Titel: | Neue Art Stollen zu graben, um mittelst eines solchen einen Fahrweg unter der Themse anlegen zu können. Von Hrn. M. J. Brunel, Esq. F. R. S. |
Fundstelle: | Band 14, Jahrgang 1824, Nr. LXXVIII., S. 316 |
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LXXVIII.
Neue Art Stollen zu graben, um mittelst eines
solchen einen Fahrweg unter der Themse anlegen zu können. Von
Hrn. M. J. Brunel,
Esq. F. R. S.
Aus dem Edinburgh Philosophical Journal. April 1824.
S. 276.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
(Im Auszuge)
Brunel, neue Art Stollen zu graben.
Wir haben von dieser Fahrstrasse unter der Themse bereits im
October vorigen Jahres (XII. B. 2. H. des polytechn Journ. S. 253, aus dem Philosoph. Magazine and Journal, August 1823.
S. 139,) Notiz gegeben. Das Edinburgh Philosophical
Journal schenkt der Idee des Hrn. Brunel seinen
Beifall, und bemerkt, daß Hr. Brunel durch Beobachtung
der Arbeit des Schiffswurmes, Teredo navalis, auf diese
Art Stollen zu graben geleitet wurde, so wie Hr. Watt
durch Beachtung des Baues des Schweifes der Hummer auf seinen Flexible Water-Main geleitet wurde.
Daß eine Fahrstraße unter einem Fluße oder Bache hin stollenartig durchgegraben in
vielen Faͤllen, wo die Art des Bodens es gestattet, nicht bloß an und
fuͤr sich, wohlfeiler kommt, als eine solide steinerne Bruͤke, sondern
besonders dadurch endlich das darauf gewendete Capital reichlich verzinnst, daß kein
Hochwasser, kein Eisgang Schaden bringen kann, ist offenbar, und es unterliegt
keinem Zweifel, daß man nicht einstens hier und da solche unterirdische Bruͤken (wenn man sie so nennen darf) jeder
steinernen und jeder Haͤnge-Bruͤke vorziehen wird.
Hr. Brunel berechnet die Kosten einer solchen
Bruͤke unter der Themse auf ungefaͤhr
160,000 Pfund Sterling, und glaubt in 3 Jahren damit fertig werden zu
koͤnnen.
Fig. 31 zeigt
den Laͤngen-Durchschnitt des Stollens mit der demselben vorangehenden
Zimmerung.
Fig. 32 den
Aufriß der Zimmerung, in deren dreien die Arbeiter eben in Thaͤtigkeit
sind.
Fig. 33 ist
der Querdurchschnitt des Stollens mit dem doppelten Bogengange.
Fig. 34.
zeigt den Grundriß der kreisfoͤrmigen Einfahrt hinab in den Stollen.
Fig. 35 ist
der Querdurchschnitt des Flußes bei Rotherhithe bei hohem und niedrigem
Wasserstande.
Nachdem Hr. Brunel die Ursachen des Mißlingens des im
Jahre 1809 zu Rotherhithe angestellten Versuches unter der Themse durchzugraben
aufgefuͤhrt hat, gibt er seine neue Methode an, einen solchen Stollen zu
graben, die darin besteht „nie mehr Erde wegzunehmen, als alsogleich durch
den Stollen ersezt werden kann, so daß das denselben umgebende Erdlager stets in
seiner natuͤrlichen Festigkeit und Dichtigkeit erhalten wird.“
„Um eine Aushoͤhlung von 34 Fuß Breite und 18 Fuß 6 Zoll
Hoͤhe zu erhalten, faͤngt er den Stollenbau mit einer starken
Zimmerung von gleichen Dimensionen an, wie die Figuren zeigen, um das Erdlager
nicht bloß von vorne am Eingange des Stollens, sondern in allen Richtungen zu
stuͤzen: der Stollen wird an der Sohle eben so gut, wie an der Firste
gemauert, und wie die Zimmerung in demselben vorwaͤrts schreitet,
ruͤkt auch die Mauerung vor. Da aber die Zimmerung, wegen der Reibung an
den Wanden nicht auf ein Mahl und im Ganzen vorgeschoben werden kann, so hat man
sie aus eilf einzelnen senkrechten Theilen zusammengesezt, deren jeder einzeln
sich durch den gehoͤrig angebrachten Mechanismus leicht vorwaͤrts
schaffen laͤßt, so wie die Erde ausgegraben wird. Abwechselnd werden
immer die 5 mittleren Theile beweglich, und die 6 anderen einstweilen
fest gemacht, bis auch an diese die Reihe kommt vorwaͤrts gebracht zu
werden.“
„Um mehrere Haͤnde zugleich mit Sicherheit beschaͤftigen zu
koͤnnen, ist jeder einzelne Theil der Zimmerung in drei senkrecht
uͤber einander stehende Zellen abgetheilt; Fig. 31. 32. Auf
diese Weise koͤnnen 33 Menschen zugleich arbeiten, ohne einander zu
hindern. Diese Zellen, welche nach ruͤkwaͤrts offen sind, sind
vorne gegen das Erdlager mit kleinen Brettchen versehen, welche nach Belieben
weggenommen und angelegt werden koͤnnen.“
„In diesen Zellen wird die Aushoͤhlung betrieben. Jeder Arbeiter
arbeitet an der ihm gegen uͤber stehenden Flaͤche des Erdlagers
so, wie man bei Einlassung eines Stuͤkes Zimmerung in eine Mauer
arbeitet, nur mit dem Unterschiede, daß er, statt auf die ganze Flaͤche
auf ein Mahl einzuwirken, jeder Zeit nur eines der kleinen Brettchen heraus
nimmt, die Erde hinter demselben auf einige Zoll tief wegschafft, und das
Brettchen wieder, wie vor, an seine Stelle bringt. Nachdem er auf diese Weist 3
bis 6 Zoll von der ganzen Flaͤche weggeschafft hat (was so ziemlich in
allen Zellen gleichzeitig geschehen kann), werden die Theile der Zimmerung
vorwaͤrts geschoben, und um eben so viel der Stollen untermauert. Auf
diese Weise arbeiten 33 Menschen eben so leicht und sicher eine Hoͤhlung
von 630 Fuß Flaͤchen-Inhalt aus, als ein Mensch leicht und sicher
einen Schuͤrf von 19 □ Fuß eroͤffnen
wuͤrde.“
„Man kam im Jahre 1809 mit einem Manne, der nicht weiter, als eine solche
Zelle ist, arbeitete, taͤglich 4 bis 10 Fuß vorwaͤrts. Bei dem
gegenwaͤrtigen Baue, wo von allen Seiten gleichfoͤrmig fort gearbeitetgearbeitt wird, ruͤkt man um 3 Fuß vor.“
„Diese Art zu bauen sichert gegen alles Einfallen von Sand und
uͤberhaupt gegen allen Nachsturz von vollendetem Erdlager.“