Titel: | Betrachtungen über die Nothwendigkeit des Verbothes der zollfreien Ausfuhr der gesponnenen Baumwolle; über die Vortheile der Kunststühle für Großbritannien, den niedrigen Arbeitslohn in Indien, und die Unklugheit das auf Baumwollen-Spinnmühlen gesponnene Garn nach Indien zu verführen. |
Fundstelle: | Band 15, Jahrgang 1824, Nr. CV. CIV. , S. 454 |
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CV.
Betrachtungen über die Nothwendigkeit des
Verbothes der zollfreien Ausfuhr der gesponnenen Baumwolle; über die Vortheile der
Kunststühle für Großbritannien, den niedrigen Arbeitslohn in Indien, und die Unklugheit
das auf Baumwollen-Spinnmühlen gesponnene Garn nach Indien zu verführen.
Aus Quest's History of the
Cotton-Manufacture. London 1823 in Gill's technical Repository. October 1824. S.
218.
Betrachtungen über die Nothwendigkeit des Verbothes der zollfreien
Ausfuhr der gesponnenen Baumwolle.
Im Jahr 1790 wurde die Spinn-Maschine (Mule)
eingefuͤhrt, und beinahe gleichzeitig wurde die Dampfmaschine zum Treiben der
Spinnmaschinen verwendet.
Dadurch sank der Preis des Garnes so sehr, daß unsere Fabrikanten im Stande waren
ihre Fabrikate wohlfeiler zu verkaufen, als ihre Rivalen, und zugleich den
Wochenlohn ihrer Weber bis auf 30 Shillings (9 fl.) zu erhoͤhen.
Das auf den Wassermuͤhlen und dem sogenannten Jenny gesponnene Baumwollengarn
ist grob, und dient vorzuͤglich zu groben Waaren, Thicksets, Velvetins,
Fancy-Cords und Calicos. Diese Waaren wurden auch in Frankreich, Sachsen, in der
Schweiz, aus Garn verfertigt, das auf dem Spinnrade gesponnen wurde. Der niedrige
Arbeitslohn in diesen Laͤndern ersezte zum Theile die Vortheile der
englischen Maschinen; in Erzeugung feiner Musline hatten die Englaͤnder
bisher keine Rivalen in Europa. Franzosen, Sachsen, Schweizer, konnten das Garn zu
feinen Muslinen auf dem Spinnrade nicht Spinnen, und einige Jahre lang blieb dieser
Fabrik-Zweig einzig in den Haͤnden der Englaͤnder. Die Fabrikanten,
des festen Landes wußten indessen sich gar bald mit feinem Garne aus England zu
versehen, und mittelst dieses Garnes konnten sie eben so schnell mit unseren
englischen Manufakturen wetteifern. „Durch die Ausfuhr des Mule-Garnes
haben die Englaͤnder die auslaͤndischen Baumwollen, Fabriken
genaͤhrt und erhalten, und zwar in einem Umfange, der drei Fuͤnftel
ihres eigenen Bedarfes betraͤgt; sie haben sich also an dem Wohle ihrer
eigenen Weber hoͤchst groͤblich versuͤndigt.“
Auf dem festen Lands sind alle Lebens-Beduͤrfnisse wohlfeiler als in
England174) . der Wochenlohn der Weber ist sehr gering; wenn man also den fremden Webern
dasselbe Garn, dessen die englischen Fabriken sich bedienen, um denselben Preis
liefert, um welchen die englischen Fabriken dasselbe kaufen muͤssen, so
muͤssen diese Fabriken den Wochenlohn ihrer Weber auf denselben Fuß mit dem
Auslande herabsezen, wenn sie nicht wollen von den auslaͤndischen Fabriken
uͤberfluͤgelt werden175) .
„Die Maschinen Englands sind also, vorzuͤglich in dem Falle des
Mule-Garnes, Huͤlfsquellen fuͤr das Ausland geworden, das allgemein aus Feinden
Englands besteht176) . Unsere Maschinen haben ihre Schazkammern bereichert, und ihnen geholfen
eine Armee gegen uns zu unterhalten, und, in ebendemselben Maaße, uns verarmt
und uns geschadet.“ Daß dieß nicht ein uͤbertriebenes
Gemaͤhlde ist, wird aus folgenden dem Parliament vorgelegten
Acten-Stuͤken uͤber die Ausfuhr des Baumwollengarnes erhellen:
Im Jahr
1816
wurde an Baumwollengarn ausgefuͤhrt
16,362,782
Pf.
