Titel: | Neuere Berichte über die Möglichkeit, Phormium tenax, oder den Neuseeländer Flachs in Frankreich einheimisch zu machen. |
Fundstelle: | Band 13, Jahrgang 1824, Nr. LXXXI. LXXX. , S. 386 |
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LXXXI.
LXXX.
Neuere Berichte über die Möglichkeit, Phormium tenax, oder den Neuseeländer Flachs in Frankreich
einheimisch zu machenVergl. hiemit polyt. Journal. Bd. 12. S.
225. Es ist zu wuͤnschen, daß sich unsere landwirtschaftliche
Institute oder was noch besser waͤre industrioͤse
Guͤterbesizer Deutschlands beeifern moͤchten, diese viel
versprechende Pflanze baldigst bei uns zu acclimatisiren. D..
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement Nr. CCXXIV. S. 332.
Ueber den Bau des Neuseeländer-Flachses.
In unserm Bulletin vom verflossenen Monat Juli S. 191 theilten
wir dem Publicum die erste Nachricht des Herrn Gillet de Laumont uͤber die
Moͤglichkeit mit, das Phormium tenax, oder den
Neuseelaͤnder Flachs eine sowohl in Hinsicht ihrer Zaͤhheit als der
Feinheit ihrer Fasern kostbare Pflanze, durch welche sich Hanf und Flachs zur
Verfertigung der Tauwerke und der Leinwand mit Vortheil ersezen lassen, in
Frankreich zu ziehen.
Da dem Verfasser hinsichtlich des Keimens der Samen-Koͤrner des Phormium tenax neuere Aufklaͤrungen zugekommen
sind; so theilen wir solche unsern Lesern in der Hoffnung mit, daß irgend ein
fuͤr das gluͤkliche Gedeihen franzoͤsischer Landwirtschaft
beeiferter Gutsbesizer die Cultur dieser Pflanze in freiem Felde versuchen
moͤchte.
Die Blaͤtter des Phormium tenax haben unter einem
guͤnstigen Himmelsstriche ohngefaͤhr 2 Metres in der Laͤnge,
und 14 bis 15
Centimetres Breite; und laufen wie jene der Schwert-Lilie, mit der sie viele
Aehnlichkeit haben, oben spizig zu.
Die Stengel, welche sechsblaͤttrigte gelbe Blumen, und spaͤter
wechselsweis gruppirte Koͤrner Nagen, erreichen die Hoͤhe voll drei
Metres und daruͤber.
Die, die Samenkoͤrner enthaltenden Kapseln sind dreiekigt, bisweilen krumm,
haben 6–7 Centimetres in der Laͤnge und ungefaͤhr 9 Millimetres
Dike; sie bestehen aus drei Klappen, deren jede an der Aussenseite in der Mitte
ihrer Breite eine kleine Furche darbietet, von welcher aus jeder Seite
Quer-Streifen ausgehen, die unter sich Winkel bilden, deren oberster,
gewoͤhnlich zugespizter Theil gegen die Grundflaͤche der Klappen
gekehrt ist. Innerhalb der Kapseln erhebt sich von der innern Seite dieser Klappen
eine hervorragende Graͤte laͤngs der Mitte derselben, und der
aͤußern kleinen Furche entsprechend; an dieser Graͤte sind die
Saamenkoͤrner befestigt. Die Annaͤherung dieser drei Graͤten im
Mittelpuncte der Kapseln theilt diese in drei Abtheilungen, in welchen die
Koͤrner wie Dachziegeln in einander liegen.
Die Koͤrner sind schwarz, sehr glaͤnzend, wellenfoͤrmig, auf
beiden Gelten schnell zulaufend, unvollkommen oval rund, ungefaͤhr 12
Millimetres lang und 4–5 breit.
Ihr Nabel (das Zeichen ihres Anwuchses in der Kapsel) befindet sich an dem am meisten
zugerundeten Ende, wo die Mandel mit dem Embryo ihren Ursprung nimmt;
uͤbrigens schließen sich diese Koͤrner am entgegengesezten Ende
gewoͤhnlich mit einer etwas schraͤgen Spize.
Da Herr Gillet de Laumont von dem Herrn Cochin, Director der Arbeiten im Hafen von
Cherburg, 34 Kilogrammen der Blaͤtter des Phormium
tenax, die im freien Felde gebaut worden waren, erhalten hatte; so schikte
er solche im verflossenen September an Herrn Dernpas in Dijon, um daraus Strike und
Faden verarbeiten zu lassen. Er erwartet noch mehrere, von dem Herrn Grafen Dijon,
der diese Pflanze auf seinen Guͤtern in Poudenas bei Rerac, im Departement
Lot und Garonne mit gutem Erfolge zieht. Seinerseits schikte der Herr Minister der
Marine dem Herrn Praͤsidenten der koͤnigl.
