Titel: | Beitrag zur Geschichte der Erfindung der Dampfbothe, nebst Aufriß eines neu zu erbauenden Dampfbothes, und Bemerkungen über die Weise, Dampfbothe auf der Donau und auf den kleinern in dieselbe sich ergießenden floßbaren Strömen, Isar, Lech etc. wirklich brauchbar zu machen. |
Fundstelle: | Band 3, Jahrgang 1820, Nr. VIII., S. 37 |
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VIII.
Beitrag zur Geschichte der Erfindung der Dampfbothe, nebst Aufriß eines neu zu erbauenden Dampfbothes, und Bemerkungen über
die Weise, Dampfbothe auf der Donau und auf den kleinern in dieselbe sich ergießenden floßbaren Strömen, Isar, Lech etc. wirklich
brauchbar zu machen.
Von einem alten Donaufahrer.
Mit einer Abbildung auf Tab. XVIII .
Dampfbothe auf der Donau und andern Strömen anzuwenden.
Ich las neulich in den Annals of Philosophy
Annals of
Philosophy, or Magazine of Chemistry, Mineralogy, Mechanics, Natural
History, and the arts by Th. Thomson, April 1819. Nr. LXXVI.
S. 279.– Origin of
Steam-Boats, et description of Stevenson's Dalswinton
Steam-Boat. By a Civil Engineer.
einen Aufsaz uͤber die Erfindung eines Dampfbothes, und die
Beschreibung eines solchen nach Stevenson's und Miller's Dalswinton Erfindung.
Der ungenannte Hr. Verfasser, der sich blos als a
civil-Engineer unterzeichnet, und durch die hier zur Unzeit
beobachtete Anonymitaͤt weder der historischen Kritik, noch der Brauchbarkeit
des Stevenson'schen Dalswinton-Bothes, das hier
blos auf dem Papiere und in einem schoͤnen Kupferstiche existirt,
Gewaͤhr leistet, sagt:
„Es ist etwas mehr als ein Jahrhundert, daß die Dampfmaschine zuerst von
Savary und dem Marquis von
Worcester erfunden wurde;“
er sagt aber nicht, daß Savary ein den Englaͤndern
so sehr verhaßter Franzose war, der, verfolgt als Hugenotte, sein schoͤnes
Vaterland mit der Nebel-Insel vertauschen mußte, und daß der ehrenwerthe
Marquis von Worcester nur das Geld zur Ausfuͤhrung
dieser Erfindung hergab. Savary erhielt spaͤter
durch einen Englaͤnder, Newcomen, mit welchem er
sich verband, im Jahr 1705 ein Patent auf seine Erfindung. Es brauchte aber 15
Jahre, bis zum Jahr 1720, wo diese Maschine in so ziemlich allgemeinen Gebrauch in
England gekommen ist. Zehn Jahre spaͤter, im Jahr 1725, ward die erste
Dampfmaschine in Schottland zu Edmonstone erbaut.
Um zu beweisen, daß das Dampfboth eine englische Erfindung – a British invention – ist, sagt der
Verfasser:
„daß im J. 1736 Jonathan Hulls, aus London, ein
Patent auf eine Dampfboth-Maschine erhielt, welches man unter den Listen
der englischen Patente von diesem Jahre finden wird. Im folgenden Jahre gab Hr.
Hulls eine kleine Schrift uͤber seine
Erfindung unter dem Titel heraus: »Beschreibung und Abriß einer neu
erfundenen Maschine, um Fahrzeuge oder Schiffe aus und in den Hafen oder in
einen Fluß, gegen Wind und Fluth, und auch in einer Windstille zu
treiben.« (A Description and Draught of a
new invented Mashine for carrying Vessels or Ships out of or into any
Harbour, Port, or River, against Wind and Tide or in a Calm; by J. Hulls.
London. Printed for the Author, 1737. Price
6 d.)