1818
16,106,000
–
1819
19,652,000
–
1820
23,900,000
–
1821
23,200,000
–
1822177)
28,000,000
–
Man kann das im Jahr 1820 in England
gesponnene Baumwollengaren fuͤglich schaͤzen auf
110,000,000 Pf.
Ausgefuͤhrt wurde im Jahr 1820 nach
Parliament-Acten,
23,900,000 –
––––––––––––––
Bleiben:
86,100,000 Pf.
Davon brauchen die Spizen-, Strumpf- etc.
Fabriken
7,000,000
–
––––––––––––––
Folglich bleiben fuͤr die
Zeug-Fabriken
79,100,000 Pf.
Von diesen 79 Millionen in England gesponnenen Garnes, wurde die Haͤlfte zur
Kette, die andere Haͤlfte zum Eintrage gesponnen Wir koͤnnen also, in
runden Zahlen, annehmen, daß im Jahr 1820 England 40 Millionen Pfund Garn gesponnen,
und 24 Millionen davon ausgefuͤhrt hat. Da nun die Ausfuhr des Garnes 3, und
der Verbrauch bei Hause 5 betraͤgt, so kann man annehmen, daß auf 5
Baumwollen-Weber in England 3 im Auslande durch unsere Ausfuhr mit dem zu ihrer
Kette noͤthigen Garne versehen werden; denn im Auslande spinnt man
gewoͤhnlich den Eintrag selbst. Die Zahl der Baumwollen-Weber in England muß
wenigstens 360,000 betragen, und mit ihren Familien bilden sie wenigstens eine halbe
Million. Die Gesamt-Zahl aller, im Jahr 1822 in England fuͤr das Ausland
beschaͤftigten Spinner, kann aber sich nicht uͤber 31,000 belaufen,
und von diesen sind wenigstens 20,000 Kinder. Die 28 Millionen Pfund, die diese
Leutchen spinnen, versehen mehr als 250,000 Weber ein Jahr, lang mit dem
noͤthigen Kettengarne.
„Die Individuen in England, welche durch die Ausfuhr des Baumwollengarnes
gewinnen, verhalten sich also wie 31, und mit ihren Familien, wie 46; die Weber
hingegen, die durch diese Ausfuhr leiden, mit ihren Familien, wie 500. Welch ein
ungeheurer Unterschied! Man opfert 500,000 Menschen fuͤr 46000178) . Sollte es nicht in dem Geiste der Zeit seyn, gegenwaͤrtig der
Handelsbeschraͤnkung das Wort zu reden? Nein! Die Sache spricht
fuͤr sich selbst. Wir haben eine Schlange im Busen genaͤhrt, die
uns beißen wird; die uns jezt schon beißt, und es ist eine
Nachlaͤssigkeit unserer Minister, die kein Beispiel findet in dem Reiche
der Sotise, daß man zollfreie Ausfuhr unseres Mule-Garnes in Laͤnder erlaubt wo der
Arbeitslohn weit niedriger steht als in England.