Central-Akerbau-Gesellschaft. Anfangs Nov. v. J. reife von Herrn Robert, Doctor der
Medicin in Saint Mandrier bei Toulon, im Departement Yar gezogene Koͤrner.
Seine Erz. zeigten an, daß Herr. Robert seit langer Zeit diese Pflanze in dem
botanischen Garten von Toulon, dessen Director er ist, baute, ohne daß er sie zur
Bluͤthe haͤtte bringen koͤnnen; daß er im Jahr 1813 in der
Hoffnung: der sandige Hoden von Saint Mandrier und die Naͤhe des Meeres
moͤchten ihr guͤnstiger seyn, mehrere Stoͤke dorthin
verpflanzen ließ, denen der, Winter von 1820 nicht schadete, waͤhrend die
Blaͤtter jener, die in Toulon verblieben waren, durch die Kaͤlte zu
Grunde gerichtet wurden. Die Pflanzen von Saint Mandrier gediehen vortrefflich,
bluͤhten und brachten in den ersten Tagen des Augusts reife Koͤrner.
Der Herr Minister fuͤgte bei, daß die Schoͤnheit und die Kraft der
Pflanzen fuͤr 1824 eine an Koͤrnern noch reichlichere Ernte hoffen
lassen.
Der vorgeruͤkten Jahreszeit ungeachtet saͤte Herr Gillet de Laumont im
verflossenen November einige der landwirthschaftlichen Gesellschaft
uͤberschikte Samenkoͤrner in einer Orangerie, um zu versuchen, ob sich
das Keimen derselben schnell und leicht bewerkstelligen ließe.
Nach seinen Ansichten ließen sich die im freien Felde zu Cherburg und Toulon zur
Reife gediehenen Koͤrner und das schnelle Keimen derselben als ein erster
Schritt zum Einheimisch-Werden dieser Pflanze ansehen, der große Hoffnungen
fuͤr die Zukunft gebe, da die Erfahrung lehrt, daß sich viele zarte Pflanzen,
die zu ihrer Erhaltung Anfangs der Treibhaͤuser bedurften, nach und nach
vorzuͤglich bei der Fortpflanzung durch den Samen, sich an das Clima
gewoͤhnten, und jezt bei geringer Sorgfalt unfern Wintern Troz bieten
koͤnnen.
Noch bleiben wichtige Erfahrungen uͤber die Lage und die Beschaffenheit des
Bodens, die der Cultur des Phormium tenax am beßten
entsprechen und uͤber die Art, wie dasselbe gegen die Kaͤlte zu
schuͤzen sey, und wie die Blaͤtter zubereitet werden sollen, zu machen
uͤbrig.
1) Hinsichtlich der tage und der Beschaffenheit des Bodens scheinen die dazu
guͤnstigsten Umstaͤnde eine etwas schattigte gegen den Nordwind
geschuͤzte Lage, und ein sandiges, feuchtes, schwarzes, leichtes, aber
fruchtbares und leicht zu bewaͤsserndes Erdreich zu sehn, wie die sogenannte
Heide-Erde (terre de bruyère); obwohl Nach
Capitain Cook diese Pflanze in Neu-Seeland auf Huͤgeln wie in
Thaͤlern, auf dem trokensten Boden, wie in morastigen Orten, die sie
vorzuͤglich zu lieben scheint, sich vorfindet. In Erwaͤgung der
Leichtigkeit, mit der diese Pflanze bisher in Frankreich durch Wurzelsprossen
(Fechser) fortgepflanzt wurde, und der Schwierigkeit sie zum Samentragen zu bringen,
waͤre es, wenn sie einmal einheimisch seyn wird, vorteilhaft, den Boden,
welcher sich zur Hervorbringung dichter Buͤschel von gutartigen
Blaͤttern eignet, von jenem zu unterscheiden, der Samen tragende Stengel zu
bringen im Stande ist.
Auf diese Weise waͤre es alsdann vielleicht moͤglich, das Phormium tenax zur Erzeugung der
Blaͤtter in den tiefen fuͤr die Cultur des Hanfes bestimmten
Thalern, und selbst in den morastigen, oder mit Torf vermischten Plaͤzen zu
ziehen, ein fuͤr Frankreich bedeutender Vortheil, wo es viele solche
Plaͤze gibt, aus denen das siedende Wasser leicht abgeleitet werden
koͤnnte; zur Erzeugung der Samenkoͤrner
aber die frischen und sandigen an den Ufern des Meeres im Ueberfluß vorhandenen
Streken zu verwenden.
