Titel: Ueber Schrotpatronen. Von Hrn. Jos. Steevens.
Fundstelle: Band 6, Jahrgang 1821, Nr. LXIV., S. 403
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LXIV. Ueber Schrotpatronen. Von Hrn. Jos. Steevens. Aus einem Schreiben an Hrn. Dr. Tilloch in dessen Philosophical Magazine et Journal. N. CCLXXXII. Oktober 1821. S. 288. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Steevens über Schrotpatronen. Da ich in Ihrem August Hefte einen Aufsaz eines Korrespondenten aus Indien uͤber den Gebrauch von Schrotpatronen bei Vogelflinten findeDieser Aufsaz findet sich im vorigen Hefte S. 316. in D. Journal. D., so bitte ich Sie, mir die Bemerkung zu erlauben, daß ich mich solcher Patronen seit dem Jahre 1793 bediene, und daß meine Freunde meinem Beispiele folgen. Einer meiner Freunde nahm vom Jahre 1793 an bis zum Jahre 1804 mehrere male solche Patronen nach Indien mit, wo er als Schiffskasier dient: ob er sie alle selbst brauchte, oder einige davon weggab, weiß ich nicht; genug, es kamen keine zuruͤk nach England. Die Einfuͤhrung der Patronen mir Pulver und Schrot schreibt sich von jener Zeit her, und bewies sich in vielen Faͤllen sehr vortheilhaft. Da aber Ihr Korrespondent des Hauptvortheiles bei dem Gebrauche der Schrotpatronen nicht erwaͤhnte, so will ich es hier thun, und zugleich einige von mir und anderen damit angestellten Versuchen erzaͤhlen. Der Hauptvortheil der Schrotpatronen besteht darin, daß sie den Lauf vor dem Verbleyen sichern, und zugleich denselben nach jedem Schusse reinigen helfen. Es ist bekannt, daß man, um die Schroͤte glaͤnzend und fein zu machen, sich einer bedeutenden Menge Schwarzbleyes bedient, wovon bei jedem Schusse innenwindig am Laufe ein Theil sich anlegt und so fest anhaͤngt, daß man durch Puzen auf die gewoͤhnliche Weise denselben nicht wegbringt. Ich sah binnen wenigen Tagen einen Lauf sich so verbleyen, daß die Wurfkraft desselben in solchem Grade verdorben wurde, daß der Schuß nicht mehr seine gerade Richtung behalten konnte und nur in unregelmaͤßigen Haufen ausgeworfen wurde, welche, in der Entfernung von 40 Yards (20 engl. Klaftern), als seiner Kernschußweite, Raͤume von 4–5 Zoll im Durchmesser zwischen sich ließen. Ueberdieß verengt dieses Bley und der Ruͤkstand von Pulver den Lauf vor der Ladung so, daß, wenn er auch auf gewoͤhnliche Weise gepuzt wird, er, wie ich gesehen habe, in Stuͤke springen muß, und wenn er auch noch so gut waͤre: dieß kann bei Schrotpatronen nie geschehen. Indessen halte ich diese Schrotpatronen doch nicht fuͤr unerlaͤßlich und uͤberall anwendbar, sondern bediene mich derselben nur dort, wo man schnell nach einander schießen muß. Das Puzen bei jedem Schusse geschieht hier so. Die Patrone, die ziemlich genau in die Weite des Laufes paßt, wird durch die Explosion des Pulvers erweitert, druͤkt hart an die Seiten des Laufes, und treibt einen großen Theil des Schmuzes der vorigen Ladung vor sich her, ohne daß der Schuß unmittelbar damit in Beruͤhrung kaͤme. Auf diese Weise wird der Schmuz in dem Laufe vermindert statt vermehrt, und das Verbleyen des lezteren wird ganz unmoͤglich. Man sagt, daß das Glaͤnzen der Schrote mit Schwarzbley nicht bloß zur Zierde derselben gereicht, sondern auch nuͤzlich ist, indem dieselben dadurch schluͤpfriger werden, und also weniger Reibung erleiden: dieß nuͤzt aber nur auf einige Zeit; denn das Verbleyen des Laufes hebt bald alle Vortheile der Glaͤtte der Schrote auf. Um zu sehen, ob das Glaͤtten der Schrote wahren Vortheil gewaͤhrt, schoß ich 50 Ladungen, jede zu 2 1/2 Unzen