Englisches Baumwollengarn wurde zuerst, obschon in geringer Menge, im Jahr 1790
ausgefuͤhrt. Damahls waren die Weber auf dem festen Lande noch großen Theils
mit Leinwand- und Tuchweberei beschaͤftigt, und die Englaͤnder
befassen, bey ihren verbesserten Spinnmaschinen, beinahe den Alleinhandel in
Baumwollen-Waaren. Haͤtte man die Fabriken auf dem festen Lande sich selbst
uͤberlassen, so wuͤrden sie nie versucht haben, mit uns in
Baumwollen-Waaren wetteifern zu wollen. Mag man auch noch so oft behaupten, daß der
hohe Preis eines Fabrikates in irgend einer Gegend die Mittel zur Erzeugung
desselben zur Auswanderung geneigt macht, so ist es doch immer einleuchtend, daß,
aus dem im Auslande herrschenden Mangel an den noͤthigen Maschinen, an gut
abgerichteten und erfahrnen Arbeitern, an Capital, an Brenn-Material, ein
Ausfuhrszoll der einem Verbothe gleich zu achten gewesen waͤre, unseren
Fabriken jene Vortheile erhalten haben wuͤrde, die jezt Fremden zu Theile
geworden sind. Verbesserungen an Maschinen und Geschiklichkeit der Arbeiter
schreiten immer vorwaͤrts, und wir waren schon im Jahre 1790 in diesen beyden
Hinsichten vor allen Voͤlkern des Continentes so weit voraus, daß wir ihnen
kaum die Aussicht des Gelingens gelassen haben wuͤrden, wenn sie versucht
haben wuͤrden mit uns in die Wette zu arbeiten. Allein, durch die Agenten,
die sie zu uns heruͤbergeschikt haben um Baumwollengarn aufzukaufen, haben
sie sich die Kenntniß unserer Maschinen erworben, und sich bereits selbst mehrere
Spinn-Muͤhlen erbaut, die sie vorzuͤglich zum Spinnen des Eintrages
verwenden. Das Garn zu ihrer Kette hingegen, das bessere Maschinen, mehr Feinheit
und Geschiklichkelt im Spinnen erfordert, als der Eintrag, liefern nur wir
Englaͤndet179) .
Unter der Dynastie Napoleons war das feste Land uns versperrt, und unsere
Baumwollengarn-Ausfuhr war unbedeutend. Als Napoleon im Jahr 1814 auf die Insel Elba
beschraͤnkt war, ward das feste Land fuͤr uns wieder offen, die
Ausfuhr des Baumwollen-Garnes hatte mit leinen Hindernissen mehr zu kaͤmpfen,
und ward von Jahr zu Jahr bedeutender. Und was war der Erfolg fuͤr England?
Herabsezung des Taglohnes seiner Weber, und, die treue Gefaͤhrtin solcher
Schmaͤhlerungen, Erhoͤhung der Armen-Taxe.
Haͤtte man diesem Gegenstande zu seiner Zeit die gehoͤrige
Aufmerksamkeit geschenkt, als die Ausfuhr des Baumwollengarnes erst im Entstehen
war, oder wenigstens im Jahr 1914, als das feste Land fuͤr uns wieder offen
geworden ist, so waͤren Taufende unserer Weber nicht auf die Liste der
Armen-Taxe gekommen, und hoͤchst wahrscheinlich waͤre ein guter Theil
des Elendes, ein großer Theil der tumultarischen Volksversammlungen und Empoͤrungen, die im
J. 1819 statt hatten, von England fuͤr immer fern geblieben180) .
Dieselbe maͤchtige Maschine, die am Ende des vorigen Jahrhunderts die
Fortschritte der Baumwollenfabriken so wesentlich foͤrderte und emporhob,
wurde seit Kurzem auch noch als ein zweiter Stellvertretter der Menschenhaͤnde
verwendet; die Dampfmaschine treibt jezt auch die Weberstuͤhle, so wie sie
ehevor und noch jezt die Kraͤmpel- und Spinnmaschinen trieb.
Hr. Austin aus Glasgow erfand
im Jahr 1789 einen Dampf-Weberstuhl (steam-loom), den er
im Jahr 1789 noch mehr
verbessert hat; Hr. Monteith
fuͤhrte im Jahr 1800 zu Pollakshaws ein Gebaͤude auf, das 200 dieser
Weberstuͤhle zu fassen vermag.
Im Jahr 1802 erfand Hr. Thom.