2) Was die Kaͤlte anbelangt, so befuͤrchtet man, daß diese Pflanze
schon bei geringen Graden erfrieren koͤnnte. Herr Freicinet, der Vater, zog
(so berichtet Herr Foujas von Saint-Fond in einer 1813 bei A. Belin gedrukten
Denkschrift) im Freien in seinem Garten bei Montèlimar im Departement
Dròme, Pflanzen, welche drei Wochen lang in den Monaten Januar und Hornung
von 1812 eine Kaͤlte von sieben Grad Réaumur, zwar bei einer trokenen Witterung, und unter einer seht hohen
Bedekung von Brettern, um sie gegen Raufrost und Schnee zu schuͤzen,
aushielten. Aeußerst kraftvoll war darauf der Trieb der Pflanzen, von denen eine in
den Monaten Mai und Juni in voller Bluͤthe stand, jedoch keine
Samenkoͤrner brachte.
Herr Thouin und Herr von Billardiére zeigten, Ersterer in einer, den Annalen
des Museums der Naturgeschichte, S. 128, einverleibten fuͤr alle, welche
diese Pflanze ziehen wollen, sehr nuͤzlichen Denkschrift, und Lezterer in denselben
Annalen S. 474 an, daß gewoͤhnlich sowohl die Hize als die Kaͤlte in
Neu-Seeland weit heftiger als in unserem Clima sey; demnach waͤre es
in Frankreich ein Leichtes, jener Pflanze eine gleichere Beschaffenheit des Bodens
und der Atmosphaͤre zu verschaffen.
Bis diese Pflanze einheimisch geworden ist, muͤßten die Stoͤke
waͤhrend des Winters bedekt bleiben, und einige mit der Verfahrungsart des
Hrn. Freycinet uͤbereinstimmende Mittel aber im Großen angewendet werden, um
zu verhindern, daß die gefrornen Wassermassen, Hagel und Schnee, sich nicht zwischen
den Blaͤttern und dem Stengel aufhalten koͤnnen, wo solche bei
Thauwetter nothwendiger Weise eine betraͤchtliche Menge des
Waͤrmestoffes der Pflanze ausziehen, und sie dadurch einer staͤrkern
Kaͤlte, als jene der Atmosphaͤre ist, aussezen muͤßten, wenn
nach einem in unserem Klima haͤufig vorkommenden nur scheinbaren Thauwetter
die Kaͤlte wieder einen hoͤhern Grad erreichtPhyramidalfoͤrmige Stroh- oder Schilfmaͤntel
duͤrften diesen Zwek erreichen. Anm. d. Corr..
Man darf daher mit Recht hoffen, daß man diese Pflanze bei einiger Sorgfalt im
mittaͤgigen Frankreich und in vielen andern fuͤr sie guͤnstigen
Gegenden wird ziehen koͤnnen, wo man nicht allein die durch hohe
Waͤlder, Huͤgel und Berge geschuͤzten Orte, sondern auch bis,
einen schwarzen Grund enthaltenden Gegenden, die Nachbarschaft der Fluͤsse,
und großer nicht gefrierender Wassermassen benuͤzen koͤnnte.
3) Was die Zubereitung der Blaͤtter betrifft, so haͤlt Hr. von
Billardéire die langen und breiten Blaͤtter der frischen Pflanze
fuͤr geeigneter von dem sie bedekenden schwammigten Mark ohne Nachtheil der
Fasern gereinigt zu werden, als die jaͤhrlich sich erneuernden schwachen
Stiele des Hanfes.
Hr. Faujas de Saint-Fond widmete mehrers Seiten seiner Denkschrift der
Beschreibung der Verfahrungsweise in der, im Jaͤhre 1797 von den
Englaͤndern auf der Insel Norfolk errichteten Manufactur, welche zweifelsohne
seitdem sehr vervollkommt worden; und fuͤgt derselben eine dem Absieden der
Seiden-Kokons aͤhnliche Behandlungs-Vorschrift bei, die ihm wie er sagt, vollkommen
gelungen ist. Diese Behandlung besteht vorzuͤglich darin, die Blaͤtter
mit Seife in Wasser kochen zu lassen, sie zur Absonderung der schleimigten Theile
zwischen den Fingern zu pressen, und die Fasern darauf in fließenden Wasser
auszuwaschen. Er gibt an, auf diese Art silberweiße Faden erhalten zu haben. Die
beßte Verfahrungsweise, die Fasern des Phormium tenax
zuzubereiten, um sie zur Verfertigung von Striken und Faden geschikt zu machen, wird
ohne Zweifel noch vielfaͤltige Versuche erheischen, welche jedoch die jezt
gemachten Fortschritte in der Chemie und der Mechanikum Vieles erleichtern
muͤssen.