Wenn aber Hr. Hulls niemals von seiner Erfindung, deren
Beschreibung er um 6 Pfennige verkaufte, Gebrauch machte; wenn die ganze englische
Nation durch beinahe ein volles Jahrhundert von Hulls
Erfindung keinen Gebrauch machte; wie kann man sagen, wenn man nicht von englischem
Egoismus und Stolze erfuͤllt ist, das Dampfboth sey eine
englische Erfindung? Waͤre Hulls's Erfindung, so wie er sie bekannt gemacht hat, brauchbar gewesen,
so waͤre es nur eine desto groͤßere Schande fuͤr England, daß
man sie nicht benuͤzte. Auf alle Faͤlle hat weder Hulls, noch irgend ein Englaͤnder, ein Dampfboth
vom J. 1737 bis zum J. 1813 gebaut, in welchem Jahre das Erste dieser Fahrzeuge am
Clyde von Hrn. Bell von Helensburgh in Dumbartonshire
ausgeruͤstet wurde, nachdem die Amerikaner sich derselben schon lang vorher
bedient hatten.
In Hulls's Broschuͤre findet sich eine
merkwuͤrdige Stelle, die der Hr. Verfasser des Aufsazes, welchen wir hier
commentiren (der civil Engineer), aus derselben
woͤrtlich anfuͤhrt, ohne, wie es scheint, zu ahnden, daß es mit der
Erfindung der Dampfbothe, wie mit jener der Druckerei, ergehen wird, und daß man,
wie in der Buchdruckern auf Stereotypen und Lithographie, von welcher die
Typographie ausging, so mit den Dampfbothen allmaͤhlich wieder auf die erste
Idee zuruͤckkommen wird, und zuruͤckkommen muß, von welcher das
Dampfboth zuerst ausgegangen ist. Hulls sagt klar und
deutlich:
„An einer schicklichen Stelle des Zieh-Bothes (tow boat, des Bothes naͤmlich, welches das
Schiff ziehen, bugsieren soll) befindet sich ein
Gefaͤß, welches bis auf zwei Drittel mit Wasser angefuͤllt, und
fest mit seinem Deckel geschlossen ist. Wenn man dieses Gefaͤß in
Siedehize erhaͤlt, so verduͤnnt es das Wasser in Dampf; dieser
Dampf, durch eine weite Roͤhre in ein cylindrisches Gefaͤß
geleitet, wird in demselben verdichtet und bildet einen leeren Raum, welcher
macht, daß das Gewicht der Atmosphaͤre auf dieses Gefaͤß
druͤckt, und so den in demselben angebrachten Stempel niedertreibt wie in
Newcomen's (eigentlich Savary's) Maschine.“
Es wurde bereits erwiesen, daß auf ein Gefaͤß von 30 (engl.) Zollen im Durchmesser, was nur 2 1/2 Fuß ist,
die Atmosphaͤre, wenn die Luft aus demselben ausgepumpt ist, mit einem
Gewicht von 4 Tonnen 16 Zentnern und daruͤber druͤckt; wenn also
die gehoͤrigen Instrumente zur Arbeit an demselben angebracht sind, muß
es ein Fahrzeug mit großer Gewalt treiben.“
Wenn der Hr. civil Engineer nach Anfuͤhrung dieser
Stelle fortfaͤhrt zu behaupten:
„Wir haben hier deutlich die Anwendung der Dampfmaschine im J. 1736 als
Treibkraft auf ein flottendes Schiff, oder mit andern Worten, die Entdeckung des
Dampfbothes“
so behauptet er offenbar zu viel: denn von der Idee bis zur Ausfuͤhrung ist
noch eine weite Kluft: man koͤnnte eben so sagen, Amerika waͤre
Jahrhunderte vor Christoph Colomb entdeckt gewesen, indem Gelehrte die
Nothwendigkeit einer Terra firma jenseits des Weltmeeres
deutlich eingesehen und erkannt haben. Amerika war wohl in der Idee, nicht aber in
der Wirklichkeit entdeckt. Und eben so ist es mit Hulls's
Erfindung, die immer nur noch auf dem Papiere, nicht aber auf der Themse war. Immer
wird die dankbare Nachwelt Hrn. Hulls's Namen ob der
herrlichen Idee, die er hatte, mit Verehrung nennen: niemals wird sie ihn aber als
den Erfinder der heutigen amerikanischen Dampfbothe
betrachten, die ohne alles Bugsierboth sich durch sich selbst uͤber den
ganzen weiten Ocean bugsieren. Sie wird Hulls's Andenken
um so mehr ehren, als er zuerst die Idee hatte, die Dampfmaschine bloß zur
Schiffahrt auf Fluͤssen und zum Bugsieren im Hafen zu verwenden: eine Idee,
die man nie haͤtte aufgeben, und deren Realisirung man mit aller Gewalt des
menschlichen Geistes haͤtte durchsezen sollen. Es ist allerdings eine Schande
fuͤr uns, daß wir auf unserer unteren Donau noch keine Dampfbothe besizen,
waͤhrend in
Nord-Amerika die Fluͤsse alle bereits davon bedeckt sind, und selbst
die Elbe und die Newa schon Dampfbothe auf ihrem Ruͤcken traͤgt!