Johnson zu Bradbevey in Cheshire die Zurichtmaschine. Vor dieser
Erfindung wurde die
Kette in dem Stuhle in kleinen Portioͤnchen aufgezogen, so wie sie vom
Kettenbaume allmaͤhlich sich abrollte, und der Stuhl stand waͤhrend
des Aufziehens jedesmal still. Hrn. Johnson's Maschine zieht die ganze Kette auf einmahl auf; die
aufgezogene Kette wird in dem Stuhle eingelegt, und dieser arbeitet nun
ununterbrochen fort. Im Jahr 1805 ward eine Fabrik von Dampfstuͤhlen zu
Manchester erbaut. Bald darauf entstanden zwei neue zu Stockport, und um 1809 ward
eine vierte zu West-Houghton vollendet. Bei diesen Versuchen mit der Dampfmaschine
zu weben, wurden zugleich bedeutende Verbesserungen im Baue der Stuͤhle, im
Aufziehen der Kette, in Zubereitung des Eintrages fuͤr die Schuͤze
gemacht. Durch diese Verbesserungen, verbunden mit jenen, die in der Kunst des
Spinnens gemacht wurden, wodurch die Spinner weit besseres Garn verfertigen konnten,
als im Jahr 1790, gelangen endlich, mit Beihuͤlfe von Johnson's Zuricht-Maschine, die
vorzuͤglich fuͤr Dampf-Stuhle geeignet ist, die Versuche vollkommen.
Vor der Erfindung der Zuricht-Maschine brauchte man bei jedem Dampf-Stuhle Einen
Weber; gegenwaͤrtig kann ein Junge oder ein Maͤdchen von 14 bis 15
Jahren zwei Dampf-Stuͤhle bedienen, und auf denselben drei und ein halb Mahl
so viel Zeug, als ehevor mit der Hand, weben. Der geschikteste Weber, der mit der
Hand arbeitet, bringt selten ein Stuͤk Zeug zum Vorscheine, das vollkommen
gleich ist; ja es ist beinahe unmoͤglich, daß das Stuͤk gleich
ausfallen kann, indem ein etwas staͤrkerer oder schwaͤcherer Schlag
mit der Lade also, gleich die Dike des Zeuges aͤndert, und wenn der
geschikteste Weber nach einigen Stunden Ruhe wieder anfaͤngt zu arbeiten, so
wird er schwerlich wieder dieselbe Staͤrke des Schlages aufzufinden
vermoͤgen, mit welcher er aufgehoͤrt hat. Bei den
Dampf-Stuͤhlen hingegen fuͤhrt die Lade immer denselben sicheren
Schlag, und bewegt sich, so wie der Mechaniker sie eingerichtet hat, immer genau mit
derselben Staͤrke vom Anfange bis zu Ende fort. Wenn Fabrikanten, die mit
Handstuͤhlen arbeiten, solche auf Dampf-Stuͤhlen gearbeitete Zeuge
sehen, so bewundern sie dieselben, und gestehen, daß ihre besten Arbeiter keine so
ausgezeichnete Waare zu verfertigen im Stande sind. Die taͤglich zunehmende
Anzahl von Dampf-Stuͤhlen ist ein sprechender Beweis ihrer Vorzuͤge vor den
Hand-Stuͤhlen: Im Jahr 1818 waren zu Manchester, Cokport, Middleton, Hyde,
Stayley-Bridge und in der Nachbarschaft 14 Fabriken, in welchen ungefaͤhr
2000 Dampf-Stuͤhle im Umtriebe standen. Im Jahr 1821 zaͤhlte man au
denselben Orten und in der Nachbarschaft bereits 32 solche Fabriken, die nicht
weniger als fuͤnftausend siebenhundert zwei und dreißig solche Stuͤhle
enthielten. Seit dem Jahre 1821 hat die Anzahl dieser Stuͤhle sich immer noch
vermehrt, und gegenwaͤrtig sind nicht weniger als zehntausend Dampfs
Stuͤhle in England im Gange.
Es ist ein sonderbarer Umstand, daß, als die Baumwollenzeug-Manufaktur sich in ihrer
Kindheit befand, alle Arbeiten von dem Zurichten des rohen Materials angefangen, bis
zur Vollendung des Zeuges, unter dem Strohdache der Weberhuͤtte vorgenommen
wurden. Als diese Manufaktur anfing sich zu verbessern, wurde in
Fabrikgebaͤuden gesponnen, und in Huͤtten gewoben.