Der Herr Seeminister hat Herrn Gillet de Laumont angezeigt, daß Herr Robert, der
erfahren hatte, wie in Dijon mit den in Treibhaͤusern gewonnenen
Blaͤttern des Phormium tenax Versuche angestellt
worden waͤren, sich erboten habe 10 bis 12 Kilogrammen im freien Felde
gezogener Blattes die ihre vollkommene Reife erlangt haͤtten, dorthin zu
senden um diese Versuche ins Große zu treiben. Sr. Excellenz fuͤgte hinzu,
daß wenn die Gesellschaft des Akerbaues dergleichen Versuche zu machen Willens
waͤre, Maßregeln um diese Blaͤtter von Toulon kommen zu lassen,
getroffen werden wuͤrden. Nachdem die Gesellschaft das Anerbieten angenommen
hatte,' wurden derselben diese 12 Kilogrammen uͤbersendet, und hier auf eine
Special-Commission zur Besorgung der fraglichen Versuche ernannt, welcher der
Hr. Graf Chaptal und die Hrn. Billardiére und Cachin beigesellt wurden.
Die doppelte durch die Bemuͤhungen der Herren Cachin und RobertDieser Leztere schikte dem Hrn. Gillet de Laumont die Abschrift eines am 3.
September 1823 vor der landwirthschaftlichen Gesellschaft in Toulon
abgelesenen Berichtes, mit einer Ergaͤnzungs-Note, woraus
erhellt, daß Hr. Robert von 24 Fechsern des Phormium
tenax, die er in Saint-Mardrier gepflanzt hatte, Nach
Verlauf von 5 Jahren vier Stengel erhielt, die in den ersten Tagen des Mais
1823 zu treiben angefangen, am Ende dieses Monats eine Hoͤhe von 6
Schuhen erreicht hatten, und im darauf folgenden Juni gruͤnlich gelbe
Blumen brachten, denen 50 bis 60 Koͤrner enthaltende Fruͤchte
folgten. Dieser eben so geschikte als fleißige Botaniker saͤte im
folgenden September eine Handvoll dieser Koͤrner in einer großen Kiste aus,
ohne irgend ein kuͤnstliches Mittel zur Beschleunigung des Keimens
anzuwenden. Nach Verlauf eines Monats war der groͤßte Theil bereits
aufgegangen, andere folgten, und wie er hofft, so kommen noch welche im
kuͤnftigen Fruͤhjahre nach. Ohne Schuz blieb die Kiste immer
in der freien Luft) der Thermometer siel jedoch 4 Grad Reaumur unter Null.
Die obersten Spizen der meisten Blaͤtter der 200 Pflanzen, die er
erhalten hatte, wurden durch die Kaͤlte vernichtet, das Herz aber
ward nicht angegriffen; jede hat zwei Zoll lange Blaͤtter, und jezt
befinden sie sich im beßten Zustande. Mehrere dieser Pflanzen wurden von ihm
zur Untersuchung des Keimens ausgehoben, und er erkannte in allen die
besondere, S. 191 des Bulletins vom verflossenen Monat Juli angezeigte
Art.Herr Robert hat dem von dem Museum der Naturgeschichte nach Senegal
abgeschikten Gaͤrtner, welcher am 9. Jaͤner 1824 in Boulon
unter Segel ging, Fechser des Phormium tenax in
der Hoffnung mitgegeben, daß sie dort gedeihen, und Saamen tragen werben.
Diesen fuͤgte er eine Auswahl einheimischer Baͤume bei, wie
Brustbeeren-Baͤume, Oliven, Maulbeeren, Pistazien, Capern,
Weinreben u.s.w. erzielte Erzeugung der Samenkoͤrner in zwei beinahe dreihundert Stunden von
einander entfernten Gegenden Frankreichs, geben die Gewißheit, daß man, wie Hr. v.
Billardiére schon vor 22 Jahren behauptete, diese kostbare Pflanze zum Bedarf
der Marine, des Kriegswesens, der Artillerie, der Minen und der Kuͤnste bei
uns einheimisch machen koͤnnte, wenn die Versuche der Gelehrten, der
Liebhaber und Pflanzer, wie es von dem Hrn. Seeminister geschehen ist, auch von den
Oberbehoͤrden aufgemuntert wuͤrden.