von Nr. 4. Schrot, auf eine Scheibe von 3 Zoll im Durchmesser am ballistischen Pendel in einer Entfernung von 50 Yards (150 engl. Fuß). Nach jedem fuͤnften Schusse ward der Lauf gepuzt. Fuͤnfzig andere Schuͤsse zu 2 1/2 Unzen mit den alten, nicht geglaͤtteten, Patentschroten schoß ich in derselben Entfernung auf dasselbe Pendulum mit derselben Flinte, die ich nach jedem zehnten Schusse puzte. Geglaͤttete Schrote brachte ich 153, alte Patentschrote 161 auf die Scheibe. Ich that hierauf fuͤnfzig Schuͤsse mit den Schrot-Patronen und puzte die Flinte nur ein mal waͤhrend derselben, nach der 25ten Ladung. Von den neuen geglaͤtteten Patentschroten brachte ich 159 in die Scheibe, von den alten nicht geglaͤtteten Patentschroten 169, so daß die aͤlteren Patentschrote in Hinsicht auf Wurfkraft in beiden Faͤllen, wie ihre Wirkung auf das Pendulum bewies, den Vorzug hatten. Leichtigkeit im Laden ist unstreitig ein wesentlicher Vortheil bei der Jagd auf gewisse Arten von Voͤgeln, indem z.B. alle Pelicanarten uͤber den ersten geschossenen Vogel ihres Zuges sich niederlassen: ich weiß, daß zwei Jaͤger vier mal schießen konnten, ehe der Zug abflog, waͤhrend auf die gewoͤhnliche Weise sie nur zwei mal wuͤrden haben feuern koͤnnen. Was das Abbrennen betrifft, so geschieht dieß, außer bei schlechtem Laden, so selten, daß es nicht in Anschlag kommen kann. Ihr Korrespondent empfiehlt duͤnnes Papier. Folgende Versuche duͤrften, wie ich fuͤrchte, als Einwendungen dagegen gelten. Einige der ersten Patronen, die ich versuchte, waren aus weißlichbraunem (white brown) Papiere, andere aus Halbdrukpapier (printing demy), indem ich fuͤrchtete, daß die Schrote in starkem Papiere in einem Klumpen bei einander bleiben und nicht so leicht sich vertheilen wuͤrden. Ich verfertigte demnach zehn Patronen aus jedem der folgenden Papiersorten, naͤmlich: aus feinem weißlich braunen Papiere, aus Halbdrukpapiere, aus feinem Postpapiere, aus Narrenkappenpapiere (fools cap Was dieß fuͤr Papier ist, weiß der Uebersezer nicht; vielleicht findet man es auf irgend einer akadem. Papiermuͤhle fuͤr die philos. Section. A. d. U.), aus feinem blaͤuen Patronen-Papiere, aus starkem detto, aus weißem Patronenpapiere, aus sehr starkem detto, und aus sehr starkem braunen. Alle diese Papiere wurden gehoͤrig geleimt und sehr dicht gerollt, und jedes mit 2 1/4 Unzen Schrot Nr. 4. gefuͤllt: alle wurden aus demselben Gewehre abgeschossen und kein Schuß blieb bei einander, sondern die Schrote verbreiteten sich gleichmaͤßig sowohl aus der diken wie aus der duͤnnen Patrone. Ich ließ mir dann eine bestimmte Anzahl Patronen von einem Messer- und Barbiermesser-Futeralmacher in der Staͤrke eines gewoͤhnlichen Barbiermesser-Futerales verfertigen, und zwanzig ließ ich mir aus Zinn, oben offen, machen: keine schoß in einem Klumpen, sondern die Schrote im Papiere zerstreuten sich unregelmaͤßig und noch mehr die in dem Zinne: mehrere derselben wichen so sehr von der Schußlinie ab, daß sie ganz vergebens geladen waren. Diese Versuche sowohl, so wie eine Menge anderer, bestimmten mich zur Annahme des blauen und weißen Patronenpapieres und des braunen. Seit acht und zwanzig Jahren bediene ich mich desselben, und weiß bloß dreier Faͤlle mich zu erinnern, wo der Schuß in einem Klumpen bei einander blieb. Ich besize gegenwaͤrtig noch Patronen, die schon 20 Jahre alt sind. Wenn man duͤnnes Papier nimmt, so wird die Patrone in ihrer Mitte bald so dik, daß sie bei dem Laden in dem Laufe steken bleibt. Pulver und Schrot-Patronen werden eben so, wie die