Gegenwaͤrtig, wo dieselbe zur maͤnnlichen Kraft herangediehen ist,
geschehen alle Arbeiten mit ungeheuer vergroͤßerten Mitteln und sehr
zusammengesezten Vorrichtungen wieder in einzelnen Gebaͤuden. Die
Weber-Huͤtte mit ihrem rohen Geraͤthe von Scherlatten,
Hand-Kraͤmpeln, Spinnraͤdchen und erbaͤrmlichen
Weberstuͤhlen, waren das Miniatur-Gemaͤhlde, unserer heutigen
Baumwollenfabriken. Ein einziges aus Baksteinen aufgefuͤhrtes Gebaͤude
(und man sieht denn so viele in der Nachbarschaft aller großen Fabrik-Staͤdte
im suͤdlichen Theile von Lancashire), ein einziges Gebaͤude, das
freilich 70 bis 80 Fuß hoch emporsteigt, und weit umher die Blike der Reisenden auf
sich zieht, liefert jezt eben so viele Waare, als ehemals ganze Doͤrfer nicht
zu liefern vermochten. In diesen Dampf-Stuhl-Fabriken wird die Baumwolle
gekraͤmpelt, gestrichen, gesponnen, und gewebt, und eine einzige Fabrik
verrichtet jezt die Arbeit, die ehevor ganze Distrikte beschaͤftigt hat.
Ein Handweber muß sehr geschikt seyn, wenn er in seinen besten Jahren (zwischen 25
und 20) woͤchentlich zwei Stuͤke Zeug von 24 Yards (72 engl. Fuß)
Laͤnge und 9 Achtel Gaͤnzen bei 105 Faden Eintrag im Zolle liefert;
das Rietblatt zu 44, nach Boltoner Rechnung, und Kette und Eintrag zu 40 schneller
auf das Pfund. Auf den Dampf-Stuͤhlen hingegen webt ein 15jaͤhriger
Junge in derselben Zeit sieben solche Stuͤke, und eine Dampf-Stuhl-Fabrik von
200 Stuͤhlen liefert mit hundert Arbeitern unter 20 Jahren und 25
ausgewachsenen Maͤnnern woͤchentlich 700 Stuͤke von obiger
Laͤnge und Guͤte. Um 100 aͤhnliche Stuͤke
woͤchentlich auf Handstuͤhlen verfertigen zu koͤnnen, brauchte
man wenigstens 125 Stuͤhle, indem auch Weiber mitarbeiten muͤssen, die
Kochen, Waschen und mehrere andere Arbeiten zu verrichten haben, und Kinder, die
folglich noch nicht so viel leisten koͤnnen, als Maͤnner. Man braucht,
wie gesagt, einen sehr geschikten und voll ausgewachsenen Weber, um
woͤchentlich auf zwei Stuͤke rechnen zu koͤnnen; und
uͤberdieß muß man hier auch noch Krankheit und andere Zufaͤlle in
Anschlag bringen. Man wuͤrde also wenigstens 875 Hand-Stuͤhle
noͤthig haben, um woͤchentlich 700 solche Stuͤke
Baumwollenzeuge, wie die obigen, zu verfertigen; und, wenn man die Weber mit ihren
