Titel: | Beschreibung des Herrmann'schen Flachsspinntisches, wie solcher in der von Schätzler'schen Armenbeschäftigungsanstalt zu Augsburg mit Vortheile bestehet. |
Autor: | Dr. phil. Johann Gottfried Dingler [GND] |
Fundstelle: | Band 1, Jahrgang 1820, Nr. XLIII., S. 424 |
Download: | XML |
XLIII.
Beschreibung des Herrmann'schen Flachsspinntisches, wie solcher in der von Schätzler'schen Armenbeschäftigungsanstalt zu Augsburg mit Vortheile bestehet.
Vom Herausgeber.
Mit Abbildungen Tab. X.
Herrmann's Flachsspinntisch.
Es sind bereits zwei Jahre, daß der Koͤnigl. Professor
in Muͤnchen, Dr. Herrmann bei seiner Anwesenheit in Augsburg den Behoͤrden der Stadt
eine seiner neuen Erfindungen, naͤmlich den Flachsspinntisch zum Besten der hiesigen
Armenbeschaͤftigungsanstalt vorgezeigt hat.
Der Vortheil dieses neuen Spinntisches bestehet darin, daß 4, 6, 8 bis 10 Personen zu
gleicher Zeit an einer gemeinschaftlichen Spinnscheibe, welche unter dem Tischblatte
angebracht ist, jede Gattung von Faden, mit viel groͤßerer Ergiebigkeit, als an dem
gemeinen Spinnrade, spinnen koͤnnen, ohne dabei eine andere Verrichtung zu
haben, als den Flachs vom Rocken in die Spule zu leiten.
Der von Herrn Professor Herrmann vorgewiesene Spinntisch hatte eine einfache mechanische
Vorrichtung, wodurch sich alle Spulen von selbst vor- und
ruͤckwaͤrts bewegen, um den Faden gehoͤrig aufzuwickeln,
weswegen man nicht mehr noͤthig hat, mit einigem Zeitverlust den Faden zu
stecken.
Die Spinnscheibe selbst wird durch ein Gewicht, welches an irgend einem hiezu
tauglichen Orte uͤber Rollen an einem Stricke, wie bei einem Bratenwender in
der Kuͤche, haͤngt, in Bewegung gesezt; und um dem Ablaufe des
Gewichts neben der Benuͤzung der Rolle noch eine laͤngere Dauer zu
geben, ist an der Welle der Spinnscheibe ein Trilling mit einem Kammraͤdchen
angebracht.
Um aber dieses neue Spinnwerkzeug noch einfacher, minder kostspielig, und eben
dadurch gemeinnuͤziger zu machen, gab damals Hr. Prof. Herrmann zur Verfertigung solcher Spinntische
fuͤr die Koͤnigl. Polizei-Direktion eine neue Vorrichtung an,
bei welcher die Scheibe von einer einzigen Person, oder abwechselnd durch zwei
Personen, fuͤr alle uͤbrigen durch Treten mit dem Fuße, wie bei dem
gemeinen Spinnrade, bewegt wird.
Der Vortheil hievon ist nicht nur dieser, daß zu solchem Spinnen schon Kinder von
noch schwaͤchlichem Alter, so wie bejahrte Leute mit gebrechlichen
Fuͤßen gebraucht werden koͤnnen; sondern es hat auch seit der
Einfuͤhrung solcher Spinntische in der v. Schaͤtzler'schen
Armenbeschaͤftigungs-Anstalt die Erfahrung gezeigt, daß Kinder von 6
und 7 Jahren an einem Tage noch einmal so viel Gespinnst liefern, als an den
gewoͤhnlichen Spinnraͤdern moͤglich ist; denn diese haben insgemein den Fehler,
daß ihre Scheiben zu klein sind, folglich zur Drehung der Spulen und Bildung des
Fadens in gleicher Zeit weit weniger taugen.
Der Faden des von Armenkindern gelieferten Gespinnstes war zugleich so fein, haltbar
und gleichfoͤrmig, daß solches, bei der oͤffentlichen
Schul-Jahres-Pruͤfung zu Augsburg vorgelegt, mit allgemeinem
Beifalle aufgenommen wurde.
Den Anfangs erwaͤhnten kuͤnstlichern Spinntisch des Hrn. Prof.
Herrmann mit Gewicht und
Selbstverschiebung der Spulen nebst Beschreibung desselben wird man in dem
fruͤher angekuͤndigten Werke des Herrn Verfassers von seinen neuen
technisch-mechanischen Erfindungen finden.Dieses Werk, welches nicht in den Buchhandel kommt, sondern allein bei dem
Verfasser in Muͤnchen zu haben ist, wird folgende Gegenstaͤnde
auf 10 großen Kupferplatten enthalten: 1) Eine
Getreid-Mahlmuͤhle ohne Zaͤhne und
Triebstaͤbe an den gewoͤhnlichen Raͤdern und Getrieben
mit moͤglichster Verminderung der Friction. 2) Einen Wagen, um gleichfalls durch moͤglichst verminderte
Reibung wesentlich an Zugkraft zu ersparen. 3) Einen
Flachsspinntisch, wie so eben beschrieben. 4) Einen Loͤschbrunnen, nach welchem jeder gewoͤhnliche
Haus-Pumpbrunnen bei Feuergefahr zugleich die Stelle einer
Feuer- oder Loͤschsprize vertritt. 5) Eine Hopfentheilungs-Maschine
zum Brauwesen, um theils an Hopfen zu ersparen, theils die besseren
Bestandtheile aus demselben zu gewinnen. 6) Eine
Abkuͤhlungs-Maschine (durch ein Gewicht bewegt) zum
Bierbrauen. 7) Eine sehr einfache
Quetsch-Maschine zu weit vorteilhafterer Schrotung des
Malzes zum Bierbrauen und Branntweinbrennen, – auch zur Schrotung des
Getreidfutters fuͤr das Vieh. 8) Eine
Maisch-Maschine, gleichfalls zum Brauwesen, um in
geschlossenen Bottichen weit vollkommener und bei hoͤherem
Waͤrmegrad maischen zu koͤnnen, als bisher. Der Preis des
ganzen Werkes ist portofrei 4 Dukaten oder 22 fl. Rhein.