indessen haben wir vielleicht weniger darin gefehlt, daß wir fuͤr unsere
stellenweise so sehr seichte Donau Dampfbothe erbauten, wie man sie fuͤr den
Ocean baut, waͤhrend wir vergaßen, Bugsierbothe vorzurichten, um unsere alten
Kehlheimer stromaufwaͤrts zu ziehen. Die Amerikaner sind jezt auf Hulls's Idee zuruͤckgekommen, und bauen Dampfbothe
als Zieh- oder Bugsierbothe; sie sind uns aber auch da noch vorgekommen, wo
sie zuruͤckgiengen, und dieß ist, wie es scheint, das Schmerzlichste, was uns
begegnen konnte in den Augen der Nachwelt. Es bleibt uns also, wollen wir unsere
Ehre retten, nichts anderes uͤbrig, als Nachahmer, nicht Nachaͤffer zu
werden, und wir erwarten es von den Baiern und Wuͤrtembergern, daß sie nicht
eben so lang hinter den Amerikanern zuruͤckbleiben werden, wo diese
ruͤckwaͤrts gehen, als sie es geblieben sind, da jene so rasch den
stolzen Britten vorangingen.
Wenn man die Muͤheseligkeiten des Stromaufwaͤrtsfahrens auf der Donau
(die Niemand mehr beachtet zu haben scheint, als Dr.
Schultes in seinen Donaufahrten) nur mit einiger Aufmerksamkeit erwaͤgt, wenn man den
Verlust an Zeit und Kraft der Pferde und der Menschen, die hierbei gebraucht werden,
und wohl auch des Lebens der Pferde und der Menschen, die hiebei zu Grunde gehen,
nur in einigen Anschlag bringt; wenn man bedenkt, daß ein Schiff in der kleinen
Entfernung von Wien bis Regensburg 4 bis 6 Wochen stromaufwaͤrts braucht, und
die Wasserfracht, fuͤr diesen Zeitverlust, unbedeutend geringer ist als die
Landfracht; so wird ein Both, das mit der Gewalt von 40 Rossen zieht, und 20
Menschen erspart, wohl ein wahres Beduͤrfniß an der Donau, am Inn, an der
Isar, am Loch, selbst noch an der Iller seyn, da selbst Floͤße, so gut wie
Schiffe,
stromaufwaͤrts gezogen werden koͤnnen. Demjenigen, der das erste
brauchbare Dampfziehboth bauen wird, wird das baierische Volk auf den
altroͤmischen Ruinen von Weltenburg ein Denkmal sezen, das seiner und seines
Koͤniges werth seyn soll, so lang die Donau ins schwarze Meer
stroͤmt.
Der civil Engineer erzaͤhlt uns ferner S. 280, daß
der gottselige Patrick Miller, Esq. of Dalswinton in Schottland bei seinen Untersuchungen uͤber
den besten Bau der Schiffe und des Tackelwerkes verschiedene Fahrzeuge mit doppeltem
und dreifachem Kielraume bauen ließ, um sowohl mit Segeln als mit einer
Dampfmaschine zu fahren. „Aus einem Briefe des Hrn. Miller an Hrn. Georg Salmond zu Glasgow dd. 12. Jaͤn. 1815“ sagt er,
„erhellt, daß Hr. Miller mit diesen
Untersuchungen schon vor dem J. 1787 sich beschaͤftigte, in welchem er
eine Abhandlung schrieb, wovon er folgenden erlauchten Personen Abschriften
mittheilte: naͤmlich zuerst unserm Koͤnige, und auch dem sel.