Kindern und mit den Alten und Kranken, die zu demselben gehoͤren, zu 2 1/2
auf jeden Stuhl rechnet, so kann man mit Sicherheit behaupten, daß die Arbeit,
welche in einer Dampf-Stuhl-Fabrik von 200 Stuͤhlen geliefert wird, mehr als
2000 Personen beschaͤftigen wuͤrde, die mit der Hand weben.
Die Dampf-Stuͤhle werden vorzuͤglich zur Verfertigung von
Baumwollenzeugen, die gedrukt werden sollen, und zu sogenannten Schirtings
verwendet; man braucht sie aber auch zu Thicksets, Fancy-cords, Dimities,
Kammertuͤchern, (cambris) und Quiltings, auch zu Halbseidenzeugen, Worsteds,
und sogenannten Broadcloth (mit feiner Wolle). Erfindungen sind fruchtbar; die eine
wird die Mutter der andern; und da die Aufmerksamkeit mehrerer Hunderte geschikter
Mechaniker und Fabrikanten gegenwaͤrtig auf die Verbesserungen der
Dampf-Stuͤhle gerichtet ist, so ist es wahrscheinlich, daß dieselben bald so
allgemein verbreitet und so wichtig fuͤr die Weberei werden werden, als die
sogenannten Jenny's, Mule's und Wasser-Spinnmuͤhlen es fuͤr die
Spinnerei geworden sind; daß sie endlich, wenigstens in unserem Lande, die
gewoͤhnlichen Handstuͤhle gaͤnzlich verbannen werden. Allein,
der Unterschied zwischen dem Arbeitslohne in Indien und in Europa ist so groß, und
das Mißverhaͤltniß so ungeheuer, daß, wenn wir Mule-Garn nach Indien
ausfuͤhren, oder wenn in Indien Mule-Garnfabriken errichtet werden der indische Handweber
dem englischen Dampf-Stuhle Weber bald den Vorsprung abgewinnen wird; d.h., wenn der
indische Weber sich den Beystand eines Theiles unserer Maschinen verschaffen kann,
so wird er bald die englischen Weber vom Markte jagen. Die Wohlfeilheit der
Baumwollen-Waaren in Indien und die englische Maschinen-Industrie halten sich in
ihrem Wettlaufe einander weit mehr gleich, als man gewoͤhnlich glaubt. Der
unbedeutende Unterschied zwischen dem ostindischen, auf Roken und Spindel
gesponnenen Baumwollen-Garne und dem englischen Maschinen-Garne ist nur wie 14 1/4 :
19 1/2; der indische Fabrikant kann fuͤr Einen Shilling 7 1/2 Pence
verkaufen, was der englische bei allen seinen Maschinen und Ersparungen an
Menschenhaͤnden nicht anders als zu Einem Shilling und 2 1/4 Pence zu
verkaufen im Stande ist. Dieses ungeheuere Mißverhaͤltniß im Preise, bei den
vervielfaͤltigten Vortheilen, die dem englischen Fabrikanten, verglichen mit
seinem indischen Rivalen, zu Gebothe stehen, muß uns als das moͤglichst
groͤßte Ungluͤk, das die englischen Fabriken treffen kann, die
Errichtung von Mule- oder anderen Baumwollengarn-Spinnereien in Indien
befuͤrchten lassen, wo ein Ueberfluß an Menschen ist, wo man den Weberstuhl
mit vieler Geschiklichkeit zu benuͤzen gelernt hat, zu den Arbeiten desselben
seit langer Zeit erzogen wurde, und wo jedes arbeitende Individuum bei einem
Arbeitsloͤhne von taͤglich 3 Pence (9 kr.)
gewoͤhnlich besteht181) .
Folgender Preis-Courant des Spinn, und Webelohnes in Ost-Indien ist aus Lee's Berechnungen, die
ungefaͤhr im J. 1811 gedrukt wurden, entlehnt:
Fuͤr Weben eines □ Yard Zeug
(3 □ Fuß engl.)
℔
Sterl.
Shill.
Pence
zu 13 Schneller, von 100 Schneller auf das
℔
0
–
0
1/2
Fuͤr Spinnen von 13
Schnellern
0
–
1
7
–––
––––
––––
–––––
Kosten von 3 □ Fuß Zeug, gewebt und
gesponnen in Indien
0
–
1
7 1/2
–––
––––
––––
–––––
Fuͤr Weben desselben Stuͤkes
Zeuges in England (J. 1823)
0
–
0
7
Fuͤr Spinnen desselben Garnes
0
–
0
7 1/4
–––
––––
––––
–––––
Kosten von 3 □ Fuß Zeug gewebt und
gesponnen in England
0
–
1
2 1/4
Wenn man den indischen Weber mit englischem Garne versieht, so kann er dasselbe
Stuͤk Zeug fuͤr 8 1/2 Pence (25 1/2 kr.) liefern:
Garn
7 1/4
Pence
Fracht
0 3/4
–
Weben
– 1/2
–
–––––
––––––
8 1/2
Pfennig engl. (25 1/2 kr.)
„Wenn jemahls der Zug des englischen Garnes, ungeregelt, auf die
Maͤrkte Indiens hinstroͤmt, so ist alle Muͤhe fuͤr
Aufnahme der englischen Dampfstuͤhle vergebens, und alles darauf
gewendete Capital mit allen Maschinen weiter nichts, als eine Spekulation auf
Bankerott. Der indische Weber wird unser Garn bekommen, es zu Zeug verweben,
zuruͤk nach England schiken, und, ungeachtet aller unserer
beruͤhmten Maschinen aller unserer Dampf-Stuͤhle, und Vor- und
Zurichtungs-Maschinen seine Waare auf unseren Maͤrkten wohlfeiler
verkaufen; als wir.