Wir wollen hier nur den einfachen Spinntisch, wie solcher in Augsburg verfertiget und
mit Vortheil benuzt wird, in Abbildung und Beschreibung mittheilen.
Tab. X.Fig. 1 giebt
eine Ansicht des ganzen Spinntisches fuͤr 8 Personen. Der Tisch ist nicht
rund, sondern besser ein Polygon von so vielen Seiten, als Spulen angebracht werden
sollen.
Die Spulen werden hier nicht, wie sonst, mittelst gespannter Schnuͤre von der
gemeinschaftlichen Spinnscheibe aus in Bewegung gesezt, sondern durch unmittelbare
Beruͤhrung der Scheibe selbst, auf der wie bei gg
in Fig. 2 sehr
deutlich zu ersehen ist, mittelst Scheibchen, welche am Ende der Spindeln befestiget
sind; und folglich mit gehoͤrigem Drucke liegen, bei Bewegung der Scheibe um
ihre Achse mit umgedrehet werden.
Es sind deshalb an dem Tischblatte A
Fig. 1 zur
Bewegung der Spulen eben so viele Ein- oder vielmehr Ausschnitte gemacht. Die
Spulengestelle selbst haben an dem Kranze K um den Tisch
ihre Befestigung. Die Spinnrocken stecken auf beweglichen Aermen, damit man sie nach
Belieben stellen koͤnne.
Bei DD sind die Fußtritte bezeichnet, welche von zwei
Personen, entweder wechselsweis oder zugleich, getreten werden, und welche mittelst
einer Kurbel, die an der Achse angebrachte kleinere, eigentlich Drehscheibe C bewegen koͤnnen.
Bei E laͤuft der staͤhlerne Zapfen von der
Welle der Spinnscheibe in einem, am besten, messingenen Pfaͤnnchen.
Fig. 2 stellt
den Spinntisch im Durchschnitte dar, und zeigt hinlaͤnglich die ganze
Bewegungsart desselben. – Man sieht bei
A das Tischblatt;
B die unter demselben befindliche Spinnscheibe;
gg die darauf liegenden Spulen-Scheibchen, die am
besten mit Leder uͤberzogen werden;
D den Fußtritt;
F die Kurbel;
C die an derselben befestigte kleinere Scheibe, wodurch
eigentlich die auf ihr hinlaͤnglich aufliegende, und sie dadurch
beruͤhrende gemeinschaftliche Spinnscheibe in Bewegung gesezt wird;
An dem Spulengestelle bei hh sind eingekerbte Scheibchen,
um welche, von den Spulen herab, eine weiche Schnur befestiget ist, um durch
vermehrte oder verminderte Spannung derselben das mehr oder mindere Einziehen des
Fadens, je nach der Faͤhigkeit oder Fertigkeit der Spinnenden, bewirken zu
koͤnnen.
Fig. 3 stellt
die Ansicht des Spinntisches, nach aufgehobenem Tischblatte, von oben dar.
Die Scheibe B kann durchbrochen, und durch ein starkes
Kreuz von festem Holze oder auch von Eisen zusammen gehalten seyn. – Da die
Scheibe zu stets gleicher und richtiger Bewegung der Spulen genau horizontal laufen
muß, also das Holz sich nicht werfen oder biegen darf; so wird sie wohl am besten
aus dreifachen, abwechselnd uͤber Hirn gelegten und von sehr gut
ausgetrocknetem Holze zusammengeleimten Brettchen verfertiget, wie
sachverstaͤndigen Arbeitern ohnehin bekannt ist.
Fig. 4 zeigt
den untern Theil des Tischgestells mit einigen Theilen der Maschine.
Da bei E, wo der untere Zapfen der Spinnscheibe im
sogenannten Kirner (Pfaͤnnchen) laͤuft, nicht die geringste Schwankung
oder Beugung statt haben darf; so ist hier demselben eine starke Befestigung gegeben
durch mehrere Verbindungen der Tischschuͤsse uͤber das Kreuz, deren
immer so viele als Spulen an dem Tische sind; und so erhaͤlt zugleich das
Ganze einen festen Halt.
Bei DD sieht man wieder die Fußtritte;
Bei F die doppelte Kurbel;
Bei C die daran befestigte Drehscheibe.
Da diesen Figuren der genaue Maaßstab des Originals beigesezt ist, so war es bei der
Beschreibung dieses Spinntisches unnoͤthig, die Groͤße der einzelnen
Theile anzugeben, indem solche nun gar leicht von Jedermann darnach bemessen werden
koͤnnen.