Titel: Ueber Treib-Betten aus den Abfällen bei der Flachs-Bereitung, die gewöhnlich weggeworfen werden.
Fundstelle: Band 1, Jahrgang 1820, Nr. XXXI., S. 345
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XXXI. Ueber Treib-Betten aus den Abfaͤllen bei der Flachs-Bereitung, die gewoͤhnlich weggeworfen werden. Von Herrn Peter Barnet 117). (Aus den Verhandlungen der kaledonischen Garten-Cultur-Gesellschaft118)) Barnet über Treibbetten von Flachsagen. Die Hize, welche sich waͤhrend des Gaͤhrungs-Prozesses der Pflanzen oder Pflanzenstoffe entwickelt, war bisher das Hauptmittel, dessen man sich bediente, um die zum Treiben der Ananas, Melonen und Fruͤhgurken in unserem Klima noͤthige Grundhize zu erzeugen. Wenn Pflanzen in gruͤnem Zustande in Gaͤhrung gerathen, so ist die dadurch erzeugte Hize sehr groß, aber schnell voruͤbergehend; je trockener und fester hingegen das Gewebe derjenigen Stoffe ist, die man diesem Prozesse unterwirft, desto weniger heftig und desto mehr anhaltend ist die dadurch erzeugte Hize. Daher hat man bisher immer Eichenrinde, nachdem der Gaͤrbestoff aus derselben ausgezogen wurde, und trockenes Baumlaub als die schicklichsten Materialien zu Ananas- und Melonen-Betten gefunden, wo es immer an Fuͤtterung derselben fehlte119). Pferdemist und Streu werden gewoͤhnlich zur Anlage der Melonen- und Gurken-Bette genommen. Pferdemist erhaͤlt man aber selten ohne Zank von den Aufsehern einer Wirthschaft, indem diese Leute meinen, daß sie ihren Duͤnger mit mehr Vortheil auf ihre Erdapfel- und Brachfelder verwenden koͤnnen. Auch der Gaͤrtner, obschon er weniger dagegen sagt, weiß, wie viel der Duͤnger durch Aufloͤsung und Ausduͤnstung wahrend der fortgesezten Gaͤhrung verliert, welche nothwendig durch Fuͤtterung unterhalten werden muß, wenn man seiner Melonen sicher seyn will. Da nun, wie man allgemein zugestehen wird, Duͤnger eine zu kostbare Sache ist, als daß man sie muthwillig verderben duͤrfte; da Eichenrinde (Gaͤrberlohe) zu sehr im Preise gestiegen ist, seit sie an vielen Orten zum Compost 120), zur Vermehrung des Duͤngers benuͤzt wird; so scheint es ein Gegenstand von Wichtigkeit, wenigstens fuͤr diejenigen, deren Verhaͤltnisse es gestatten, davon Gebrauch zu machen, wenn man etwas, das bisher allgemein fuͤr unnuͤz angesehen und weggeworfen wurde, mit Vortheile zum Treiben der Pflanzen anwenden kann. Und dieses Etwas ist das, was man Agen (bei uns im Provincial-Ausdrucke rolling shows) nennt, das Mark des Flachses, welches bei dem Walzen desselben vor dem Schwingen (scutching) abfaͤllt. Diese Agen halten, wie ich aus Erfahrung weiß, durch mehrere Monate fortwaͤhrend einen bestimmten und regelmaͤßigen Grad von Hize, ohne viele Umstaͤnde zu machen. Ich uͤberzeugte mich hievon auf das Genaueste bei oͤfterem Nachsehen in einer benachbarten Flachs-Muͤhle, wo Haufen von Agen sorglos aufgethuͤrmt waren, und 14 Monate lang an einer und derselben Stelle liegen blieben. Waͤhrend dieser Zeit blieben sie nahe am Grunde so warm, daß Fahrenheit's Thermometer bis zu 64° stieg. Erdaͤpfel wuchsen oben am Gipfel dieser Haufen ohne alle Erde; allein der Muͤller verlor den Ertrag derselben, da er die Agen um den Stamm umher, wie man es mit der Erde zu thun pflegt, aufhaͤufeln wollte; er erzeugte dadurch eine so heftige Hize, daß die Erdaͤpfel in einer Nacht davon verbrannt wurden. Ich versuchte die Agen auch unter den gewoͤhnlichen Glasfenstern. Die Gaͤhrung trat beinahe augenblicklich ein, und eine regelmaͤßige Hize hielt lange Zeit uͤber an; und nach dieser Laͤnge der Zeit, waͤhrend welcher ich die Agen bei mir in Gaͤhrung sah, ehe sie gaͤnzlich zersezt wurden, glaube ich mit Sicherheit schließen zu koͤnnen, daß ihre hizende Kraft laͤnger anhaͤlt, als jene der meisten, bisher zum Treiben angewendeten Stoffe. Ich kann noch hinzufuͤgen, daß diese Agen, nachdem sie durch die Gaͤhrung zersezt wurden, sich als trefflicher Duͤnger bewiesen haben121).