Nach den besten Nachrichten, die wir uns verschaffen konnten, betraͤgt der
jaͤhrliche Verbrauch der Baumwolle in Indien 800,000 Saͤke,
waͤhrend in England nur 600,000 verbraucht werden182) . Da man in Indien keine Maschinen braucht, so ist es offenbar, daß das
Spinnen und Verarbeiten einer solchen ungeheuren Menge Baumwolle einer einen so
ungeheuren Menge von Menschen Beschaͤftigung und Unterhalt gewaͤhren
muß. Wenn englisches Maschinen-Garn den indischen Webern im webefertigen Zustande
zugefuͤhrt wird, so werden alle Spinner, die mit dem langweiligen und
muͤhesamen Spinnen auf der Spindel beschaͤftigt sind, nach und nach
ihr Brod verlieren183) . die Folge hiervon wird seyn, daß sie sich auf Weberei verlegen werden, und
die Bevoͤlkerung von ganz Ostindien wird die ganze Welt mit Baumwollen-Zeugen
versehen.
Der indische Weber findet, wie gesagt, bei einem Taglohne von 9 kr. seinen Unterhalt.
Wenn die ungeheuren Horden der Bevoͤlkerung unserer asiatischen
Laͤnder allein sich auf das Verweben unseres Maschinen-Garnes verlegen, so
laͤßt es sich wohl leicht erweisen, daß unsere europaͤischen Weber,
deren Taglohn durchaus in keinem Verhaͤltnisse zu jenem der Indier steht,
sich entweder auf eine andere Arbeit verlegen, oder Hungers sterben muͤssen:
im gluͤklichsten Falle muß das groͤßte Elend ihrer harren. So
schreklich diese Ansicht ist, so ist sie nichts weniger als entfernt: vielleicht ist
in diesem Augenblike der erste Schritt zu dem namenlosen Elende gethan, das
uͤber die Weber Englands und ganz Europens kommen muß. Man hat im Jahre 1822 eine Menge Garnes aus Liverpool nach Ostindien geschifft,
und diese Unternehmung war eine der gelungensten!
Die Gruͤnde, die hier zur Darstellung der Unklugheit, der Ausfuhr des
Baumwollen-Garnes aus England auf das feste Land angefuͤhrt wurden, werden
ohne Zweifel durch die Behauptung geschwaͤcht werden sollen, daß,
wuͤrde man jezt dieselbe verbiethen, all das ausgefuͤhrte Garn,
welches die Weber auf dem festen Lande beschaͤftigt, auf unseren
Maͤrkten stoken, und das ganze Capital, welches auf unsere Spinn-Maschinen
verwendet wurde, so wie alle Spinn-Fabriken in England zu Grunde richten
wuͤrde. Wenn auch diese Behauptung gegruͤndet waͤre, so kann
man sich doch dieselbe nimmermehr gegen die Ausfuhr des Baumwollen-Garnes nach
Indien erlauben, indem diese erst jezt im Entstehen ist, und das eben
angefuͤhrte Schiff wahrscheinlich das Erste ist, welches mit englischer
Baumwolle nach Ostindien segelte. Das Ungluͤk und Elend, welches dadurch
veranlaßt wird, daß man den indischen Weber zum Rivalen des englischen erhebt,
erscheint so groß, so Unheil schwanger fuͤr den lezteren, daß ich, der ich an
dem Wohle meines Vaterlandes lebhaft Antheil nehme, und mit zarter Sorgfalt um die
Wohlfahrt und das Gluͤk jener fleißigen und verstaͤndigen Classe
unserer Bevoͤlkerung, welche die Weber und England bilden, mich
kuͤmmere, die Gesezgebung und jene Staatsmaͤnner, deren heilige
Pflicht es ist, fuͤr das Interesse des Volkes zu wachen, und dasselbe zu
schuͤzen, ernsthaft in Anspruch nehmet zu muͤssen glaube, damit sie ihre
volle Aufmerksamkeit einem Gegenstande schenken, der so tief in das Leben ihrer
Landsleute eingreift.