Koͤnige von Frankreich, dem Kaiser von Rußland, dem Erbstatthalter von
Holland, den Koͤnigen von Schweden und Daͤnemark und anderen
Souverainen; auch dem Praͤsidenten von Amerika, Washington, dem damaligen
amerikanischen Gesandten an unserem Hofe und dem Dr. Franklin. Er gab auch
Abschriften in die Bibliothek der Advokaten, an die Universitaͤt zu
Edinburgh, Cambridge und Oxford und die k. Gesellschaft zu London. Hr. Miller machte auch zu derselben Zeit verschiedene
Versuche auf dem Forth und Clyde Canal mit einem mit einer Dampfmaschine
versehenen Bothe, und er versichert, daß diese Versuche gelangen. Auch der sel.
Graf Stanhope war mehrere Jahre auf seinem Landsize
Chevening mit einem Dampfbothe
beschaͤftigt.“ – „Miller's Versuche am Forth und Clyde Canal“ sagt der civil Engineer, „hat der sel. Fulton, wie ich hoͤrte (we have been informed) entweder gesehen, oder sie wurden ihm
mitgetheilt. Der sel. Fulton, Maschinist in Amerika,
ist, wie man glaubt (it is
believed) ein geborner Englaͤnder, oder hat wenigstens in diesem
Theile von Schottland sich aufgehalten, ging aber spaͤter nach Amerika,
wo er das Verdienst und die Ehre hatte, das Dampfboth in einem groͤßeren
Maaßstabe auf den großen Fluͤssen und Seen einzufuͤhren; so daß
wir diese Erfindung ganz unbezweifelt (mort indisputably) als brittischen Ursprunges
aufstellen koͤnnen.“ Ob in England ein Beweis, der bloß auf
Hoͤrensagen, auf Glauben beruht, als unbezweifelt angesehen
wird, oder angesehen werden kann, wissen wir nicht: bei uns in Deutschland
wenigstens gelten solche Beweise soviel wie nichts.
Der civil Engineer bemerkt zwar sehr richtig, daß, wie
auch Hr. Stevenson fruͤher schon angab, der
Umstand, daß an den bisherigen Dampfbothen die Raͤder und Treibwerke außen an
dem Bothe angebracht sind, manche Schwierigkeiten herbeigefuͤhrt. Er will
daher die Raͤder innerhalb des Bothes, und der Laͤnge desselben nach,
angebracht wissen, und bedient sich zweier Dampfmaschinen statt einer. Indessen
existiert diese neue Einrichtung des Dampfbothes, soviel wir wissen, bisher nur auf
dem Papiere, und der hier entworfene Plan ist nur einstweilen gezeichnet und
gestochen, ohne daß ein Dampfboth darnach erbaut worden und damit gluͤcklich
gefahren waͤre. Es ist uns sogar wahrscheinlich, daß, wenn der civil Engineer des Gelingens seines Stevenson's Dalswinton Dampfbothes nur etwas sicher
gewesen waͤre, er sich nach englischer Sitte, nach welcher man sich jede auch
noch so kleine Erfindung und Verbesserung eines alten Hosentraͤgers
verpatentisieren laͤßt, auch alsogleich mit einem Patente versehen haben
wuͤrde.
Da wir jedoch vermuthen, der civil Engineer habe irgend
eine naͤhere Kunde von Millers ersten Versuchen,
der, wie Hulls, anfaͤnglich auch nur auf ein
Ziehboth dachte, welches Schiffe ziehen (bugsieren)
soll, und er sogar diese
Idee zu tadeln scheint, so wollen wir, hoffend, daß irgend ein Reichenbach sich der Schiffarth an der Donau einmahl erbarmen, und uns ein
brauchbares Ziehboth mit einer Kraft von 6–40 Pferden bauen wird, den
Grundriß des Stevenson's Dalswinton Dampfbothes hier nach
der Lehre des Apostels vorlegen, der uns zuruft:
»pruͤfet alles, und das Gute behaltet.«
Man vergleiche mit diesem Aufsaze unsere Nachricht uͤber die von Samuel Morey erfundene sich umwaͤlzende
Dampfmaschine von Sullivan im VI. St. unseres
Journales S. 129 und erbaue darnach ein Ziehboth. Was sich selbst in
Bewegung sezen kann, kann auch andere ziehen.