Titel: | Ueber ein Extract der Mimosa-Rinde für Gärber, welches jezt in England aus New-South-Wales eingeführt wird. Von Hrn. T. Kent. |
Fundstelle: | Band 14, Jahrgang 1824, Nr. LXVI., S. 257 |
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LXVI.
Ueber ein Extract der Mimosa-Rinde für
Gärber, welches jezt in England aus New-South-Wales eingeführt wird. Von
Hrn. T.
Kent.
Aus dem XLI. B. der Transactions of the Society for the
Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce for 1823 in
Gill's technical
Repository. Mai. 1824. (Im Auszuge.)
Kent's Extract der Mimosa-Rinde für Gärber.
Dieser kurze Aufsaz, fuͤr welchen, so wie fuͤr
die Einfuhr dieses Gaͤrbe-Materiales, Hr. Kent die goldene Isis-Medaille erhielt, ist ein zu sprechender
Beweis, wie sehr England, ungeachtet des bei ihm bestehenden
Prohibitiv-Sistemes54) , auf alle ersinnliche Weise bemuͤht ist, allen Handel und alle
Industrie des benachbarten Auslandes zu untergraben, oder wenigstens zu
beschraͤnken, und sich in den Alleinbesiz alles Geldertrages zu versezen, der
dadurch irgendwo, war es auch in noch so geringer Kleinigkeit, hervorgehen mag.
Herr Kent klagt in diesem Aufsaze bitter, daß seine
Landsleute so einfaͤltig seyn koͤnnen, dem Auslande von den Tausenden
und Tausenden von rohen Haͤuten, die jezt bei dem zunehmenden Verkehre
Englands mit Suͤd-America jaͤhrlich in den englischen
Haͤfen eingefuͤhrt werden, auch nur einige Duzende zukommen zu lassen, und sie
nicht vielmehr selbst zu gaͤrben, und als gegaͤrbtes Leder zu
verfuͤhren, nachdem vorlaͤufig auch noch der Gaͤrberlohn daran
gewonnen wurde. Er findet zwei Ursachen dieser Ungereimtheit (un satisfactory state of things); 1tens den, von unseren neueren
Staatswirthschaftern so sehr gepriesenen Zunft- und Gewerbszwang, den er von
der Erde verbannt wissen will; er will Aufhebung des in England bestehenden Gesezes,
daß kein Gaͤrber zugleich Lederbereiter oder Zurichter seyn soll; wir wollen
hingegen das alte, alle Industrie laͤhmende und erstikende, Zunftwesen in
allen seinen duͤrren faulen Zweigen. 2tens, Mangel an Gaͤrbemateriale.
Er weint und wimmert daruͤber, daß jaͤhrlich in England uͤber
10,000 Tonnen (20, Millionen ℔) Eichenrinde von dem festen Lande der
eingefuͤhrt wird, wofuͤr, die Tonne zu 14 Pfund Sterl., dem englischen
Beutel entzogen werden. Diese Eichenrinde verbrauchen die Gaͤrber in London
und in der Nachbarschaft dieser Hauptstadt allein! Damit nun der immer mehr
zugeschnittene Continent auch nicht einmahl seine Eichenrinde mehr in England, das
ihm buchstaͤblich die Haͤute abzieht, absezen kann, hat man, da der
Transport der Eichenrinde, als eines sehr voluminoͤsen Koͤrpers, mit
vielen Schwierigkeiten verbunden ist, von England aus Factoreien in Dalmatien und
anderen Gegenden Europens errichtet, in welchen die Eichenrinde ausgesotten, und zu
einem Extract bereitet wird, das man leicht zu Schiffe bringen und nach England
fahren kann, um daselbst damit zu gaͤrben.
Doch auch damit ist man nicht zufrieden; es geht dafuͤr noch immer Geld in's
Ausland. Man findet es daher jezt in England besser, lieber die weite und
gefahrvolle Reise nach dem Suͤdpole zu thun, und von dem Suͤdpole
herauf, der der englischen Krone angehoͤrt, Garbe-Materials zu holen,
als dasselbe auf der, England gegen uͤber gelegenen Kuͤste, zu kaufen,
obschon, nach den Versuchen der englischen Gaͤrber, dieses neue
Garbe-Mittel, das Mimosen-Extract, dem Eichen-Extracte an
Staͤrke nachsteht, indem es nur so viel Leder gaͤrbt, als vier bis
fuͤnf Mahl so viel Eichenrinde von der besten Qualitaͤt gaͤrben
wuͤrde.
Uebrigens hat dieses neue Gaͤrbe-Materiale gleichen Nachtheil mit dem
Eichenrinden-Extracte: es faͤrbt das Leder rothbraun, und bringt es um die beliebte
lichte Farbe. Hr. Kent hofft indessen, daß man sich an
diese Farbe bald gewoͤhnen wird, wenn man sich einmal von der Guͤte
dieses dunkleren Leders uͤberzeugt hat.
Es ist ein altes deutsches Sprichwort: daß man von den reichen Leuten Wirtschaften
lernen muß. Und so sollten auch wir arme deutsche Voͤlklein von unseren
reicheren Nachbarn, die uns in die Armuth stuͤrzten, und in derselben
erhalten, und vorzuͤglich von dem reichsten aller Voͤlker, von den
Englaͤndern, Staatshaushalt und Staatswirthschaft lernen. Allein unsere
Lehrer unterweisen uns tuͤchtig und nach allen Regeln der
Jesuiten-Paͤdagogik in der schweren Kunst, nichts fuͤr das
Leben zu lernen, und alles, was uns die Erfahrung aller Zeiten lehrte, fuͤr
ewige Zeiten zu vergessen. Omnia ad majorem Dei
gloriam!