bloßen Schrotpatronen, verfertigt, nur ist bei den ersteren die Huͤlse laͤnger. Die Schrote werden zuerst gefuͤllt, dann kommt eine Lage Papier und endlich das Pulver: die Patrone wird uͤber dem Pulver mit dem Papiere geschlossen, welches, da es zu fest ist um abgebissen werden zu koͤnnen, sich bei dem Gebrauche leicht und schnell oͤffnen laͤßt. Ich fand diese Patronen aͤußerst brauchbar, da ich mit ihnen sowohl als mit den bloßen Schrotpatronen oͤfters, ohne den Ladstok anzuruͤhren, laden und mit dem besten Erfolge abfeuern konnte. Der einzige Einwurf, den man gegen die Pulver- und Schrotpatronen machen kann, ist der, daß, wenn man sie nicht bald, d.h. binnen acht oder vierzehn Tagen braucht, oder daß, wenn man sie mit zu Schiffe nimmt und auf dem Verdeke aufbewahren muß (was, um sie alsogleich bei der Hand zu haben, bei mir und bei meinen Freunden der Fall gewesen ist) das Pulver wesentlich leidet. Da ich nun schon so viel uͤber diesen Gegenstand gesprochen habe, will ich eine Skizze der ersteren dieser Patronen und der Form des Papieres etc. geben, und die Art ihrer Verfertigung und Fuͤllung beschreiben, obschon dieß vielleicht nicht mehr der Muͤhe werth ist, indem sie von jener, welche ihr Korrespondent beschrieben hat, nicht wesentlich verschieden ist. Nachdem das Papier in einer Laͤnge auf zwei, vier, sechs Patronen, wie AB in Fig. 34. Tab. V. zehn bis zwoͤlffach zusammengelegt wurde, wird eine Patrone von Zinn oder Holz abcd aufgelegt, und das Papier mit einem Messer durchschnitten. Die Spizen ee werden abgeschnitten, indem sie bei der Ausbildung der Patrone hinderlich sind. Das Papier muß hinlaͤnglich breit seyn, um, wenn es uͤber den Model aufgerollt wird, oben bei ab anderthalb mal und bei cd zwei mal herumzulaufen. Der Model ist ungefaͤhr 6 Zoll lang, und hat einen Kopf von 1 3/4 Zoll im Durchmesser, wie Fig. 35. zeigt. Beim Aufrollen der Patrone muß der Former am Boden um zwei Drittel seines Durchmessers auslassen, damit die Patrone geschlossen werden kann. Nachdem die Patronen troken geworden sind, werden sie noch ein mal uͤber den Model geschlagen, und mit ihrem Boden an den Schlußnagel gedruͤkt, welcher zu diesem Ende sich in dem Rollbrette befindet. Die Huͤlsen kommen hierauf in einen Holzblok mit zwei bis drei Duzend Loͤchern, nach Art einer Patronenbuͤchse, und werden mittelst eines Trichters und Maßes schnell gefuͤllt, ihre oberen Enden werden geschlossen und mit dem Kopfe des Models niedergehaͤmmert. Die Nummer, welche die Groͤße der Schrote ausdruͤkt, das Gewicht der Ladung und der Durchmesser des Laufes, fuͤr welchen die Patrone bestimmt ist, werden auf folgende Weise auf dieselbe aufgeschrieben: N. 4 Schrot, 2 1/4 Unze, fuͤr einen Lauf von 0,72 Durchmesser. Siehe Fig. 36. Dieß ist nothwendig, indem einige Patronen oft Jahre lang liegen bleiben, und dann, wenn auch mit anderen gemengt, leicht ausgesucht werden koͤnnen. Was die Vogel-Flinten betrifft, so muß ich bemerken, daß, obschon wir bereits mehrere vortreffliche Jagdflinten besizen, doch bisher noch kein wissenschaftlicher Grundsaz aufgestellt wurde, nach welchem man den verlangten Zwek mit Sicherheit erreichen koͤnnte. Nach mehreren Versuchen scheint es mir, daß ein gewisses Verhaͤltniß zwischen der Laͤnge und der Weite des Laufes Statt haben muͤsse, um ein Maximum von Vollkommenheit zu erhalten. Vielleicht daß irgend einer Ihrer wissenschaftlichen Leser dem Publikum einige Bemerkungen hieruͤber mittheilt. Ich bin etc. Old Ford d. 12. Okt. 1821. Jos. Steevens.

Tafeln

Tafel Tab. VI
Tab. VI