bei, i, betraͤgt 8 Zoll. Von dem ganzen Gefaͤll
gehen demnach nicht mehr als 8 Zoll ab, und daher
kann dem verbesserten Rade ein Durchmesser von 11 Fuß 4 Zoll gegeben werden. Von der
aͤußern Peripherie bis zum Boden der Schaufeln, von c bis d, sind 8 Zoll, und der Durchschnitt bis
an den Schaufelboden gemessen ist = 10 Fuß. Gegen den vorigen Fig. 8. sind demnach hier
3 Fuß gewonnen, was bei einem Wasserrade der Art von unendlichem Vortheile ist.
Da die Schaufeln bei dem verbesserten Rade, Fig. 9. breiter und der
engen Schaͤuflung wegen auch mehr an der Zahl sind, als bei dem Fig. 8. so
fassen sie wenigstens eben so viel Wasser, als diese; aber der wesentliche
Unterschied ist der, daß die Wasserschwere an einem 1 1/2 Fuß laͤngeren Hebel
wirken kann, und hieraus wird man den Nuzen meines Vorschlages genuͤgend
einsehen.
Wer die Theorie dieser Wasserraͤder nicht einsehen kann, und ihren Nuzen
bezweifeln wollte, den kann die Erfahrung belehren, denn wir haben sechs
verschiedene Wasserraͤder aufzuweisen, welche seit mehreren Jahren hier
eingerichtet wurden, und nun im besten Gange sind.
Auch wurde vor vier Jahren ein unterschlaͤchtiges Werk nach dieser Theorie zu
einem oberschlaͤchtigen umgewandelt, und ohngeachtet die neuen Raͤder
nur 4 Fuß 8 Zoll Hoͤhe erhielten, so leistet doch das neue Werk das Doppelte
so viel, als das alte.Im vorigen Jahre vollendete Hr. Mechanikus Spaͤth aus Nuͤrnberg, in Ellingen eine treffliche
oberschlaͤchtige Mahl- und Saͤg-Muͤhle
von 12 Fuß Gefaͤll nach obiger Theorie, welche alles leisteten, was
mit Billigkeit verlangt werden kann, und wovon uns Hr. Kreisbauinspector Voit demnaͤchst eine Beschreibung liefern
wird. D.
Findet diese Mittheilung geneigte Aufnahme, so wird ein Nachtrag uͤber
verbesserte Zapfenlager (Anwellen) und uͤber einige Nachtheile bei
gewoͤhnlichen Mahlmuͤhlen folgen. R.